Die Mehrheit der Menschen in Deutschland ist unzufrieden mit der öffentlichen Infrastruktur. Im Bundesdurchschnitt fordern deshalb gut zwei Drittel höhere staatliche Investitionen. Am geringsten ist die Zufriedenheit in den Bereichen Bildung, Gesundheit/Pflege und Umweltschutz. Allerdings gibt es erhebliche regionale Unterschiede, zeigt eine neue Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung*: Auf dem Land ist der Wunsch nach Verbesserungen der Gesundheitsversorgung noch höher als in der Stadt. Mehr Bedarf an Investitionen in Klima- und Umweltschutz äußern dagegen häufiger Stadtbewohner und Stadtbewohnerinnen. In den neuen Bundesländern spielt öffentliche Sicherheit eine größere Rolle, Klimaschutz eine geringere. Im Westen ist es genau umgekehrt. Durchweg sehr niedrig ist die Zufriedenheit im Saarland. Den größten Investitionsbedarf sehen die Einwohner und Einwohnerinnen in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz, ergibt die Untersuchung von Ekaterina Jürgens und Christoph Paetz vom IMK und Levi Timon Henze von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (siehe auch Abbildungen 1 und 2 in der pdf-Version dieser Studie; Link unten). Die Ergebnisse basieren auf einer repräsentativen Online-Befragung für das IMK, bei der im Oktober 2021 die Zufriedenheit mit der öffentlichen Infrastruktur und der Wunsch nach Mehrinvestitionen in acht Kategorien abgefragt wurden.

Noch am größten ist die Zufriedenheit im bundesweiten Durchschnitt bei der öffentlichen Sicherheit. Die Hälfte der Befragten ist damit zufrieden. Die Unzufriedenheit ist hingegen groß in den Bereichen Klimaschutz sowie Bildung und Gesundheit – hier sind im Schnitt nur 31 Prozent beziehungsweise 34 Prozent zufrieden. Der Wunsch nach zusätzlichen Investitionen ist in allen Bereichen stark ausgeprägt. Im Durchschnitt befürworten 68 Prozent der Befragten höhere öffentliche Investitionen. Den mit Abstand größten Bedarf sehen die Befragten im Bereich Gesundheit mit 87 Prozent und Bildung mit 79 Prozent. Mehr Investitionen in Klima- und Umweltschutz stimmen 70 Prozent zu. "Bundesweit ist die Zufriedenheit in allen Bereichen auffallend gering und der Wunsch nach Mehrinvestitionen sehr hoch", schreiben die Forschenden. Gleichzeitig seien aber Unterschiede in den Präferenzen zwischen Stadt und Land, Ost und West sowie auch zwischen einzelnen Bundesländern deutlich sichtbar. Ein genauer Blick auf die einzelnen Bereiche, aufgeschlüsselt nach Region ergibt folgendes Bild:

1. ÖPNV und Bahn
Knapp die Hälfte der Befragten aus Städten zeigt sich zufrieden mit dem öffentlichen Nahverkehr, auf dem Land sind es nur 31 Prozent. Auch im Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland ist der Unterschied groß: 45 Prozent der Befragten im Osten sind mit dem ÖPNV zufrieden, 38 Prozent im Westen. Beim Investitionsbedarf sind die Unterschiede weniger stark ausgeprägt: In der Stadt wünschen sich 66 Prozent mehr Investitionen, auf dem Land 64 Prozent. Obwohl die Zufriedenheit auf dem Land also deutlich geringer ist, ist der Wunsch nach höheren Ausgaben nicht stärker ausgeprägt. Nach Ansicht der Forschenden lässt sich daraus ablesen, dass die Landbevölkerung häufiger das Auto vorzieht. Dagegen ziehen Menschen, die bereit sind auf das Auto zu verzichten, eher in die Stadt. Damit sind sie dann im Alltag auch stärker auf den ÖPNV und die Bahn angewiesen.

2. Straßen
Die Zufriedenheit mit Straßen, Brücken und Autobahnen liegt im bundesweiten Mittel bei 46 Prozent und damit vergleichsweise hoch. Der Unterschied zwischen Stadt und Land sowie Ost und West fällt kaum ins Gewicht. Auffällig niedrige Werte ergeben sich in Rheinland-Pfalz mit 36 Prozent und Nordrhein-Westfalen mit 38 Prozent. In allen Bundesländern findet sich eine leichte Mehrheit für eine Ausweitung der Investitionen in den Straßenbau, auf dem Land etwas mehr als in den Städten. Bemerkenswert ist allerdings, dass in allen Bundesländern – mit Ausnahme von Brandenburg – die Verbesserung des ÖPNV und der Bahn eine höhere Priorität erhält als der Straßenbau.

3. Fuß- und Fahrradwege
Die Zufriedenheit mit der Infrastruktur für Fußgänger und Fahrradfahrer unterscheidet sich kaum zwischen Stadt und Land oder West- und Ostdeutschland – sie liegt jeweils knapp unter 50 Prozent. Der Wunsch nach höheren Investitionen ist mit 53 Prozent so gering wie in keinem anderen Bereich. "Es liegt nahe, dass das mit dem immer noch geringen Verkehrsaufkommen zu Fuß oder mit dem Fahrrad zusammenhängt", schreiben die Forschenden.

4. Mobilnetz und Internet
In der Stadt sind 52 Prozent mit Mobilfunk und Internet zufrieden, auf dem Land sind es 44 Prozent. Der Stadt-Land-Unterschied verschwindet, wenn es um Mehrinvestitionen geht, jeweils rund zwei Drittel wünschen höhere Ausgaben. Das heißt: Die Befragten in der Stadt sind zwar insgesamt zufriedener mit dem Internet, wollen aber, dass das Netz noch besser ausgebaut wird. Zwischen Ost- und Westdeutschland gibt es bei der digitalen Infrastruktur keine Unterschiede hinsichtlich Zufriedenheit und Wünschen.

5. Kitas, Schulen, Universitäten
Nur ein Drittel der Befragten ist zufrieden mit dem Bereich Bildung. Stadt und Land sowie Ost und West unterscheiden sich hier kaum. Eher schon zeigt sich ein Gefälle zwischen Nord und Süd. Im Vergleich der Bundesländer schneidet Bayern mit 39 Prozent noch am besten ab, Mecklenburg-Vorpommern mit rund 20 Prozent am schlechtesten. In allen Bundesländern wünschen die Menschen deutlich mehr Ausgaben für Kitas, Schulen und Unis. "Bildung ist insgesamt also ein Bereich mit auffällig hohem und einheitlichem Investitionswunsch", so die Forschenden.

6. Gesundheit und Pflege
Bei Gesundheit zeigt sich ebenfalls nur rund ein Drittel zufrieden. Der Wunsch nach höheren Ausgaben ist in diesem Bereich mit Abstand am größten. Auf dem Land ist die Zufriedenheit noch geringer als in der Stadt. Gleichzeitig fordern fast neun von zehn Befragten in ländlichen Regionen mehr Investitionen im Gesundheitswesen, in der Stadt ist der Anteil etwas niedriger. Auffällige Unterschiede zwischen Ost und West gibt es hier nicht.

7. Klima- und Umweltschutz
Der einzige Bereich in dem bundesweit weniger als ein Drittel der Befragten zufrieden ist, ist der Umweltschutz. Allerdings zeigen sich hier größere Differenzen zwischen Ost und West: In Westdeutschland ist die Zufriedenheit mit Klima- und Umweltschutz geringer ausgeprägt als in Ostdeutschland. Beim Wunsch nach zusätzlichen Investitionen in diesem Bereich verhält es sich umgekehrt: In den alten Bundesländern wünschen 73 Prozent höhere Ausgaben, in den neuen 60 Prozent.

8. Sicherheit
In Bayern sind 62 Prozent zufrieden mit der Sicherheit, sechs Prozentpunkte mehr als in allen anderen Bundesländern. Dennoch ist die öffentliche Sicherheit auch in anderen Bundesländern der Bereich mit der höchsten Zufriedenheit. Die geringste Zufriedenheit weist Sachsen-Anhalt mit 41 Prozent auf. Nach zusätzlichen Investitionen gefragt, fällt auf, dass die Ostdeutschen einen höheren Bedarf sehen als die Westdeutschen. Zwischen Stadt und Land gibt es beim Thema Sicherheit kaum Unterschiede.

*Levi Timon Henze, Ekaterina Jürgens, Christoph Paetz: Einstellungen zur öffentlichen Infrastruktur und zum Investitionsbedarf im Regionalvergleich, Ergebnisse einer repräsentativen Online-Befragung, IMK Policy Brief Nr. 129, August 2022. Download: https://www.boeckler.de/…

Firmenkontakt und Herausgeber der Meldung:

Hans-Böckler-Stiftung
Hans-Böckler-Straße 39
40476 Düsseldorf
Telefon: +49 (211) 7778-0
Telefax: +49 (211) 7778-120
http://www.boeckler.de

Ansprechpartner:
Christoph Paetz
IMK
Telefon: +49 (211) 7778-121
E-Mail: Christoph-Paetz@boeckler.de
Rainer Jung
Leiter Pressestelle
Telefon: +49 (211) 7778-150
Fax: +49 (211) 7778-120
E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de
Für die oben stehende Pressemitteilung ist allein der jeweils angegebene Herausgeber (siehe Firmenkontakt oben) verantwortlich. Dieser ist in der Regel auch Urheber des Pressetextes, sowie der angehängten Bild-, Ton-, Video-, Medien- und Informationsmaterialien. Die United News Network GmbH übernimmt keine Haftung für die Korrektheit oder Vollständigkeit der dargestellten Meldung. Auch bei Übertragungsfehlern oder anderen Störungen haftet sie nur im Fall von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Die Nutzung von hier archivierten Informationen zur Eigeninformation und redaktionellen Weiterverarbeitung ist in der Regel kostenfrei. Bitte klären Sie vor einer Weiterverwendung urheberrechtliche Fragen mit dem angegebenen Herausgeber. Eine systematische Speicherung dieser Daten sowie die Verwendung auch von Teilen dieses Datenbankwerks sind nur mit schriftlicher Genehmigung durch die United News Network GmbH gestattet.

counterpixel