Neuesten Daten zufolge stirbt etwa alle vier Sekunden ein Mensch an Hunger. 238 internationale und lokale Nichtregierungsorganisationen fordern angesichts dieser schockierenden Tatsache die Staats- und Regierungschefs auf, bei der 77. UN-Generalversammlung Maßnahmen zu beschließen, um die sich zuspitzende weltweite Hungerkrise zu bekämpfen.

Organisationen aus 75 Ländern haben einen offenen Brief unterzeichnet, in dem sie ihre große Besorgnis über die immense Zahl der weltweit hungernden Menschen zum Ausdruck bringen und schnelles politisches Handeln fordern.  50 Millionen Menschen in 45 Ländern seien nur noch einen Schritt vom Hungertod entfernt. Über 345 Millionen weitere Menschen kämpften darum, ihre Familien zu ernähren und seien vom Tod bedroht. Diese vom Welternährungsprogramm ermittelte Zahl hat sich seit 2019 mehr als verdoppelt.

Trotz der Versprechen von führenden Politikern und Politikerinnen der Welt, im 21. Jahrhundert nie wieder eine Hungersnot zuzulassen, steht Somalia erneut unmittelbar vor einer Hungersnot. Auch in anderen Ländern – etwa Afghanistan, Haiti, Jemen und Südsudan, werde derzeit das Leben von Millionen Menschen in den fragilsten Verhältnissen zerstört, heißt es in dem Brief.

Es ist eine tödliche Mischung aus Armut, sozialer Ungerechtigkeit, geschlechtsspezifischer Ungleichheit, Konflikten, Klimawandel und wirtschaftlichen Schocks, die die Hungerkrise anheizt. Die anhaltenden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und der Krieg in der Ukraine treiben die Nahrungsmittelpreise und Lebenshaltungskosten weiter in die Höhe.  Nach Auffassung der Briefunterzeichner ist bisher aber auch zu wenig auf Krisen-Warnungen und strukturelle Probleme reagiert worden.

„Die Untätigkeit hat schreckliche, reale Folgen auf Leben und Tod“, mahnen die Organisationen, darunter Aktion gegen den Hunger, CARE, Plan International, Save the Children, Oxfam und World Vision.  „Für die Frau, die aus ihrem Land floh, um der Kriegsgewalt zu entkommen, und deren Lebensmittelrationen nun halbiert oder ganz ausgesetzt wurden. Für das hungrige Kind, das gezwungen ist, die Schule abzubrechen, um zu arbeiten, damit seine Familie zu essen hat. Für das junge Mädchen, das in die Ehe gezwungen wird, wo es sexuell ausgebeutet und missbraucht wird. Und für die Betreuungsperson, die den langen Weg auf sich nimmt, um ein schwer unterernährtes Kleinkind behandeln zu lassen, nur um festzustellen, dass die Klinik wegen Geldmangels geschlossen ist.“

Sumaya, eine 32-jährige Mutter, die mit ihren vier Kindern in einem Flüchtlingslager in der somalischen Region Äthiopiens lebt, ist eine von Millionen Menschen, die von katastrophalem Hunger betroffen sind. „Kein Wasser, keine Nahrung, ein hoffnungsloses Leben", sagt sie. "Meine Kinder hungern. Sie sind dem Tode nah. Ich habe Angst, dass sie sterben, wenn sie nicht bald etwas zu essen bekommen.“

Mohanna Ahmed Ali Eljabaly von der Jemen Family Care Association, eine der mitzeichnenden Organisationen des Briefes, sagt: „Es ist niederschmetternd, dass wir bei allen technischen Möglichkeiten in der Landwirtschaft und der Erntetechnologie auch im 21. Jahrhundert noch über Hungersnöte sprechen müssen. Dabei geht es nicht um ein bestimmtes Land oder einen bestimmten Kontinent, und Hunger hat nie nur eine Ursache. Es ist unerträglich, Menschen leiden zu sehen, während in anderen Teilen der Welt die Nahrung im Überfluss vorhanden ist.“

Von der Staatengemeinschaft erwarten die Organisationen, dass sie unverzüglich die erforderlichen Mittel bereitstellt, um Menschen am Rande des Hungertodes zu erreichen und jetzt Leben zu retten. Kinder verhungern zu lassen, sei in Zeiten des Überflusses eine politische Entscheidung.

Die Uno-Vollversammlung sollte darüber hinaus als Chance genutzt werden, um Beschlüsse zu fassen, die „gefährdete Länder und Gemeinschaften unterstützen, damit sie jetzt widerstandsfähiger werden“, und sie sollte Maßnahmen ergreifen, um hunger-bedrohten Menschen die Zukunft zu sichern, unter anderem durch die Bereitstellung dringend benötigter Klimafinanzierung und einen sinnvollen Schuldenerlass.

Anmerkungen:

  1. Die Schätzungen zur Sterblichkeitsrate aufgrund von Hunger pro Sekunde beruhen auf r den IPC-Grenzwerten für die  Sterblichkeitsrate bei IPC-Phase 3, abzüglich einer normalen täglichen Sterblichkeitsrate von 0,22 pro 10.000 Menschen pro Tag, sowie auf den Zahlen des jüngsten Global Report on Food Crises mid-year update for 2022 (veröffentlicht am 12.09.22). Demnach befinden sich 205,1 Millionen Menschen in 45 Ländern in der IPC-Phase 3 – “akute Ernährungsunsicherheit” – oder schlimmer  (IPC-Phasen: 3 Krise, 4 Notfall und 5 Katastrophe), was sofortige humanitäre Hilfe notwendig macht. Dies bedeutet,  dass vermutlich täglich zwischen 7.745 und 19.701 Menschen an den Folgen des akuten Hungers sterben, folglich pro Minute zwischen 5 und 13 Menschen sterben. Das bedeutet, dass alle 4,25 bis 12 Sekunden ein Mensch stirbt. Dies ist eine konservative Schätzung, da die Sterblichkeitsrate für Menschen in den IPC-Phasen 4 und 5 deutlich höher ist.
  2. Das UN-Welternährungsprogramm ging in seinem Hilfsplan für den Rest des Jahres davon aus, dass etwa 345 Millionen in 82 Ländern akut an Hunger leiden; 2019 waren es 135 Millionen. (https://www.wfp.org/publications/wfp-global-operational-response-plan-update-5-june-2022).
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