Die Fleischerinnung Lörrach-Waldshut geht gemeinsam mit mehreren Fleischerbetrieben im Kreis Lörrach beim Thema Fachkräftesicherung nicht nur den sprichwörtlichen einen Schritt weiter – sondern gleich mehrere Schritte. Am vergangenen Freitag kamen neun junge Inderinnen und Inder in Südbaden an, die nun in den Betrieben eine Ausbildung zum Fleischer oder Fleischereifachverkäufer bzw. -fachverkäuferin beginnen. Weitere vier indische Azubis folgen noch in den kommenden Wochen. Aus dem Pilotprojekt mit der Handwerkskammer Freiburg kann langfristig ein Standbein der Fachkräftesicherung werden.

„Vor knapp zwei Jahren hätte niemand gedacht, dass wir heute diese Auszubildenden aus Indien begrüßen können“, erzählt Joachim Lederer, Obermeister der Fleischerinnung Lörrach-Waldshut beim offiziellen Empfang in Weil am Rhein am Dienstag. „Wir gehen hier gemeinsam voran.“ In Lederers Betrieb beginnen zwei Auszubildende ihre Lehre. Die Metzgerei Dosenbach in Bad Bellingen nimmt drei Auszubildende auf, bei der Landmetzgerei Senn aus Eimeldungen startet ein Azubi und bei der Metzgerei Hug in Steinen zwei Azubis. Außerdem beginnen insgesamt fünf Auszubildende in den „Hieber“-Märkten ihre Lehre.

Für Joachim Lederer war das Pilotprojekt fast eine Bauchentscheidung. Als man gemeinsam mit der Handwerkskammer Freiburg nach Lösungen für den akuten Mangel an Auszubildenden und Fachkräften suchte, kam ein Angebot einer indischen Personalagentur auf den Tisch. Nach kurzer Prüfung sagte Lederer zu. „Ein solches Pilotprojekt ist nicht mit jedem umsetzbar“, sagt Johannes Ullrich, Präsident der Handwerkskammer Freiburg. „Es braucht Partner mit Weitblick und Risikobereitschaft. Diese Partner haben wir mit der Innung und den teilnehmenden Betrieben gefunden.“

Wichtig war Obermeister Lederer auch, schon früh die zuständige Gewerbeschule in Lörrach einzubinden. „Auf die Fachlehrer kommt ebenfalls eine spannende Aufgabe zu: Wenn etwa die Hälfte der Schulklasse ursprünglich aus Indien kommt, ist der Lehransatz vielleicht ein anderer.“

„Der Einsatz hat sich bereits gelohnt“

„Wir haben alle viel Zeit investiert“, erläutert Dr. Handirk von Ungern-Sternberg, Mitglied der Geschäftsleitung der Handwerkskammer Freiburg die bereits geleistete Arbeit. Gemeinsam mit der Partneragentur in Indien wurden von Kammer, Innung und Betrieben geeignete Bewerberinnen und Bewerber gesucht – in einem monatelangen Auswahlprozess. Mehrere Online-Auswahlgespräche und Vorbereitungstermine standen auf dem Programm, bis klar war, dass 13 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen können. Nun stellen die Ausbildungsbetriebe neben einer aufgestockten Ausbildungsvergütung auch die Unterkunft und leisten Mehrarbeit bei der Betreuung. Auch die Beschäftigten leisten zusätzliche Arbeit, um die neuen Kolleginnen und Kollegen einzulernen und einzuarbeiten.

Die Handwerkskammer unterstützt bei der Betreuung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die beiden Mitarbeiterinnen der Abteilung Fachkräftesicherung, Ann Kareen Ilse und Julia Weigele, haben hierbei viel Erfahrung. Sie sind schon seit mehreren Jahre Ansprechpartnerinnen für die Integration ausländischer Fachkräfte ins Handwerk. Davon können nun auch die indischen Auszubildenden und ihre Ausbildungsbetriebe profitieren. Erstere haben einen mehrmonatigen Deutschkurs hinter sich, haben selbst auch Geld investiert. Und natürlich die Entscheidung getroffen, ihre Heimat zu verlassen und in Deutschland einen Beruf zu erlernen. „Was man aber schon heute auch sieht: Der Einsatz hat sich für alle Beteiligten bereits gelohnt“, so Ungern-Sternberg.

Fachkräfteeinwanderungsgesetz geht am Bedarf der Betriebe vorbei

Für ihn steht auch die Nachhaltigkeit des Projekts im Vordergrund. Die Fachkräftegewinnung aus dem Ausland wird eine zunehmend wichtigere Säule für die Handwerksbetriebe in Südbaden. „Bereits heute haben 20 Prozent der Auszubildenden im Kammerbezirk Freiburg keinen deutschen Pass.“ Die Rahmenbedingungen seien aber alles andere als einfach – auch mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz. „Das Gesetz geht leider am aktuellen Bedarf der Betriebe vorbei“, macht Ungern-Sternberg deutlich. Für kleine Betriebe ist die Suche nach Auszubildenden und Fachkräften im Ausland alleine kaum zu stemmen. „Deshalb wollen wir als Kammer Netzwerke bieten, die hierbei unterstützen.“

Das Pilotprojekt soll ein positives Beispiel werden, das verstetigt werden soll. „Es liegt schon bei Projektstart einiges an Arbeit hinter uns“, resümiert Ungern-Sternberg. „Aber der eigentliche Kraftakt steht noch bevor.“ Die notwendige Integrationsleistung der Betriebe und Auszubildenden beginne erst jetzt. Für das nächste Jahr laufen bereits die Vorbereitungen – dann ist auch eine Ausweitung des Projekts auf die Baugewerke angedacht.

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