„Wenn es den Vogelsbergkreis nicht gäbe, dann müsste man ihn erfinden“, stellt Festredner Prof. Hilligardt fest und spricht damit wohl fast allen der knapp 400 Festgästen aus der Seele. Im Wartenberg Oval feiern sie gemeinsam das 50-jährige Bestehen des Kreises und besinnen sich an diesem Abend dank des ansprechenden und kurzweiligen Programms mit Video-Einspielern und Musik gleich mehrfach auf die Stärken der Region und ihren (manchmal rauen) Charme.

50 Jahre Vogelsbergkreis – für Landrat Manfred Görig „eine Erfolgsgeschichte“, wie er betont. „Eine Erfolgsgeschichte, an der wir alle mitgeschrieben haben. Es sind unsere Bürgerinnen und Bürger, die den Vogelsbergkreis zu dem gemacht haben, was er heute ist: eine liebens- und lebenswerte Region“, unterstreicht Landrat Görig.

Längst hat der Vogelsberg nach Ansicht des Landrates das rückständige verstaubte Image, das dem ländlichen Raum früher anhaftete, abgeworfen. „Unsere lebendigen Kleinstädte, unsere malerischen Fachwerk-Dörfer und unsere Vulkan-Naturlandschaft stehen heute für Lebensqualität pur.“ Immer mehr Menschen entdeckten mittlerweile die Vorzüge dieses ländlichen Raums. Auch der Vogelsberg verzeichne Zuzug, vorwiegend aus dem Ballungsraum Frankfurt – in einer Größenordnung von zwei Dörfern pro Jahr.

„Natürlich kommt das nicht von ungefähr“, so Manfred Görig weiter, „wir haben in den letzten 50 Jahren viel dafür getan, unsere Vulkanregion zukunftsfähig zu machen. Im Grunde war und ist es ein immerwährender Kampf für den Erhalt des ländlichen Raums, den wir alle gemeinsam bestritten haben und den wir weiterhin bestreiten müssen.“

Gemeinsam mit den Menschen, die vor Ort mit anpackten, die sich für ihr Dorf einsetzten, für ihren Verein oder für ein Projekt. Die mit viel Herzblut bei der Sache seien – und denen an diesem Abend der besondere Dank des Landrates gilt: den Ehrenamtlichen.

„Das Ehrenamt ist unersetzbar“, unterstreicht Görig. Der Staat, der Landkreis könne nicht alles regeln. Es brauche Bürgerinnen und Bürger, die Verantwortung übernehmen. Es sei an der Zeit, das Ehrenamt in besonderer Weise zu würdigen, und der Festakt zum 50-jährigen Bestehen des Kreises biete dafür den würdigen und vor allem den passenden Rahmen. „Denn der Vogelsberg wäre nicht, was er heute ist, ohne unsere Ehrenamtlichen.“ 

Die Kreisverwaltung hatte die Städte und Gemeinden gebeten, ihr herausragende Persönlichkeiten zu nennen, die für den Festakt eingeladen wurden – stellvertretend für alle Ehrenamtlichen, die sich in vielfältigster Art einbringen und das Leben bereichern. „Sie sind lebenstüchtige Pragmatiker, die nicht nur darüber reden, sondern mit aller Kraft für einen lebenswerten, besseren Vogelsbergkreis arbeiten.“ Sie alle machten das freiwillig, unentgeltlich würden sie viel Gutes tun – und das aus eigenem Antrieb und tiefer Überzeugung. „Sie sind keine Träumer, sondern Macher und Kämpfer für eine Sache, an die Sie glauben“, betont der Landrat. Die Ehrenamtlichen setzten sich ein für die Gemeinschaft, sie schenkten ihre Zeit, sie vermittelten ihr Können, sie gäben Kraft und Zuwendung in einer Zeit, in der Messbarkeit und sofortige Ergebnisse die einzig akzeptablen Antworten seien. „Durch Menschen wie Sie wird die Region doch erst zu unserer Heimat“, so der Landrat abschließend.

Und wer kann besser durch die Geschichte dieser Heimat führen als einer, der sie hautnah miterlebt hat auf der politischen Ebene? Dr. Hans Heuser, der seit sage und schreibe 41 Jahren dem Vogelsberger Kreistag angehört. Als Vorsitzender eröffnet er den Festakt und erinnert an die Geburtsstunde des Kreises am 1. August 1972 und den folgenden „Kreisstadt-Streit“. Im Schnelldurchgang wandert Heuser durch die Jahrzehnte und nennt die prägnanten Themen der jeweiligen Zeiten. Es geht von der Schulpolitik in den 1970er und 1980er Jahren mit der Frage, ob im Kreisgebiet flächendeckend Gesamtschulen eingerichtet werden sollten, über die Gründung des allerersten Kinder- und Jugendparlaments in Deutschland und die Flüchtlingswelle 2015 bis zur Corona-Pandemie und dem verbrecherischen Überfall Russlands auf die Ukraine mit einer erneuten Flüchtlingswelle.

„Wenn wir uns in Europa und in der Welt umsehen, müssen wir leider feststellen, dass die demokratische Staatsform in immer mehr Ländern in großer Gefahr ist – das ist schlimm!“, sagt Heuser und zeigt sich dankbar, dass er von Geburt an auf staatlicher und kommunaler Ebene in einer Demokratie leben durfte. Sie erlaube es jedem Bürger „in Freiheit zu leben, den Lebensweg nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, sich frei zu entfalten und frei zu äußern, wenn man das will“. Sein Aufruf und sein Appell gehen daher an die jüngere Generation: „Bewahrt die Demokratie in unserem Lande und in unserem kommunalen Gemeinwesen. Wer in der Demokratie leben will, muss etwas dafür tun und muss sich aktiv dafür einsetzen. Deshalb sollten sich möglichst viele jüngere Mitbürgerinnen und Mitbürger aktiv einbringen und die Werte der Demokratie in die Zukunft tragen.“

„Das Einstehen für die Demokratie ist ganz, ganz wichtig“, unterstreicht auch Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich, der dem Vogelsbergkreis zum Jubiläum gratuliert und noch einmal an die Gebietsreform 1972 erinnert. Der Gedanke dahinter: Es sollten leistungsfähige Gemeinden und Kreise entstehen mit einer entsprechenden Größeneinheit. „Die Gebietsreform war notwendig, sie hat Bestand bis heute“, so Dr. Ullrich. Auch wenn Kommunen in der heutigen Zeit hier und da erneut an Grenzen stoßen würden, der RP geht nicht davon aus, „dass eine neue Gebietsreform nötig ist“, er präferiert Interkommunale Zusammenarbeit.

Die Laudatio des Abends hält Prof. Dr. Jan Hilligardt, Geschäftsführender Direktor des Hessischen Landkreistages, der die Bedeutung und die Aufgaben der Landkreise herausstellt. Sie hielten nicht nur die Infrastruktur in den verschiedensten Bereichen vor, sie sorgten vor allem auch für den sozialen Ausgleich und den sozialen Frieden. „Die Kreise spannen das soziale Netz.“ Und gerade in Krisenzeiten wie zum Beispiel in der Corona-Pandemie „können sich die Menschen auf die Kreise verlassen“. Mit Blick auf die Ukraine unterstreicht Hilligardt, dass es „erneut die Landkreise sind, die dafür sorgen, die Folgen des Krieges aufzufangen“.

Sein Fazit: Die Landkreise „geben Halt in schwierigen Zeiten“, das unterstreicht ihren Stellenwert. Und von daher steht für ihn fest: „Wenn es den Vogelsbergkreis nicht gäbe, dann müsste man ihn erfinden.“

Und wohl auch die Vogelsberger – denn „letztendlich sind es die Menschen, die etwas Abstraktes wie die Landkreise mit Leben erfüllen“, betont Alexander Tönnies, erst seit wenigen Wochen Landrat im Partnerkreis Oberhavel. Seit 30 Jahren sind der Vogelsberg und der Landkreis in Brandenburg verbunden – zunächst mit dem Ziel, die deutsche Einheit auf kommunalpolitischer Ebene zu vertiefen. „Was als Austausch auf Verwaltungsebene begann, hat den Weg in die Zivilgesellschaft gefunden“, bilanziert Tönnies. „Unsere Partnerschaft ist gelebte Demokratie!“

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