Für die aktuelle Präsentation der Sammlung sind rund 200 Gemälde umgezogen. In den Sälen der Oberen Galerie begegnen sie sich jetzt in ungewohnten Zusammenhängen: Dialogische Konstellationen und thematische Gruppen laden dazu ein, die vertrauten Meisterwerke neu zu entdecken.

Erstmals in der Geschichte der Alten Pinakothek wird die traditionelle Ordnung der Galerie, die chronologischen und geographischen Gesichtspunkten folgt, in weiten Teilen des Rundgangs hinterfragt. Viele Hauptwerke, die zuvor stets räumlich getrennt waren, sind nun über Stil- und Epochengrenzen hinweg zu Nachbarn geworden. Ihr außergewöhnliches Zusammentreffen bringt ungeahnte Parallelen zum Vorschein, lenkt den Blick auf selten thematisierte Verbindungen und charakteristische Eigenheiten. Dabei eröffnen sich frische Perspektiven auf die Gemälde und ihre Schöpfer:innen, auf die Inhalte und die Form der Darstellungen sowie auf die Zusammenhänge ihrer Entstehung.

Zahlreiche der neuen Konstellationen verbinden sich zu Themengruppen, die sich nicht nur den wichtigsten Gattungen – der Historie, dem Porträt, der Landschaft und dem Stillleben – widmen, sondern auch Kompositions- und Erzählstrukturen der Bilder unterstreichen oder prominente Motive beleuchten: etwa das Zusammenspiel von Innen- und Außenraum, monumentale Gewandfiguren oder Lichteffekte, das Bildnis und Leben der Maria, den weiblichen Akt, die Zwiesprache zwischen Mensch und Gott oder Gewalt und Leiden. Vereinzelt rücken auch Fragen der Farbgebung oder Pinselführung in den Fokus. Innerhalb der genannten Zusammenhänge begegnen sich zum Beispiel: Dürer und Botticelli, Pacher und Ghirlandaio, Perugino und Bellini, Grünewald und El Greco, Tintoretto und Goltzius, Tizian und Hals, Velazquez und van Dyck, Murillo und Rembrandt, Koninck und Lorrain, Tiepolo und Boucher.

In außergewöhnlicher Dichte vereinen besonders die beiden Säle, die zuvor allein der venezianischen bzw. der holländischen Malerei vorbehalten waren, künstlerische Positionen aus verschiedenen Ländern und Jahrhunderten. Fern der etablierten Systematik der sogenannten Schulen der europäischen Malerei wird hier besonders offensichtlich, dass Herkunft und die politische Landkarte den Austausch der Künstler:innen und ihrer Kunst niemals begrenzte. 

Wie ungebrochen relevant die Themen und die Bildsprache der Alten Meister sind, teilt sich zugespitzt im letzten Saal des Rundgangs mit, der als Studiengalerie der Kunstvermittlung eingerichtet ist und dank entsprechender Möblierung erstmals die Durchführung von Workshops inmitten der Galerie erlaubt. Die hier sehr dicht und niedrig gehängte Werkauswahl richtet sich besonders an die Zielgruppe Familie und Kinder. Unter dem Titel „Die Gegenwart in der Vergangenheit entdecken“ lenkt sie den Blick auf das Leben in früheren Zeiten, auf die Wünsche und Interessen der Menschen sowie auf ihre Rolle in Gesellschaft und Familie.

Die Kunstvermittlung bietet darüber hinaus zahlreiche Einblicke in die neu geordnete Sammlung an: Besonders an Wochenenden können sich die Besucher:innen von Kurzführungen inspirieren lassen oder im Rahmen der “Kunstauskunft” mit den Guides ins Gespräch kommen. Bei Führungen informieren u.a. die Sammlungsleiter:innen über ihre favorisierten Gemälde-Dialoge, und Workshops laden Familien zum gemeinsamen Gestalten vor den Originalen ein.

Mit der Loslösung von Prämissen der Präsentation, die noch in der Gründungszeit der Galerie wurzeln, erhalten die Werke nun viel mehr Raum, ihre vielseitigen Qualitäten jenseits ihrer Stellung im Kanon der europäischen Kunstgeschichte zu entfalten. Zugleich treten aktuelle kunsthistorische Fragestellungen sichtbarer hervor. Vor allem aber bieten sich alternative, beispielsweise emotionale oder sozialhistorische Zugänge zu den Bildwelten der Alten Meister an, die den im Rahmen der gesellschaftlichen Umbrüche stark gewandelten Erwartungen und Sehgewohnheiten der Besucher:innen entsprechen.

Die Neupräsentation der Sammlung ist temporär und dynamisch angelegt. Sie berücksichtigt die vorübergehende Schließung der zuvor der Altkölner und der spanischen Malerei gewidmeten Säle, die wegen der Sanierung der Neuen Pinakothek interimistisch Restaurierungsateliers aufnehmen. Trotz der weitreichenden Veränderungen bleiben einzelne Zusammenhänge bestehen, etwa das große Ensemble der Werke von Rubens im Zentrum der Galerie. Innerhalb der noch unveränderten Nordkabinette werden in den kommenden Monaten weitere neue Begegnungen arrangiert. 

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Kurator:innen: Bernd Ebert, Elisabeth Hipp, Mirjam Neumeister, Andreas Schumacher

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