26 Jahre nach der Eröffnung des Museums hat der Hamburger Bahnhof durch die Sicherung des Gebäudekomplexes erstmals eine langfristige Entwicklungsperspektive. Mit einem neuen Konzept für die Präsentation der ständigen Sammlung und einem Sonderausstellungsprogramm für 2023 bezieht sich der Hamburger Bahnhof auf die zahlreichen Kapitel seiner vielschichtigen Geschichte. Die neue Zusatzbezeichnung als Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart betont die Zugehörigkeit zur Nationalgalerie und damit die Funktion als sammelndes Museum.

Der Hamburger Bahnhof hat viele Geschichten zu erzählen. Das Hauptgebäude war Mitte des 19. Jahrhunderts ein epochenprägendes Bahnhofsgebäude, dessen Nutzung sich kontinuierlich an die historischen Umstände anpasste: im frühen 20. Jahrhundert diente es als Museum für Bau- und Verkehrswesen, als Ruine des Zweiten Weltkriegs befand es sich auf der Demarkationslinie zwischen Ost- und Westberlin, und wurde schließlich in den 1980er-Jahren ein besetztes Künstler*innenhaus, in den frühen 1990er-Jahren ein Pop-up-Ausstellungsraum, bis es 1996 als Standort der Sammlung der Nationalgalerie eröffnete.

Seit 1. Januar 2022 haben Sam Bardaouil und Till Fellrath die Direktion des Hamburger Bahnhof übernommen. Zu ihrer Vision für das Museum sagt Sam Bardaouil: „Für den Hamburger Bahnhof ist es unerlässlich, zukunftsorientierte Praktiken zu fördern, die stärker vernetzte Verbindungen zwischen lokalen und globalen Gemeinschaften fördern. Der Bahnhof als Ort flüchtiger Begegnungen, die Berliner Kultur des freien Experimentierens und die komplexen Fragen nationaler Repräsentation, das alles sind konzeptionelle Grundlagen unserer Programme.“ Till Fellrath fügt hinzu: „Im Verlauf seiner Geschichte war der Hamburger Bahnhof immer auch ein Mikrokosmos Berlins, der die Verbindungen zwischen Kunst und Gesellschaft im Allgemeinen abgebildet hat. Letztendlich wollen wir eine Institution im Herzen der Kulturhauptstadt Berlin sein, die das vielfältige Publikum widerspiegelt, dem sie dient.“

Neupräsentation der ständigen Sammlung

Drei miteinander verbundene Präsentationen der ständigen Sammlung setzen sich mit der Geschichte des Hamburger Bahnhofs als Nationalgalerie für zeitgenössische Kunst auseinander und betten diesen Überblick in den gesellschaftlichen Zusammenhang und die Rolle des Museums in der internationalen Kunst ein. Die Präsentationen bilden den konzeptionellen Rahmen für das rotierende Jahresprogramm des Museums.

Nationalgalerie. Sammlung 21. Jahrhundert

Ab April 2023 präsentiert der Hamburger Bahnhof im sanierten Westflügel des historischen Gebäudes Konfigurationen seiner umfangreichen Sammlung zeitgenössischer Kunst. Die neuen Formate bieten ein geschichtsübergreifendes Panorama der vielfältigen Kunstszene Berlins von der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 bis in die Gegenwart. Die ausgewählten Kunstwerke, darunter Malerei, Arbeiten auf Papier, Skulptur, Fotografie, Video und andere Medien, zeigen die miteinander verflochtenen gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Faktoren, die die zeitgenössischen Narrative der Stadt und die künstlerischen Praktiken, die in ihr gediehen sind, geprägt haben. Mit der Neupräsentation der ständigen Sammlung lädt der Hamburger Bahnhof ein, gemeinsam über die Rolle von Kunst- und Kulturinstitutionen als Katalysatoren für Inklusion, Engagement und Wandel zu reflektieren.

Forum Hamburger Bahnhof

Teil der Dauerpräsentation sind auch Objekte und Archivalien, um die Geschichte des Hamburger Bahnhofs von 1848 bis heute aufzuarbeiten, zu revidieren und neu zu erzählen. Das Forum Hamburger Bahnhof, das im April 2023 in einem speziellen, für die Öffentlichkeit kostenlos zugänglichen Raum eröffnet, besteht aus drei Hauptkomponenten: einer Archivausstellung, einer Zusammenarbeit mit der in Berlin lebenden Künstlerin Henrike Naumann und einem interaktiven Raum für diskursive Programme. Als sich stetig weiterentwickelnder Raum lädt das Forum Hamburger Bahnhof die Öffentlichkeit ein, neue Konzepte für das Museum als Raum für Koexistenz und kollektiven Fortschritt mitzudenken.

Unendliche Ausstellung

Seit seiner Eröffnung im Jahr 1996 lädt der Hamburger Bahnhof Künstler*innen ein, ortsspezifische Arbeiten als permanente Installationen innerhalb und um das Museum herum zu schaffen, dazu zählen Dan Flavin, Bruce Naumann, Urs Fischer und Elmgreen & Dragset. Die „Unendliche Ausstellung“ wird künftig jährlich durch einen Ankauf erweitert, der auch die bereits bestehenden ortsspezifischen Werke des Museums stets neu kontextualisiert. Sie setzt sich mit dem historischen Engagement der Institution mit Künstler*innen auseinander und spiegelt zugleich aktuelle Diskurse wider. Die erste Auftragsarbeit wird im Juni 2023 vorgestellt.

Ausstellungsprogramm 2023

Parallel zur ständigen Sammlung baut das jährliche Programm der Wechselausstellungen im Hamburger Bahnhof den Dialog des Museums mit der Öffentlichkeit weiter aus. Das Programm lädt eine Vielzahl von Künstler*innen ein, die auf die Geschichte reagieren und sich mit relevanten Themen wie sozialer Inklusion und politischem Engagement auseinandersetzen. Ausgehend vom Fokus des Hamburger Bahnhofs auf internationale Kunst und bedeutende Werke der Video-, und Performancekunst sowie anderer zeitbasierter Medien seit den 1960er-Jahren präsentiert das Jahresprogramm relevante, globale Perspektiven, welche die Formsprache der Kunstproduktion weiterentwickeln.

24. Februar – 30. Juli 2023: Zineb Sediras Projekt „Dreams Have No Titles“ für den französischen Pavillon auf der Biennale in Venedig 2022 wird erstmals in Deutschland gezeigt. Die Installation befasst sich mit der Geschichte des postkolonialen militanten Kinos im Kontext von Frankreich, Algerien und Italien und vermischt sich mit der Biografie der Künstlerin.

24. März – 17. September 2023: Die erste institutionelle Einzelausstellung der in Los Angeles lebenden Malerin Christina Quarles in Deutschland zeigt eine Rauminstallation der Künstlerin, die Werke aus der Sammlung der Nationalgalerie von Absalon, Charlotte Posenenske, Vito Acconci und Annette Kelm u.a. in die Präsentation einbezieht.

31. März – 17. September 2023: Die Präsentation des legendären US-amerikanischen Künstlers der Minimal Art Fred Sandback beinhaltet mehrere richtungsweisende Rauminstallationen, Archivmaterialien sowie das Projekt mit 64 Räumen für den Kunstraum München im Jahr 1975.

6. Juli 2023 – 7. Januar 2024: Die in London lebende Künstlerin Eva Fàbregas erschafft eine monumentale, ortsspezifische Installation eigens für die historische Halle des Museums. Die Künstlerin lädt die Besucher*innen ein, sich auf vielfältige Weise mit dem Werk auseinanderzusetzen und verwandelt die Ausstellungshalle in einen Raum für kollektive Erfahrung.

13. – 17. September 2023: Zeitgleich mit der Berlin Art Week wird die multidisziplinäre Künstlerin und Aktivistin Tania Bruguera ihre radikale Performance „Where Your Ideas Become Civic Action“, eine 100-stündige Lesung von Hannah Arendts „The Origins of Totalitarianism“ von 1951, neu inszenieren. Brugueras erste Aufführung des Werks im Mai 2015 in Kuba führte zu ihrer Inhaftierung durch die kubanischen Behörden. Für die Performance im Hamburger Bahnhof lädt sie Künstler*innen, Historiker*innen, Kulturschaffende und politische Aktivist*innen zur Lesung ein.

8. September 2023 – 24. Februar 2024: Nadia Kaabi-Linke präsentiert eine Ausstellung, die ursprünglich für das National Art Museum of Ukraine geplant war, aber aufgrund des andauernden Krieges nicht stattfinden konnte. Die Ausstellung der in Berlin und Kiew lebenden Künstlerin konfrontiert historische Auslöschungen und untersucht die Rolle zensierter Künstler*innen und Kunstwerke in der Kunst- und Politikgeschichte.

6. Oktober – 10. März 2024: Die in New York lebende Künstlerin Naama Tsabar präsentiert ihre erste institutionelle Ausstellung in Deutschland. Tsabars künstlerische Praxis überwindet die Grenzen von Skulptur, Musik und Performance. Die Ausstellung in Berlin umfasst eine eigens in Auftrag gegebene Performance, die sich als Frau identifizierende und gendernonkonforme Musiker*innen und Mitglieder der Museumsgemeinschaft zusammenbringt.

27. Oktober – 7. März 2024: Der Hamburger Bahnhof präsentiert die erste große Überblicksausstellung des in Tokio lebenden Künstlers Lee Ufan in Berlin, einer wegweisenden Figur der japanischen Mono-ha- und der koreanischen Dansaekhwa-Kunstbewegung. Die Ausstellung umfasst fünf Jahrzehnte der produktiven Karriere des Künstlers und zeigt Gemälde, Arbeiten auf Papier und skulpturale Installationen, die mit der Sammlung der Minimal Art der Nachkriegszeit im Hamburger Bahnhof in Einklang stehen.

Kooperationsprojekt

Ein besonderes Kooperationsprojekt zwischen dem Hamburger Bahnhof und dem Vorderasiatischen Museum präsentiert eine neue ortsspezifische Lichtinstallation des in New York lebenden Künstlers Liam Gillick. Die Intervention setzt sich mit der ikonischen historischen Architektur und Dauerausstellung des Pergamonmuseums auf der Berliner Museumsin-sel auseinander und ist vom 7. April bis 15. Oktober 2023 zu sehen.

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