Die Versorgungslage mit Arzneimitteln in Deutschland spitzt sich zu. Auch die Apotheken in Baden-Württemberg unternehmen größte Anstrengungen, um die Bevölkerung mit Arzneimitteln zu versorgen.

Ein anhaltender Lieferengpass bei vielen Arzneimitteln führt derzeit zu einem besorgniserregenden Versorgungsproblem, insbesondere bei Kindern mit teilweiseschweren Atemwegsinfekten. Es stehen weder fiebersenkende Fertigarzneimittel noch bestimmte Antibiotika in ausreichender Menge zur Verfügung. Darüber hinaus sind zahlreiche andere Arzneimittel, die bei einer Vielzahl von Indikationen eingesetzt werden, derzeit ebenfalls nicht lieferbar. Die Apotheken versuchen diese Lieferengpässe mit großem Aufwand durch gleichwertige Alternativen oder im Falle von fiebersenkenden Präparaten durch selbst hergestellte Arzneimittel auszugleichen. Aber auch dies wird immer schwieriger.

Das Apothekenpersonal wendete schon bisher einen beträchtlichen Teil der Arbeitszeit dafür auf, die schlechte Verfügbarkeit bei Arzneimitteln in den Griff zu bekommen und die Patienten dennoch gut zu versorgen. Derzeit ist der Aufwand aber kaum mehr zu bewältigen, da im Schnitt bei jedem zweiten Rezept, das in den Apotheken vor Ort eingereicht wird, ein Problem mit der Lieferbarkeit zumindest bei einem der verschriebenen Medikamente besteht.

Die Ursachen für den Mangel an Arzneimitteln sind vielfältig und betreffen verschiedene Wirkstoffe in unterschiedlichem Maße. Der erhöhte Bedarf aufgrund der momentanen Erkrankungswelle, die Corona-Pandemie sowie der Ukraine-Krieg und die damit einhergehende Energiekrise haben die Versorgungssituation deutlich verschärft. Auch die globalen Produktionsstätten und Lieferketten werden durch die Krisen erheblich beeinträchtigt.

Hinzu kommt der hohe Kostendruck im Gesundheitswesen. Dieser führte unter anderem dazu, dass die Arzneimittelpreise in den vergangenen Jahren immer weiter gedrückt wurden und die Herstellung in Europa kaum noch rentabel ist.

Der Präsident der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg (LAK), Dr. Martin Braun, erklärt: „Mit der Verlagerung weiter Teile der Arzneimittelproduktion ins außereuropäische Ausland haben wir uns in große Abhängigkeit von wenigen noch verbliebenen Herstellern begeben. Kommt es nun bei einem der Produzenten zu Lieferschwierigkeiten, z. B. wegen Qualitätsmängeln, sind die Konsequenzen weltweit zu spüren“.

Die LAK fordert daher eine Stärkung der Wirkstoff- und Arzneimittelproduktion in Europa, wo u. a. die Umwelt- sowie die einschlägigen Qualitätsstandards jederzeit überprüfbar eingehalten werden. Auch die Hersteller sieht die LAK in der Pflicht. „Die Kommunikation von Lieferengpässen muss deutlich transparenter werden, damit das Apothekenpersonal im Bedarfsfall schneller patientenorientiert reagieren kann“, fordert Braun.

Die in den Medien derzeit zu lesende Begründung, dass Apotheken durch übermäßige Vorratshaltung zur ungleichen Verteilung der Medikamente beitragen, weist Braun vehement zurück: „Die Kolleginnen und Kollegen geben tagtäglich ihr Bestes, um die Arzneimittelversorgung der Patienten vor Ort sicherzustellen. Die Nachfrage ist momentan sehr hoch und die meisten Apotheken leben gleichsam „von der Hand in den Mund“. Bevor solche unreflektierten Behauptungen aufgestellt werden, sollten sich diese Personen in ihrer Vor-Ort-Apotheke am besten einmal die leeren Schubladen für Antibiotika und Fiebersäfte zeigen lassen.“

Für vollkommen verfehlt hält Braun die neuesten Vorschläge des Präsidenten der Bundesärztekammer Dr. Klaus Reinhardt. „Der Vorschlag, Flohmärkte für Arzneimittel einzurichten und auch die Empfehlung, bereits verfallene Arzneimittel einzunehmen, kann nicht ernst gemeint sein. Arzneimittel werden aus gutem Grund von Ärzten verschrieben und von Apotheken an die Patienten abgegeben. Arzneimittelsicherheit und Patientenwohl gehen vor – unkontrollierbare Distributionswege, die Arzneimittelfälscher auf den Plan rufen, stehen dem diametral entgegen.“

In der Regel finden Apotheken vor Ort im Austausch mit den Ärzten Alternativen. Braun sieht die Sonderregeln bei der Arzneimittelversorgung während der Coronapandemie als Blaupause für eine patientenorientierte Lösung: „In der akuten Phase der Pandemie war es schon einmal möglich, die strengen bürokratischen Auflagen, die bei der Arzneimittelversorgung gelten, zu lockern. Dieses beherzte Handeln muss auch angesichts der derzeitigen Probleme möglich sein“.

Die Folgen der Lieferengpässe sind heute mehr denn je spürbar und werden sich weiter verschärfen, wenn das Problem nicht umgehend angegangen wird. Aktuell  wird es für Apotheken immer schwieriger, akut erkrankte Patienten adäquat ambulant zu versorgen. „Wenn wir nicht schnell handeln, wird das Kapazitätsproblem auch in die Notaufnahmen und die Krankenhäuser verlagert, da sich dort immer mehr unterversorgte Patienten einfinden dürften, falls das Versorgungsproblem mit Arzneimitteln noch länger anhält. Wenn sich die Menschen auch noch versehentlich falsche oder bereits verfallene Arzneimittel auf einem Arzneimittel-Flohmarkt besorgen, muss man mit noch mehr Krankenhauseinweisungen rechnen, da es im Ernstfall zu schweren Intoxikationen kommen kann“, mahnt Braun.

Über Landesapothekerkammer Baden-Württemberg

Die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg ist die Berufsvertretung der mehr als 13.000 Apothekerinnen und Apotheker im Land, die sowohl in öffentlichen Apotheken als auch in Krankenhäusern, in der Industrie, in der Verwaltung, in der Bundeswehr sowie in Forschung und Lehre tätig sind.

Die Apothekerkammer setzt sich für den Erhalt des Apothekerberufs als freier Heilberuf sowie die kontinuierliche Optimierung der Arzneimittelversorgung über die Apotheken ein.

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