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WAS              
5. Philharmonisches Konzert der Bremer Philharmoniker
„Prosit – ab auf´s Parkett“  

WANN
Sonntag, 15. Januar 2023, 11 Uhr
Montag, 16. Januar 2023, 19:30 Uhr
Dienstag, 17. Januar 2023, 19:30 Uhr

WO                
Konzerthaus Glocke
Domsheide 4/5
28195 Bremen

Wer mit Neujahrskonzerten ausschließlich Wiener Walzer verbindet, wird bei den Bremer Philharmonikern eine große Überraschung erleben. Um Tanz geht es in deren Konzertprogramm zwar auch, aber die Komponisten Sergej Rachmaninov und Maurice Ravel nähern sich dem Thema nicht traditionell im beschwingten Walzertakt, sondern mit aufregenden Orchesterfarben und narrativen Facetten, geprägt von ihren eigenen bewegenden Biografien. Mit Richard Galliano und seinem luftig-leichten Musette neuve-Stil setzt das Orchester unter der musikalischen Leitung der polnischen Dirigentin Marzena Diakun ein weiteres kontrastreiches I-Tüpfelchen und zeigt sich beim 5. Philharmonischen Konzert am 15., 16. und 17. Januar 2023 dem Bremer Publikum mit einer überzeugenden stilistischen Bandbreite.

„In meinen eigenen Kompositionen habe ich keine bewusste Anstrengung unternommen, originell oder romantisch oder nationalistisch oder sonst etwas zu sein. Ich bringe die Musik zu Papier, die ich in mir selbst höre“, stellte Sergej Rachmaninov klar. Wenn er komponiert, versuche er „einfach und direkt das auszudrücken, was in meinem Herzen ist.“ So werden Liebe, Melancholie und viele weitere Empfindungen, aber auch Einflüsse von Tschaikowsky und Rimskij-Korsakov Teil seiner Musik – ein Kaleidoskop von persönlichen Empfindungen, die seine Werke nahbar und fesselnd werden lassen. Die Symphonischen Tänze bezeichnet der Komponist selbst als sein bestes Werk. In ihrem Neujahrskonzert geben die Bremer Philharmoniker Gelegenheit, sich davon ein eigenes Bild zu machen.

Apropos Bild: Der große Impressario Sergej Djagilev erhoffte sich 1919 von Maurice Ravel eigentlich Musik zu einem neuen Ballett. Präsentiert wurde ihm nach eigenen Worten jedoch „ein Meisterwerk… aber kein Ballett. Es ist das Portrait eines Balletts. Es ist das Gemälde eines Balletts.“ Djagilev lehnte La Valse dankend ab. Einem Siegeszug durch die Konzertsäle dieser Welt stand dies jedoch nicht entgegen. Im Gegenteil: Ravels ergreifende Komposition ist eine spannungsgeladene Melange seiner Verehrung für Johann Strauss (Sohn) und der Verarbeitung seiner traumatischen Erlebnisse während des ersten Weltkriegs – ein Abgesang auf glückseligen Walzertakt und ein Schritt in ein neues Zeitalter.

Mit Richard Galliano steht neben Ravel ein weiterer Franzose im Mittelpunkt des Konzertes. Der Akkordeonist wird nicht nur im Tango und Jazz gefeiert, sondern hat sich durch zahlreiche Kompositionen und CD-Aufnahmen auch in der Klassikszene einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet – wobei er selbst den Begriff Arbeit nur ungern in Zusammenhang mit seiner Musik bringt. Sein Credo lautet: „Ich werde spielen! Und nicht: Ich werde arbeiten.“ Mit seinem Opale Concerto zeigt er, welche Meisterwerke sein „Spielen“ hervorbringen kann.

Das Programm

Sergej Rachmaninov (1873-1943)
Symphonische Tänze op. 45 
– (Non) Allegro
– Andante con moto (Tempo di valse)
– Lento assai – Allegro vivace
Uraufführung am 3. Januar 1941 in Philadelphia

Richard Galliano (*1950)
Opale Concerto für Akkordeon und Streichorchester

  • Allegro Furioso
  • Moderato Malinconico
  • Allegro Energico
    Komponiert 1994

Maurice Ravel (1875-1937)
La Valse         
Uraufführung am 12. Dezember 1920 in Paris

Marzena Diakun, Dirigat
Richard Galliano, Akkordeon

Informationen zu Künstlern und Programm / Auszüge aus dem Programmheft

Marzena Diakun
Dirigat
Marzena Diakun wurde 2015 durch eine Reihe von Konzerten mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France in Paris international bekannt. Seit September 2021 ist sie künstlerische Leiterin und Chefdirigentin von Orchester und Chor der Autonomen Gemeinschaft Madrid (ORCAM). Neben ihrer regelmäßigen Zusammenarbeit mit dem französischen Rundfunkorchester steht sie als Gast am Pult großer Orchester wie Orchestre de la Suisse Romande, BBC National Orchestra and Chorus of Wales, die Nationalorchester von Metz und Bordeaux und Orchestre Pasdeloup in Frankreich sowie bei den Philharmonikern in Hamburg, Bremen und Stuttgart, der Nordwestdeutschen Philharmonie und der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern. Für die Musik zeitgenössischer Komponisten setzt sich Marzena Diakun besonders ein, wovon zahlreiche Erstaufführungen zeugen. So dirigierte sie im Juni 2016 die polnische Premiere von Olga Neuwirths Oper „Lost Highway“. Werke weiterer lebender polnischer Komponistinnen nahm sie für das Album „Polish Heroines“ bei PWM auf. Marzena Diakun schloss ihr Studium bei Mieczysław Gawroński in Wroclaw mit Auszeichnung ab und ging anschließend nach Wien zu Uros Lajovic an die Universität für Musik und darstellende Kunst. Meisterkurse folgten u. a. bei Pierre Boulez und Kurt Masur. 2015 erhielt sie ein Stipendium des Boston Symphony Orchestra für das Tanglewood Music Center. Im gleichen Jahr verlieh ihr Marin Alsop die „Taki Concordia Fellowship“ für Dirigentinnen. Weitere Preise gewann sie unter anderem beim Internationalen Grzegorz Fitelberg Dirigentenwettbewerb in Kattowitz (Silberner Taktstock) und beim Dirigentenwettbewerb des Prager Frühlings. Seit 2011 ist sie mit der Musikakademie Breslau verbunden, wo sie eine Klasse für Orchesterdirigieren leitet

Richard Galliano
Akkordeon
Richard Galliano begann im Alter von vier Jahren mit Klavier- und Akkordeonunterricht bei seinem Vater Lucien Galliano. Am Konservatorium von Nizza belegte er schon früh Kurse in Harmonielehre, Kontrapunkt und Posaune. 1975 kam er nach Paris und lernte Claude Nougaro kennen, dessen Akkordeonist und Dirigent er wurde. Aus dieser engen Zusammenarbeit entstanden viele Lieder, die zum Erbe der französischen Musik gehören. 1980 begegnete er dem argentinischen Komponisten und Bandoneonisten Astor Piazzolla. Dieser ermutigte Galliano nachdrücklich, die französische „Neue Musette“ zu kreieren, so wie er selbst zuvor den argentinischen „Neuen Tango“ erfunden hatte. Während seiner langen und produktiven Karriere hat Richard Galliano mehr als 50 Alben unter seinem Namen aufgenommen. Darüber hinaus hat er mit einer beeindruckenden Anzahl renommierter Künstler und Musiker zusammengearbeitet, wie etwa Chet Baker, Wynton Marsalis, Toots Thielemans, Juliette Greco oder Charles Aznavour sowie mit Nigel Kennedy und zahlreichen Orchestern. 1997 wurde Richard Galliano für sein Album New York Tango mit einem „Victoire de la Musique Jazz“ ausgezeichnet. Im Jahr 2010 nahm er ein Bach-Album mit der Deutschen Grammophon auf. Dieses Album brach mit mehr als 70.000 verkauften Exemplaren alle Verkaufsrekorde im Bereich Klassik. Nachdem er sein klassisches Repertoire erweitert hat, nahm er 2016 ein neues Album auf, das dem Werk von Wolfgang Amadeus Mozart gewidmet ist. 2016 wurde er vom französischen Präsidenten François Hollande mit dem Ordre national du Mérite ausgezeichnet.

Sergej Rachmaninov
Symphonische Tänze op. 45
Sergej Rachmaninov verbrachte seine letzten Jahre in Beverly Hills, aus Russland in Folge der Oktoberrevolution zwangsexiliert und aus der Schweiz durch den Zweiten Weltkrieg vertrieben. Stilistisch galt er bei Kritikern als Fossil, noch deutlich im 19. Jahrhundert verwurzelt. Am Ende seines Lebens jedoch bediente sich Rachmaninoff – inspiriert von Strawinsky und Prokofjew – in den Symphonischen Tänzen eines modernistischen rhythmischen Elementes und verband es mit seiner eigenen Vorliebe für große Melodien. Uraufgeführt wurde das Werk 1941 von Eugene Ormandy und seinem Philadelphia Orchestra. Es gilt heute als Rachmaninovs gewichtigstes sinfonisches Werk, doch es wurde anfangs nur reserviert aufgenommen. Das Publikum wünschte sich mehr Üppigkeit, die Kritiker weniger. Eine prägnante, marschartige Eröffnungsfigur dominiert den gesamten ersten Satz. Es folgt die herrlich schwermütige, typisch russisch anmutende Episode für das Altsaxophon. Das Schlussthema des Satzes ist eine exotische, reichhaltig chromatische Angelegenheit, die Rachmaninov offenbar aus Nicolai Rimskij-Korsakovs Oper „Der goldene Hahn“, stibitzt hat. In der Coda zitiert Rachmaninov zudem das Anfangsthema seiner ersten Symphonie (1897). Der zweite Tanz beginnt mit bedrohlichen Akkorden gefolgt von einem unheimlichen Walzer, der von Beinahe-Lethargie zu extremer Erregung übergeht. Der Satz endet mit weichen, huschenden Holzbläser- und Streicherfiguren. Im dritten und letzten Teil mischen sich russisch-orthodoxe Gesänge und der mittelalterliche Totengesang Dies irae. Außerdem taucht das Alleluja-Thema aus der 1915 entstandenen Chorvesper des Komponisten auf. Die Symphonischen Tänze waren das letzte Werk, das Rachmaninov vollendete. Er selbst hielt sie für sein bestes Werk.

Richard Galliano
Opale Concerto für Akkordeon und Streichorchester
Das Opale Concerto gleicht einer Mischung aus balkanischen, nostalgischen Pariser und amerikanischen Einflüssen. Es beginnt mit rasenden Läufen und pulsierenden Akkorden. Mit wechselnden Klangfarben wirbelt allesdurcheinander wie bei einem wilden Tanz: rasanten Drehungen, jazzige Pirouetten und wilde Läufe wechseln sich ab, unterbrochen nur von kurzen Atempausen. Demgegenüber ist der zweite Satz eine sanfte Brise, ein federleichter Reigen, ein scheinbar unverbindliches melodiöses Herumstreunen. Geige und Akkordeon tanzen zusammen ein zartes Ballett, das in sanfter Melancholie endet. Der dunklere dritte Satz ist ein wilder Tango, ein verrückter Ritt, bei dem es Orchester und Solist zuweilen gar aus der Kurve zu tragen scheint, doch dann gibt es eine plötzliche Verlangsamung, fast bis zum völligen Stillstand. Plötzlich, mit einem virtuosen Peitschenschlag der Akkordeonknöpfe, wird das Rennen aber wieder eröffnet und gewinnt an Fahrt, ein wildes Rodeo, das ein ziemlich abruptes Ende findet.

Maurice Ravel
La Valse
Ravel arbeitete 14 Jahre „La Valse“ fertig war, von den ersten Skizzen 1906 bis zur Uraufführung 1920. Ursprünglich sollte es eine Hommage an die Wiener Walzer von Johann Strauss II werden, die Ravel aufrichtig bewunderte. Doch an einen richtigen Walzer im Stile von Strauss traute sich Ravel wohl doch nicht so richtig ran. Ein symphonisches Werk sollte es deshalb werden, eine großformatige Hommage an den Walzer. Konkret mit der Arbeit begann Ravel allerdings erst 1919, als er von Sergej Djagilev den Auftrag erhielt, eine neue Partitur für die „Ballets russes“ zu schreiben. Der allerdings konnte mit dem fertigen Werk – obwohl es bewunderte – nicht viel anfangen. Ein großer Erfolg wurde La Valse trotzdem. Das Stück beginnt mit einer düsteren, diffus brodelnden Klangwolke, aus der immer wieder Fragmente von Walzerrhythmen und -melodien hervortreten. Dann präsentiert Ravel eine Reihe von Walzerthemen in einem überwältigenden Nuancenreichtum von changierenden Orchesterfarben. Er ist weniger daran interessiert, einen echten Walzer à la Strauss zu kreieren, als vielmehr die typischsten Gesten von Strauss aufzugreifen und sie in eine kaleidoskopartige Orchestertextur einzuweben. Ravels reiche harmonische Palette umfasst schillernde Akkorde, würzige Dissonanzen und sogar Andeutungen von Polytonalität, also die Verwendung von mehreren Tonarten gleichzeitig. In der zweiten Hälfte des Stücks kehren die in der ersten Hälfte eingeführten Themen zurück, werden aber fragmentiert und neu kombiniert, während die Musik immer wilder wird. Der rasende Tanz nähert sich einem Höhepunkt und weicht immer wieder zurück, um sich schließlich zu einer mitreißenden, geradezu grotesk überzeichneten und die Walzerseligkeit einer längst überholten Epoche zertrümmernden Coda zu steigern.

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