Georg Schmiedleitner, der seit vielen Jahren mit dem Ausstattungsteam Stefan Brandmayr (Bühne) und Cornelia Kraske (Kostüme) zusammenarbeitet und 2022 mit ihrer gemeinsamen Regensburger Inszenierung »Richard III.« für den Theaterpreis Faust nominiert war, ist ein erfahrener Regisseur und Spezialist für Romanbearbeitungen auf der Bühne. Schmiedleitner und Sophie Püschel möchten mit ihrer Herangehensweise dem Stoff nicht nur szenisch gerecht werden, sondern auch die Fabulierkunst von Thomas Mann gebührend würdigen und mit großer Wahrhaftigkeit und Authentizität die Geschichte erzählen.
Zum Inhalt
Die rasante Entwicklung von Felix Krull war zu Beginn seiner Jugend nicht unbedingt vorhersehbar. Sein Vater, ein windiger Schaumweinfabrikant, stahl sich nach dem Konkurs seiner Firma durch Selbstmord aus der Verantwortung. Felix sah sich als Sohn eines Bankrotteurs und Selbstmörders und als miserabler Schüler ohne große Aussichten auf ein erfolgreiches Leben oft abschätzigen Blicken ausgesetzt, die ihn zutiefst kränkten.
Aber schon seit seiner Kindheit war er höchst talentiert im Vortäuschen falscher Tatsachen. Krankheiten zu simulieren, um die Schule zu meiden, gelang ihm, bis sich tatsächlich körperliche Symptome einstellten. Eine »Gabe«, mit der er ein paar Jahre später in einer schauspielerischen Glanzleistung dem Militär entkommen sollte. Wunderbar fühlte es sich für ihn an, sich zu verkleiden und in andere Rollen zu schlüpfen. Bei einem Theaterbesuch erkennt er das Bedürfnis der Menschen nach Illusion und Verführung und macht sich dies zum Lebensprinzip. Als Liftboy und späterer Kellner in einem Pariser Grandhotel findet er durch die Hintertür Eingang in die Kreise, die ihn magisch anziehen und in die er mit List, Raffinesse und Charisma aufsteigt. Sollte der Name tatsächlich Programm sein: Felix, der Glückliche, das vom Schicksal bevorzugte Sonntagskind?
Aber wie lebt es sich, wenn man immer nur den Erwartungen anderer entspricht? Wenn man selbst kaum mehr zwischen Schein und Sein unterscheiden kann? Felix ist ein Experte der Selbstvermarktung und perfekt in einer Zeit, in der es vor allem auf Äußerlichkeiten ankommt. Aber er ist auch ein Mensch ohne wirkliche Freunde und ohne tiefe emotionale Bindungen, der am Ende selbst nicht mehr weiß, wer er wirklich ist, weil er sich »auflöst« und die Identität eines anderen annimmt.
Die Welt als Bühne
Das Leben ist ein Schauspiel, die Welt ist eine Bühne, auf der die Rollen zufällig verteilt werden. Georg Schmiedleitner sieht Felix Krull als besonders virtuosen Spieler, der es dank seines Talents bis ganz nach oben schafft, aber dafür mit der Aufgabe seiner selbst bezahlt. Stefan Brandmayr hat diesen Gedanken für die Bühnen-Gestaltung aufgegriffen und eine Art Zentrifuge, die wie ein Karussell rotiert, auf die Drehbühne gebaut. In rasantem Tempo, das die Rasanz der Geschichte aufgreift, stolpern die Figuren in einem atemlosen Fluss von einer Situation in die nächste. Semitransparente, von hinten durchleuchtbare Vorhänge unterteilen den Raum und lassen so manche Szene oder Figur im wahrsten Sinne des Wortes zwielichtig erscheinen.
Auch Cornelia Kraskes Ausstattungsidee ermöglicht schnelle Wechsel, einen regelrechten Karneval der Identitäten, indem die Rollen und Figuren mit Versatzstücken und Kostümzitaten angedeutet werden.
Roman war Lebensprojekt von Thomas Mann
Thomas Mann schrieb im Laufe seines Lebens immer wieder an diesem Roman. Schon 1906 gab es erste Notizen, ab 1953 arbeitete er intensiv daran. Sein »Felix Krull« blieb aber ein Fragment, das mit dem Höhepunkt des gesellschaftlichen Aufstiegs des Helden endet. Kurz nach Vollendung des ersten Teils starb Thomas Mann. Aus seinen Planungsnotizen geht hervor, dass die Hochstapelei den jungen Felix Krull schließlich ins kriminelle Milieu und ins Gefängnis führen sollte. Als Anregung diente ihm die Autobiographie des rumänischen Hochstaplers Georges Manolescu. Auch Thomas Mann selbst stand Pate für verschiedene Figuren. Manche Literaturwissenschaftler gehen gar davon aus, dass Thomas Mann in diesem Roman sein eigenes Psychogramm schrieb. Genau wie sein Felix Krull verlor er früh seinen Vater, hasste die Schule, verließ das Gymnasium ohne Abitur, entkam dem Militärdienst und unternahm eine Bildungsreise nach Italien.
Georg Schmiedleitner (Regie) wurde 1957 in Linz geboren. Er studierte Germanistik, Geschichte und Theaterwissenschaften an der Universität Wien. Von 1983 bis 1989 war er künstlerischer Leiter der experimentellen Bühne »Spielstatt« und Mitbegründer des Theater Phönix in Linz, dessen künstlerischer Leiter er von 1989 bis 1996 war. Seit 1996 arbeitete er als freier Regisseur, u. a. am Burgtheater Wien, am Schauspielhaus Hamburg, am Staatstheater Stuttgart, am Nationaltheater Weimar, am Schauspielhaus Bochum, am Theater Bern und am Düsseldorfer Schauspielhaus. Es folgten kontinuierliche Arbeiten am Staatstheater Nürnberg, am Nationaltheater Mannheim, am Schauspielhaus Graz, am Volkstheater Wien und am Schauspiel Leipzig. Seit 2009 ist Georg Schmiedleitner auch als Opernregisseur aktiv und inszenierte u. a. Beethovens »Fidelio« am Staatstheater Hannover, von 2013 bis 2015 Wagners »Der Ring des Nibelungen« am Staatstheater Nürnberg sowie Giacomo Puccinis »La Bohème« am Landestheater Linz. 2014 inszenierte er bei den Salzburger Festspielen »Die letzten Tage der Menschheit« von Karl Kraus. Gemeinsam mit Chris Müller ist Georg Schmiedleitner seit 2005 künstlerischer Leiter des Theaters Hausruck, einer Theaterinitiative, die regionale, zeitgeschichtliche und aktuelle gesellschaftspolitische Themen mit Laien sowie professionellen Schauspielern und Künstlern aufarbeitet. Die Produktion »Hunt oder Der totale Februar« wurde 2005 zweimal mit dem Nestroy-Theaterpreis ausgezeichnet. »Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull« nach dem Roman von Thomas Mann ist Georg Schmiedleitners erste Arbeit am Theater Heilbronn.
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