Herr Dr. Herzenstiel, zunächst einmal – wie ist es um die Herzgesundheit der Deutschen bestellt?
Dr. Daniel Herzenstiel: Seit einigen Jahren ist die Koronare Herzerkrankung, KHK, fast schon zur Volkskrankheit geworden. So waren beispielsweise 2021 von einer Million Todesfällen im Jahr, die in Deutschland verzeichnet wurden, rund 338 000 auf KHK und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen. Das sind mehr als jene Menschen, die an Krebs gestorben sind, das waren rund 239 600. Und zum Vergleich – 2021 waren rund 71 300 an Corona Verstorbene zu beklagen.
Welche Faktoren begünstigen die Wahrscheinlichkeit, an KHK zu erkranken?
Dr. Daniel Herzenstiel: Bei den Ursachen für die KHK unterscheidet man zwischen den vermeidbaren Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht und Bewegungsmangel. Außerdem gibt es bedingt vermeidbare Risikofaktoren wie Diabetes Typ II, Hypercholesterinämie und Bluthochdruck. Dass diese Risikofaktoren aber auch bei Menschen auftreten, die einen vorbildlichen Lebensstil führen, zeigt, dass oft genetische Veranlagung eine Rolle bei der Arteriosklerose spielt. Die KHK ist also keine reine Wohlstandskrankheit. Wir retten täglich viele, die trotz gesunden Lebensstils erkranken, und dies motiviert mich stets aufs Neue.
Wie kann man diesem Zustand entgegenwirken?
Dr. Daniel Herzenstiel: Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in den vergangenen Jahrzehnten unverändert die häufigste Todesursache gewesen und das wird auch langfristig in Deutschland so bleiben. Die alternde Gesellschaft wird diesen Trend verstärken und es ist mit einem zunehmenden Bedarf an kardiologischen Hilfsmitteln wie Schrittmacher-, Herzklappen- und Stentimplantaten zu rechnen. Zur Vermeidung der KHK wird ein gesunder Lebensstil mit ausreichend Schlaf, cholesterinarmer und ballaststoffreicher Kost sowie mindestens drei Stunden Ausdauersport pro Woche empfohlen. Neu ist die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, dass dies optimalerweise bereits in der Grundschule gelehrt und begonnen werden sollte, nicht erst nach dem ersten überlebten Herzinfarkt oder im Alter.
Ihre „Sonderdisziplin“ ist die Sportkardiologie. Inwiefern geht diese über die allgemeine Kardiologie hinaus?
Dr. Daniel Herzenstiel: Schon immer macht jeder Kardiologe auch ein bisschen Sportkardiologie, indem er Patienten mit Herzerkrankungen, Bluthochdruck oder Herzinsuffizienz entsprechende Trainingsempfehlungen verordnet. Zum Beispiel die von der Krankenkasse bezahlte Teilnahme in Koronar-Sport-Gruppen oder wenn einem Sportler mit Covid oder Herzmuskelentzündung eine Trainingspause nahegelegt wird. Als Hobby-Triathlet, Alpinist und als Betreuer von Kader-Athleten am Olympiastützpunkt Heidelberg war es jedoch schon immer mein Wunsch, mich für die Beratung von herzgesunden Leistungssportlern optimal zu qualifizieren.
Wo setzen Sie hier an?
Dr. Daniel Herzenstiel: Die Sportkardiologie kann beispielsweise hilfreiche Empfehlungen herausgeben zu den Themen Covid, zu Begleitherzmuskelentzündungen im Zuge von Infekten sowie durch die Beantwortung häufig gestellter Fragen wie zum Beispiel „Ab wann darf ich als Breitensportler wieder mit dem Sport beginnen?“, „Ab wann darf der Profi-Eishockeyspieler wieder aufs Eis?“ oder „Wie geht der ,return to play‘ beim Bundesliga-Fußballer vonstatten?“ Gerade bei diesen Themen tut sich ein Kardiologe ohne sportkardiologische Vertiefung, der eher eine Klientel von 70-bis 90-Jährigen bedient, manchmal schwer, weil die Belastbarkeit von Leistungssportlern sehr individuell ist und oft das Vielfache eines Breitensportlers beträgt.
Grundsätzlich also ist es ratsam, dem Herzen durch Sport Gutes zu tun?
Dr. Daniel Herzenstiel: Unbedingt! Denn wie jeder andere Muskel freut sich auch das Herz über tägliche Trainingsreize. Diese aktivieren den Stoffwechsel aller Muskeln und verbessern deren Funktion, außerdem werden Stresshormone abgebaut, die Cholesterinwerte lassen sich längerfristig durch Bewegung senken und in der Erholungsphase nach dem Sport zeigen sich verbesserte Blutdruckwerte.
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