Dennoch setzt die Deutsche Kreditwirtschaft weiter auf freiwillige Maßnahmen der Banken. Niedersachsens Justizministerin Katrin Wahlmann (SPD) will sich damit nicht mehr zufriedengeben und kündigt an: "Wenn wir sehen, dass da nichts passiert, dann werde ich eine entsprechende Bundesratsinitiative auf den Weg bringen, um die Banken gesetzlich in die Verpflichtung zu nehmen, entsprechende Sicherungsmaßnahmen zu schaffen." Weiter sagt sie im ARD-Politikmagazin "Report Mainz": "Die niedersächsische Justiz wird sich nicht vertrösten lassen auf weitere Runde Tische." Mit Blick auf Nachbarländer, die diese Form der Kriminalität weitgehend gestoppt haben, fände sie es "persönlich unglaublich, dass ein Nachbarland es schafft, das Phänomen komplett zu beenden durch relativ einfache Maßnahmen. Und Niedersachsen oder auch Deutschland insgesamt, das noch nicht geschafft hat."
Erfolgreiche Prävention in den Niederlanden
Oberstaatsanwalt Bernhard Südbeck von der Staatsanwaltschaft Osnabrück leitet für das aufgrund seiner Grenznähe stark betroffene Niedersachsen alle Ermittlungen zu Geldautomatensprengungen. Er sagt: "Wir haben es hier eindeutig mit organisierter Kriminalität zu tun." Die Zahl der Täter sei massiv gestiegen, mittlerweile gehe er von deutlich über 1.000 Täterinnen und Tätern aus den Niederlanden aus. Aus dem Nachbarland höre er, "dass Deutschland ein Schlaraffenland für Automatensprenger sein soll, weil hier eben zu wenig Sicherungsmaßnahmen erfolgen". Südbeck warnt: "Wir gefährden hier Menschenleben und das sehenden Auges. Wir haben in unserem Bezirk, der Staatsanwaltschaft Osnabrück, schon zwei Verfahren gehabt, in denen es zu Bränden gekommen ist, wo beinahe Menschen, ganze Familien zu Tode gekommen sind."
Tatsächlich befanden sich viele der gesprengten Geldautomaten in bewohnten Gebäuden. Im am meisten von den Sprengungen betroffenen Bundesland Nordrhein-Westfalen standen im vergangenen Jahr etwa die Hälfte der 181 attackierten Automaten in Wohngebäuden oder direkt daran angrenzend. Jede erfolgreiche Sprengung bringe mittlerweile eine "durchschnittliche Beute von etwa 100.000 Euro", berichtet eine Staatsanwältin im Interview mit "Report Mainz", die namentlich nicht genannt werden möchte. Der Tatanreiz für die oft nicht älter als 20-jährigen Täter sei hoch, etwa zehn Prozent der Beutesumme erhielten sie in der Regel.
Der niederländische Chef-Ermittler für Geldautomatensprengungen Jos van der Stap erklärt im Interview mit "Report Mainz", man habe in den Niederlanden vor zehn Jahren Maßnahmen ergriffen, um eine bessere Prävention an den Geldautomaten zu erreichen. Mittlerweile setze man dort auf die Zerstörung des Geldes während der Sprengung, "damit die Erfolgschance gleich Null ist". In den Niederlanden kommt hierfür ein mit der dortigen Nationalbank und Ermittlern gemeinsam entwickeltes Sicherheitssystem zum Einsatz, das die Banknoten bei Auslösung einer Sprengung noch in der Geldkassette miteinander verklebt und dadurch unbrauchbar macht.
Bundesbank plant Gespräche mit Kreditwirtschaft
In Deutschland wird diese Technik noch nicht eingesetzt. In einer vom Bundesinnenministerium veröffentlichten Erklärung aller Teilnehmer des Runden Tischs "Geldautomatensprengungen" Anfang November heißt es, Klebesysteme könnten "eine weitere Lösung darstellen, sobald diese Systeme marktreif" seien und eine "Erstattungsfähigkeit der verklebten Banknoten durch die Bundesbank gewährleistet" sei. Die Bundesbank teilt auf Nachfrage mit, die bisher auf dem europäischen Markt angebotenen Produkte unterschieden sich im Grad der Verklebung. Seien die Noten vollständig verklebt, könnten sie von der Bundesbank nicht auf Echtheit und Anzahl zur Erstattung des Betrags geprüft werden. "Bei den noch ausstehenden Gesprächen mit der Kreditwirtschaft wird aufgezeigt werden, wie die entsprechenden Nachweise vom einreichenden Kreditinstitut erbracht werden können, falls die Echtheit und Anzahl der vorgelegten Banknoten nicht unmittelbar ermittelt werden kann", schreibt die Bundesbank. Die Gespräche sei
en für März terminiert.
Keine Übersicht bei Bankenverbänden
Länder wie Frankreich oder Portugal zeigen, dass auch die Prävention mit einer farblichen Markierung der Geldscheine bei Sprengung funktionieren kann. Vorausgesetzt, sie wird flächendeckend eingesetzt. Banken sind dort gesetzlich zum Einbau solcher Systeme verpflichtet. Mit dem Ergebnis, dass dort die Zahl der Sprengungen deutlich zurückging. Das Farbsicherungssystem ist auch in Deutschland verfügbar, doch nach Aussagen von Insidern bislang nur in verhältnismäßig wenigen Automaten verbaut. Die Deutsche Kreditwirtschaft, die im Namen aller vier großen Bankenverbände eine Anfrage des ARD-Politikmagazins "Report Mainz" beantwortet, teilt schriftlich mit, es lägen ihr keine Informationen dazu vor, wie viele Geldautomaten in Deutschland aktuell schon mit Farbsicherungssystemen ausgestattet seien.
Banken in der Verantwortung
In der vom Bundesinnenministerium veröffentlichten Erklärung aller Teilnehmer des Runden Tischs "Geldautomatensprengungen" vor drei Monaten wurde festgehalten, die Spitzenverbände der Deutschen Kreditwirtschaft wirkten darauf hin, "die von den Sicherheitsbehörden als wirksam eingestuften Präventionsmaßnahmen, an Risikostandorten als Ergebnis ihrer jeweiligen Risikoanalyse und ihrem individuellen Sicherheitskonzept einzeln bzw. in Kombination umzusetzen". Auf Nachfrage, wie die in der Erklärung vereinbarten Maßnahmen nun umgesetzt würden, teilt der Sprecher der Deutschen Kreditwirtschaft "Report Mainz" mit: "Wir informieren unsere Mitgliedsinstitute und fordern sie auf, für jeden Standort – soweit noch nicht geschehen – eine Risikoanalyse vorzunehmen und die sich daraus ableitenden Maßnahmen umzusetzen." Was tatsächlich bis wann an welchen Standorten umgesetzt werde, wüssten zunächst nur die Banken selbst.
Das Bundesinnenministerium, das den Runden Tisch im November initiierte, teilt "Report Mainz" schriftlich mit, sollte die Umsetzung der neuen Ansätze nicht ausreichen, halte das Ministerium "gesetzliche Verpflichtungen für erforderlich". Dabei werde es "insbesondere um die gesetzliche Verpflichtung der Geldautomatenbetreiber gehen."
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