Zum Jahresanfang dominieren weiterhin viele Unsicherheiten: Die Auswirkungen des andauernden russischen Kriegs gegen die Ukraine, geopolitische Spannungen zwischen West und Fernost, die anhaltend hohen Inflationsraten sowie der erhebliche Mangel an Arbeitskräften belasten die Konjunktur. Und dennoch: Verglichen mit den sehr pessimistischen Prognosen im Herbst letzten Jahres kann die deutsche Wirtschaft zuversichtlicher in das Jahr 2023 blicken. Auch die wirtschaftliche „Delle“ in diesem Winter, die das Bruttoinlandsprodukt im Jahresendquartal 2022 hat schrumpfen lassen und aller Voraussicht nach auch in den ersten drei Monaten dieses Jahres anhält, dürfte nicht so tief ausfallen, wie vor vier oder fünf Monaten befürchtet. Dementsprechend konnten die Wachstumsprognosen für das Gesamtjahr 2023 zuletzt sukzessive angehoben werden. Bereits im zweiten Quartal 2023 sollte sich die gesamtwirtschaftliche Leistung stabilisieren, und für die zweite Jahreshälfte 2023 ist mit einer moderaten wirtschaftlichen Erholung zu rechnen. Im Jahresdurchschnitt 2023 wird es daher aus heutiger Sicht wohl nur zu einer Stagnation und nicht zu einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts kommen. Trotz der zahlreichen Herausforderungen würde sich damit – wie zuletzt während der Corona-Pandemie – die Widerstandsfähigkeit der deutschen Wirtschaft erneut bestätigen.

Gründe für den deutlich milderen Abschwung in diesem Winter sind in erster Linie die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen zur Stabilisierung der Energiepreise und zur umfangreichen Einspeicherung von Gas. Auch der bisher recht milde Winter hat seinen Beitrag geleistet, ähnlich wie die signifikanten Energieeinsparungen auf Seiten der Unternehmen und Haushalte. Die Inflationsrate in Deutschland scheint ihren Scheitelpunkt überschritten zu haben. Gleichwohl liegt die um die volatilen Energie- und Nahrungsmittelpreise bereinigte Kerninflationsrate auch weiterhin über 5 %, sodass noch über einen längeren Zeitraum mit Belastungen für die Wirtschaftsentwicklung gerechnet werden muss. Begrüßenswert ist in diesem Zusammenhang daher die Ankündigung der Europäischen Zentralbank (EZB), den Leitzinssatz von gegenwärtig 3 % auf der nächsten EZB-Ratssitzung am 16. März 2023 weiter anzuheben. Aus heutiger Sicht müssten aber noch weitere Zinsschritte folgen.

Vor diesem Hintergrund bewerten Unternehmen in aktuellen Umfragen ihre momentane Situation bzw. den Ausblick auf 2023 (überraschend) optimistisch: Vor drei Monaten war ihre Stimmung noch deutlich schlechter als die tatsächliche Lage. Zwar herrschen einschränkende Faktoren wie Lieferengpässe, Energiepreise und Arbeitskräftemangel weiter vor, doch zeugen Parameter wie die im letzten Jahr gestiegene Eigenkapitalquote der Unternehmen sowie die nur geringen Zuwächse bei Unternehmensinsolvenzen von einer beachtlichen Robustheit in der Breite der Unternehmen. Problematisch erscheint gleichwohl der Umfang, mit dem Investitionen weiterhin zurückgestellt werden. Damit verzögert sich die an sich nicht-aufschiebbare nachhaltige und digitale Transformation der Wirtschaft weiter. 

Diese Tendenz wird durch aktuelle Zahlen zur Kreditvergabe an Unternehmen bestätigt: Nachdem Unternehmen bis letzten Herbst Liquidität in Form von (größtenteils kurzfristigen) Bankkrediten in rekordverdächtiger Höhe nachgefragt und erhalten haben, scheint die Kreditvergabe im 4. Quartal 2022 ihren Höchststand erreicht bzw. sogar schon überschritten zu haben. Zwar lag das Gesamtvolumen der ausstehenden Kredite an Unternehmen und wirtschaftlich Selbständige in Deutschland zum Jahresende noch 9 % über dem Vorjahreswert, aber bereits -0,8 % unter dem Wert des Vorquartals. Auffallend ist insbesondere der Einbruch um -9 % bei kurzfristigen Krediten, also dem Bedarf nach Betriebsmitteln (z. B. für Lagerhaltungskosten), während sich die Nachfrage nach mittelfristigen Krediten zuletzt bei einem Wachstum von 4 % stabilisieren konnte. Hinzu gesellt sich laut Bankenumfrage der EZB im Rahmen des Bank Lending Surveys eine weitere moderate Verschärfung der Kreditvergabebedingungen in Deutschland. Grund hierfür sind die veränderte Risikolage und entsprechend höhere Risikomargen auf Seiten der Banken sowie das höhere Zinsniveau: Seit 2022 zogen die Effektivzinssätze für (Neu-)Kredite an Unternehmen und wirtschaftlich Selbstständige deutlich an, nachdem diese zuvor über 10 Jahre rückläufig waren.

Entscheidender Faktor für die Kreditvergabe wird sein, wie das regulatorische bzw. aufsichtliche Umfeld auf die skizzierten Umstände im weiteren Verlauf reagieren wird. So führen die bereits eingeführten Kapital- und Systemrisikopuffer dazu, dass Banken zusätzliches Kernkapital aus dem operativen Geschäftszyklus entnehmen müssen. In der Konsequenz stehen diese Mittel dann nicht mehr für die Eigenkapitalunterlegung der Kreditvergabe zur Verfügung, was in der Konsequenz auch die Finanzierung der Transformation (weiter) ausbremsen dürfte. Hier sind Politik und Aufsicht am Zug. 

Eine ausführliche Analyse zu diesen Aspekten finden Sie im aktuellen Quartalsbericht des Bankenverbandes „Unternehmensfinanzierung AKTUELL“.

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