Geld und Moral
„Schon Theodor Fontane sagte: ‚Moral ist gut, Erbschaft ist besser‘. In der Gesellschaft ist immer häufiger zu beobachten, dass die Moral flöten geht, wenn Geld ins Spiel kommt. Dass Gläubiger aus einer Erbschaft vom Schuldner bedient werden, kommt nach meiner Erfahrung zu selten vor. Aber, und das muss ehrlicherweise erwähnt werden, werden dem Schuldner von Seiten der Gesetzgebung auch einige verlockende ‚unmoralische‘ Angebote gemacht. Und wer kann sich davon freisprechen, sie nicht ggf. selbst zu nutzen?“
Erstes Angebot: Erbe annehmen oder ausschlagen
„Die meisten Regelungen zum Thema ‚Erbschaft‘ sind im 5. Buch des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), in den §§ 1922 bis 2385 zu finden (ausgenommen insbesondere Regelungen zur Erbschaftsteuer). Da nicht nur Vermögen vererbt werden kann, sondern auch Schulden, gesteht der Gesetzgeber dem Erben die Möglichkeit zu, das Erbe auszuschlagen. (Einzig der Fiskus kann die ihm als gesetzlichem Erbe angefallene Erbschaft nicht ausschlagen.) Eigentlich eine gerechte Sache, sollte man meinen. Es gibt aber durchaus die Möglichkeit, dass ein verschuldeter Erbe zwar die Erbschaft für sich ausschlägt, aber im Namen seiner minderjährigen Kinder diese annimmt. Die Kinder erben das Vermögen, der Schuldner kann aber für sie z. B. ein Haus erwerben und sich ein lebenslanges Wohnrecht darin sichern. Alles legal, auch wenn dadurch die Gläubiger wissentlich und vorsätzlich benachteiligt werden.“
Zweites Angebot: Regelungen der Insolvenzordnung
„Lässt schon das Erbrecht ein Ausschlagen des Erbes zu, selbst wenn es sich dabei nicht, oder nicht zum überwiegenden Teil um Schulden handelt und eventuelle Gläubiger davon bedient werden könnten, so tut die Insolvenzordnung ein Übriges. In § 83 Absatz 1 Insolvenzordnung (InsO) heißt es, dass es im Fall einer Erbschaft vor oder während eines Insolvenzverfahrens allein dem Schuldner zusteht, eine Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen. Die Annahme eines Erbes muss nicht ausdrücklich erklärt werden, die Ausschlagung hingegen schon – innerhalb einer Sechswochenfrist nach Kenntnisnahme von der Erbschaft. Eine Ausschlagung ist also immer ein bewusster Akt des Erben – und nicht etwa seines Insolvenzverwalters –, und wenn sie bereits vor der Insolvenz geschieht, kann sie der Insolvenzverwalter auch nicht anfechten. Gläubiger gucken so in die Röhre.“
Drittes Angebot: Wohlverhaltensperiode
„Einem Schuldner kann nach im Regelfall drei Jahren ab Insolvenzeröffnung eine Restschuldbefreiung erteilt werden, wenn er einige Bedingungen erfüllt. Dazu gehört, dass er über diese drei Jahre (Wohlverhaltensperiode) sich um Einkommen bemüht und dieses seinen Gläubigern teilweise zur Verfügung stellt. Die Erbschaft ausschlagen kann er aber auch in dieser Zeit, ohne dadurch die Restschuldbefreiung zu gefährden.“
Viertes Angebot: Erben während der Wohlverhaltensperiode
„Normalerweise muss der Schuldner dann, wenn er die Erbschaft – anders als bisher beschrieben – nicht ausschlägt, sondern annimmt, sie auch zur Befriedigung seiner Gläubiger verwenden (bzw. können die Gläubiger in diese Erbschaft vollstrecken). Ist ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners aber erst einmal beendet, so gilt das nur noch eingeschränkt: Hat der Schuldner bereits Restschuldbefreiung erlangt, kann er die Erbschaft komplett behalten (es sei denn, einzelne Gläubiger sind von der Restschuldbefreiung nicht betroffen – aber das führt hier zu weit). Läuft die Wohlverhaltensperiode noch, wenn der Erbfall eintritt, dann muss der Schuldner gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 2 Insolvenzordnung (InsO) lediglich die Hälfte seines Erbes an die Gläubiger abführen.
Ein Schuldner schuldet einem anderen etwas. Wie der Name deutlich sagt. Dem Gläubiger im Falle einer Erbschaft selbst von Seiten des Gesetzgebers nicht das zuzugestehen, worauf er ein Recht hat, ist ein Angebot ganz besonderer Art. Moral ist gut, aber erben eben besser!?!“
Es ginge auch anders
„Andere Länder, andere Sitten. Je mehr Europa zusammenrückt, wird auch über die Grenzen geschaut und werden Vorgehensweisen verglichen. So haben z. B. in Frankreich, Spanien, Italien, Schweiz usw. Gläubiger das Recht, im Falle dessen, dass ein Schuldner sein Erbe ausschlägt, diese Erbausschlagung anzufechten. In diesem Fall erbt dann nicht der Schuldner, sondern kommt die Erbmasse den Gläubigern zu Gute. Ein Modell, was m. E. auch hierzulande zur Anwendung kommen sollte.“
Fazit
„Solange von Seiten der Gesetzgebung die Gläubigerrechte nicht umfassend gestärkt werden, ist jedem Unternehmer einmal mehr nur zu raten, es mit den grundsätzlichen Dingen im Unternehmensalltag sehr genau zu nehmen: Schriftliche Dokumentation aller Vorgänge, aktuelle Buchhaltung, konsequentes Mahnwesen, individuelle Geschäftsbedingungen mit Regelungen zum Eigentums- und zum verlängerten Eigentumsvorbehalt usw. Wenn dann noch eine Erbschaft ‚um die Ecke‘ kommt, umso besser!“
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