- Studie beleuchtet Akzeptanz bei Beschäftigten für den klimaneutralen Umbau des Industriestandorts
- Klima- und Beschäftigungsziele müssen gemeinsam betrachtet werden
Bertolt Brecht liebte es deftig, wenn er Widersprüche zuspitzen wollte: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral!“. Geht es den Menschen heute ebenso wie 1929 in der Dreigroschenoper? Hier das korrekte klimabewusste Handeln, dort die Sorgen um den eigenen Arbeitsplatz? Wie weit geht die Bereitschaft von Beschäftigten, ihr Leben und Arbeiten an den Klimaschutz anzupassen? Werden beispielsweise Gehaltseinbußen und ein Wechsel des Wohnorts in Kauf genommen, um den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft zu unterstützen? Und wovon hängt die Bereitschaft zur persönlichen Veränderung ab? Diesen Fragen geht eine Studie des Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik (WZGE) und der E.ON Stiftung nach, die heute in Berlin im Rahmen einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion vorgestellt wird. Über die Ergebnisse der Studie diskutieren Yasmin Fahimi (DGB), Prof. Ronald Bachmann (RWI), Dr. Wolfgang Gründinger (Enpal), Lars Katzmarek (Pro Lausitz e.V.), Martina van Hettinga (i-potentials) und Claus-Christian Gleimann (E.ON).
Mit ihren Ergebnissen will die Studie Ansatzpunkte für eine Transformationsstrategie herausarbeiten, die Klima- und Beschäftigungsziele gemeinsam in den Blick nimmt und so Vertrauen auf dem Weg zum klimaneutralen Industriestandort Deutschland schafft. Basis ist eine repräsentative Befragung von über 2000 Beschäftigten durch infas quo.
Grundsätzlich wird der klimaneutrale Umbau akzeptiert
Die grundsätzliche Akzeptanz für den klimaneutralen Umbau des Industriestandorts Deutschland ist hoch ausgeprägt. Nahezu zwei Drittel (59%) der Beschäftigten fordern mehr Tempo auf dem Weg in die Klimaneutralität, etwa die Hälfte (49%) zeigt zusätzlich eine hohe Bereitschaft, einen aktiven Beitrag zu diesem Strukturwandel zu leisten. Lediglich 14% bevorzugen eine langsamere Gangart, 16% haben eine geringe Veränderungsbereitschaft.
Sozialer Status entscheidet
Wie wichtig Beschäftigte den Klimaschutz im Vergleich zu anderen Themen finden, hängt von ihrem sozialen Status ab. In der Gruppe jener Beschäftigten, die sich selbst am unteren Ende der gesellschaftlichen Leiter einordnen, platzieren 28% das Thema „Klimaschutzziele“ auf den letzten Rang, 30% sehen dagegen das Thema „Soziale Ungleichheit verringern“ als wichtigstes Problem. Je negativer Beschäftigte die künftige eigene Beschäftigungssituation einschätzen, umso mehr präferieren sie Arbeitsplatzsicherheit vor Klimaschutz – und umgekehrt.
Angst von der Einkommensschere
43% der Befragten befürchten, dass die Einkommensschere durch den klimaneutralen Umbau der Industrie weiter auseinandergeht, 19% gehen nicht davon aus. Knapp die Hälfte (46%) erwartet, dass die Transformation es insbesondere für Menschen mit geringen Qualifikationen schwerer machen wird, einen Arbeitsplatz zu finden. Bei den Beschäftigten mit sehr hohem Status erwartet gut die Hälfte (52%) für sich eine positive Entwicklung, bei Beschäftigten mit niedrigem Status sehen dagegen nur 30% Prozent der Menschen für sich Chancen, 21% erwarten dagegen eher negative Konsequenzen.
Ablehnung von Einkommensverlusten und Mobilitätszumutungen
Beim Blick auf konkrete Veränderungszumutungen zeigt sich ein differenziertes Bild: Eine Mehrheit von 62% der Beschäftigten zeigt grundsätzlich die Bereitschaft, neue Qualifikationen zu erwerben, lediglich 15% sind dazu nicht bereit, 31% wären bereit, eine neue Arbeit anzunehmen, die weniger gesellschaftliches Ansehen genießt, 37% lehnen dies ab. Deutlicher fallen die Ergebnisse im Hinblick auf Mobilitätszumutungen und finanzielle Einschnitte aus: Nur 20% würden für eine Arbeit an einen weiter entfernten Wohnort ziehen, 57% lehnen dies ab. Am wenigsten akzeptieren Beschäftigte Zumutungen beim Einkommen: Hier signalisieren lediglich 15% Bereitschaft zu Einschnitten, für 62% kommt dies nicht in Frage.
Flexible Beschäftigungsmodelle anbieten, Transformation fair gestalten
Was erwarten Beschäftigte von Unternehmen beim klimaneutralen Umbau der Industrie? 26% halten es für besonders wichtig, dass Unternehmen flexible Beschäftigungsmodelle ermöglichen. Für 22% ist die faire Behandlung der Beschäftigten in der Transformation besonders wichtig.
Entscheidend ist die eigene Beschäftigungsperspektive
Die eigene Beschäftigungssituation erweist sich als zentraler Akzeptanzfaktor. Sie entscheidet maßgeblich darüber, ob ein Beschäftigter einen schnellen klimaneutralen Umbau des Industriestandorts Deutschlands unterstützt oder nicht. 94% der Menschen, die sehr positive Auswirkungen des klimaneutralen Umbaus für sich als Beschäftigte sehen, wollen eine schnellere Transformation. Bei Beschäftigten, die für sich sehr negative Auswirkungen erwarten, sinkt dieser Wert auf 17%. 70% aus dieser Gruppe sprechen sich dagegen für ein langsameres Tempo auf dem Weg in die Klimaneutralität aus.
Dr. Martin von Broock, Vorstandsvorsitzender des Wittenberg-Zentrums für Globale Ethik (WZGE): „Die Menschen wollen einen raschen Industrieumbau, und sie sind veränderungsbereit. Aber nur, solange es fair zugeht: Anstrengungen müssen sich für alle sozialen Gruppen lohnen. Wir brauchen also weniger moralische Appelle und mehr konkrete Angebote.“
Dr. Stephan Muschick, Geschäftsführer der E.ON Stiftung: „Gute Arbeit bleibt auch in Zeiten des Kampfes gegen den Klimawandel für die Beschäftigen wichtig. Ob es der Wirtschaft gelingt, sich erfolgreich in Richtung Klimaneutralität zu transformieren, wird vor allem von davon abhängen, dass die Beschäftigten sinnhaltige, aber auch angemessen vergütete und sichere Arbeit haben.
Der Kurzbericht zur Studie kann am 2. März ab 17.00h über www.wzge.de abgerufen werden.
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