Deutschlands Apothekerinnen und Apotheker warnen vor einem Versorgungschaos für Millionen Patientinnen und Patienten ab dem Sommer, falls die Bundesregierung nicht entsprechende Lösungen findet und dieselben Lehren aus den anhaltenden Lieferengpässen zieht wie der Bundestag. In letzter Sekunde wollen die Ampelfraktionen im Bundestag die Handlungsfreiheit und Flexibilität der Apotheken erhalten. Durch einen Änderungsantrag sollen flexible Regelungen zur Arzneimittelabgabe, die vor etwa drei Jahren eingeführt wurden, bis zum 31. Juli 2023 verlängert werden. Diese ermöglichen es den Apotheken, beim Einlösen eines Rezeptes ein vorrätiges Ersatzmedikament abzugeben, statt den Patienten oder die Patientin tagelang zu vertrösten oder für ein neues Rezept zur Arztpraxis zurückzuschicken. Das von der Bundesregierung geplante Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) sieht dagegen keine vergleichbare Problemlösung vor, so dass ab 1. August 2023 ein bürokratischer und patientenfeindlicher Rückschlag beim Lieferengpassmanagement in den Apotheken droht.

„Die Apothekerinnen und Apotheker können die Lieferengpässe mit viel Zeitaufwand und Engagement abmildern“, sagte Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände auf einer Pressekonferenz in Berlin: „Die Apotheken suchen wirkstoffgleiche Medikamente anderer Hersteller, wählen andere Packungsgrößen oder Wirkstärken aus, prüfen ähnliche Wirkstoffe auf therapeutische Vergleichbarkeit und stellen im Notfall sogar Medikamente selbst her. Diese bewährte Lösung ab dem Sommer abzuschaffen – das gleicht einem Schildbürgerstreich und ist keinem vernünftig denkenden Menschen zu vermitteln.“ Overwiening fordert: „Durch die jetzige Initiative des Bundestages hat das Bundesgesundheitsministerium Zeit gewonnen, um das Gesetzesvorhaben den wirklichen Realitäten anzupassen. Die Bundesregierung muss jetzt handeln, um die Arzneimittelversorgung für Millionen Menschen langfristig sicherzustellen. Ein neuer Absatz im ALBVVG-Kabinettsentwurf reicht dazu völlig aus. Die Apotheken brauchen auch zukünftig einen flexiblen Entscheidungsspielraum bei der Auswahl von Medikamenten und einen angemessenen Engpass-Ausgleich als Honorar für den personellen Mehraufwand. Die Apothekerschaft plant politische Protestaktionen, um die Gesundheitspolitik wachzurütteln. Ein Wegducken des Ministers kommt nicht infrage!“.

Für das Management von Lieferengpässen sind mindestens sechs Stunden pro Woche pro Apotheke nötig. Bundesweit geht die ABDA von etwa 20 Millionen verordneten, aber nicht verfügbaren Arzneimitteln pro Jahr aus.

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