Etwa vom 23. März bis 21. April 2023 feiern Muslime den Fastenmonat Ramadan. Von den rund 5,5 Millionen muslimischen Religionsangehörigen , die in Deutschland leben, verzichten laut Statista etwa 4,7 Millionen in diesen Wochen zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang auf jegliche Nahrungsaufnahme. Auch Getränke sind tabu. Das bedeutet in unseren Breitengraden bis zu 16 Stunden nichts zu essen und zu trinken. Das kann körperliche Auswirkungen haben, die je nach Job für Arbeitnehmer problematisch werden können. Welche Rechte und Pflichten Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Ramadan haben, erklärt ARAG Experte Tobias Klingelhöfer.

Warum kann Ramadan am Arbeitsplatz zum Problem werden?
Tobias Klingelhöfer:
Hier kollidieren einige Interessen miteinander. Einerseits sind Arbeitnehmer nach Paragraf 611 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch verpflichtet, ihrem Arbeitgeber die volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Wer aber von Dämmerung bis Sonnenuntergang nichts isst und trinkt, ist unter Umständen körperlich und emotional nur eingeschränkt belastbar. Und eine sinkende Arbeitsproduktivität steht immer im Widerspruch zu den Interessen eines Arbeitgebers.

Zudem kann das Fasten vor allem in körperlich anstrengenden Berufen oder bei Hitze schnell zur Gefahr für den Arbeitnehmer werden und das Risiko von Arbeitsunfällen steigt. Dazu kommt nächtliches Fastenbrechen – wenn also gegessen und getrunken werden darf –, so dass Arbeitnehmer wahrscheinlich weniger ausgeruht zur Arbeit erscheinen. Hier kommt dann die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zum Tragen. Und die besagt, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers zu schützen. Diese Pflicht reicht vom Schutz vor Unfällen über einen gut ausgestatteten Arbeitsplatz bis hin zu einem fairen Umgang miteinander.

Kann der Chef das Fasten verbieten, wenn er befürchtet oder sogar feststellt, dass die Arbeitsleistung darunter leidet?
Tobias Klingelhöfer:
Nein. Das kann er nicht. Zumindest nicht generell. Dabei kommt es auf den Einzelfall an und darauf, wie stark die Arbeitsleistung tatsächlich eingeschränkt ist. Ungestörte Religionsausübung ist ein Grundrecht und im Grundgesetz in Artikel 4 Absatz 2 festgeschrieben. Ein Arbeitgeber darf seine Mitarbeiter also nicht an der Ausübung ihrer Religion hindern. Er darf weder das Fasten verbieten oder Mitarbeiter abmahnen, kündigen oder anders sanktionieren, weil ihre Arbeitsleistung durch das Fasten leicht sinkt. Auch das Bundesarbeitsgericht hat sich dazu ganz klar pro Religionsfreiheit ausgesprochen.

Welche Möglichkeiten gibt es, damit beiden Seiten zufrieden sind?
Tobias Klingelhöfer:
Fastende Arbeitnehmer müssen ihre Arbeitgeber zwar nicht darüber informieren, doch ich rate allen Beteiligten im Rahmen ihrer gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme offen miteinander zu kommunizieren. Ramadan ist einmal im Jahr und kommt ja nicht überraschend. Daher können in vielen Fällen wahrscheinlich Arbeitszeiten anders gelegt oder verkürzt und später nachgeholt werden. In manchen Fällen ist es sicherlich sogar möglich, den kompletten Dienst während des Ramadans auf die Zeit nach Sonnenuntergang zu legen. Dabei müssen Arbeitgeber allerdings immer die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) berücksichtigen. Wird einem muslimischen Mitarbeiter also eine Sonderregelung eingeräumt, müssen auch den anderen Mitarbeitern unter Umständen entsprechende Angebote gemacht werden.

Eine andere Alternative – mit dem allerdings der Arbeitnehmer einverstanden sein muss – kann der Abbau von Überstunden oder der Jahresurlaub in der Zeit des Ramadans sein. Da das Ende der Fastenwochen mit einem dreitägigen Zuckerfest gefeiert wird, sollten Arbeitgeber hier besonders umsichtig mit der Genehmigung von Urlaubstagen sein. Wenn keine andere Lösung gefunden werden kann, der Arbeitnehmer aber nicht in der Lage ist zu arbeiten, kann sein Chef ihn für die Zeit des Fastens freistellen. Dann gilt allerdings der Grundsatz: Ohne Arbeit kein Lohn.

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