Die Inflation verharrt hartnäckig auf hohem Niveau, es gab in den letzten Monaten mehr Zinserhöhungen der Notenbanken als erwartet. An der Börse ist das Risiko eines massiven Konjunkturabschwungs jedoch aus dem Blickfeld geraten. Wie uns Anleihemarkt und Mittelstand signalisieren, dass die Rezessionsgefahr noch nicht vorüber ist.

Im März hatten die Notenbanker in der Euro-Zone und den USA ihre Leitzinsen erneut erhöht. Dabei hatten schon einige Marktteilnehmer mit einer Zinserhöhungspause gerechnet, weil die Sorge vor einer Bankenkrise massiv zugenommen hatte. Doch die Notenbanken haben klar signalisiert, dass sie an Zinserhöhungen festhalten und auch weiterhin festhalten werden. Der Ankündigung folgten Anfang Mai die nächsten Zinsschritte. Die Notenbanken übermitteln unmissverständlich folgende Botschaft: Die immer noch hohe Inflation ist weitaus gefährlicher als das Risiko einer Bankenkrise und einer dadurch ausgelösten Rezession. Das Gros der Banken sei vielmehr gut kapitalisiert und stabil, verkündete die EZB.

Ist die Rezessionsgefahr damit vom Tisch? Obwohl sich die Märkte darauf einstellen müssten, dass die Zinsen noch länger auf hohem Niveau verharren, herrscht überraschend viel Optimismus. Klares Indiz dafür ist der Aktienmarkt, der betont gelassen auf die Zinsschritte reagierte und aktuell kurz davorsteht, neue Allzeithochs zu erreichen. 

Aktienmarkt euphorisch, Anleihemarkt eingebrochen

Doch die Börsenbullen könnten diesmal irren. Denn mit unerwarteten und länger anhaltenden Zinserhöhungen und einer weiter hartnäckigen Inflation steigt das Risiko einer harten Rezession deutlich an. Der Aktienmarkt spiegelt dieses Risiko derzeit nicht wider, das Schreckensszenario scheint noch in weiter Ferne. Die Marktteilnehmer gehen weiter davon aus, dass das Ende der Zinserhöhungen bald erreicht ist. Dabei dürften sich börsennotierte Großunternehmen und Konzerne mit hohen Zinsen und Inflation leichter tun als der Mittelstand, da sie breiter aufgestellt sind, leichter frisches Kapital erhalten und steigende Preise besser an ihre Kunden weitergeben können. Und tatsächlich zeigen sich die Unternehmensgewinne bisher stabil. 

Doch der Eindruck könnte trügen, denn noch haben die bisherigen Zinserhöhungsschritte ihre Wirkung auf die Realwirtschaft nicht voll entfaltet. Das verdeutlicht der Blick auf die Unternehmen abseits der Börse, insbesondere den Mittelstand. Experten rechnen bereits mit einem Anstieg der Insolvenzquoten. Vor allem Unternehmen mit hohem Finanzierungsbedarf und drückender Schuldenlast sind dann insolvenzgefährdet. Mit weiter steigenden Zinsen würden Stellen abgebaut, Verbraucher ihren Konsum einschränken, Immobilieneigentum zwangsversteigert und Abschreibungen Löcher in die Bilanzen der regionalen Banken reißen. Die Wirtschaft würde erlahmen.

Eine solche Rezession bei gleichzeitig hohen Zinsen würde besonders den Mittelstand belasten, und hier vor allem die kleinen und kleinsten Mittelständler. Diese Unternehmen sind häufig regional verwurzelt, nur mit einem Produkt unterwegs und haben keine Möglichkeiten zur Finanzierung plötzlicher Umbrüche, wie etwa in der Energiekrise. Ohne Finanzierungsoptionen bleibt dann nur die Liquidation. Beispiele dafür gibt es bereits.

Angesichts der vielen aufgelaufenen Krisen – sei es die Corona-Pandemie oder der Ukraine-Krieg – haben sich die Mittelständler bislang extrem flexibel und widerstandsfähig gezeigt. Selbst wenn das für die Unternehmen bedeutet, ins Ausland zu gehen oder sich über das Ausland zu finanzieren, wie die Beispiele Neue Zahnradwerk Leipzig und PCC aus Duisburg zeigen. Der gehobene und große Mittelstand ist in der Regel breiter aufgestellt und bietet mehrere Produkte und Dienstleistungen an. Außerdem haben die meisten ein ausgeprägt gutes Risikomanagement.

Wie gut der Mittelstand mit dem schwierigen Marktumfeld zurechtkommt, zeigt auch der KfW-ifo-Mittelstandsbarometer vom April: Die Stimmung im Mittelstand ist auf dem höchsten Niveau seit Januar 2022 angelangt. Das Geschäftsklima ist damit fast so gut wie unmittelbar vor Kriegsausbruch in der Ukraine. Im Gegensatz dazu zeigen sich nur mäßige Verbesserungen beim Geschäftsklima der Großunternehmen.

Der Kapitalmarkt zeichnet ein gegenteiliges Bild. Die Kurse der großen Mittelständler sind weiterhin unter Druck, während die Aktienindizes der Schwergewichte bereits Anlauf auf neue Rekordhochs nehmen – trotz hoher Inflation und Rezessionsgefahr. Zudem erhöhen die enormen Kursgewinne des ersten Quartals am Aktienmarkt die Rückschlaggefahr, selbst Dividendenkürzungen sind in diesem Marktumfeld möglich. 

Finanzierungsbedarf ist da, das Timing schlecht

Auch die widerstandsfähigen Mittelständler benötigen immer wieder frisches Kapital, um sich den Marktgegebenheiten anzupassen. Der Einbruch am Anleihemarkt hat die Refinanzierung über den Kapitalmarkt für Mittelständler massiv verteuert. Mittlerweile müssen sie regelmäßig Zinskupons von sieben bis acht Prozent bieten, um Investoren zu gewinnen. Aktuell gibt es sogar Anleihen mit einem Einstandskupon von bis zu zwölf Prozent. Ob das Erfolg hat, ist noch nicht ausgemacht. 

Die im Vergleich zu niedrigen Anleihekurse sind für den Mittelstand fatal. Nach dem Crash am Anleihemarkt sind auch die platzierten Volumina deutlich geschrumpft. In der Vergangenheit lagen die Anleiheemissionen, mit wenigen Ausnahmen, bei 20 Millionen Euro aufwärts. Jetzt hoffen die Mittelständler eher auf Investorengelder zwischen 3 und 10 Millionen Euro. 

Da der Mittelstand nach wie vor das Herz der deutschen Wirtschaft ist, der Kern unserer volkwirtschaftlichen Produktivität, sollte sich der Blick der Notenbank vor allem auf die Geschäftsentwicklung und Finanzierungsbedürfnisse der kleinen und mittelgroßen Unternehmen richten, wenn es um die nächsten Zinsschritte geht. Für den Mittelstand wäre eine Pause bei den Zinserhöhungen besonders wichtig – und täte nebenbei auch dem Anleihemarkt gut. Viele Mittelständler hätten aufgrund ihrer Widerstandsfähigkeit und der guten Geschäftsperspektiven durchaus eine höhere Börsenbewertung verdient.

Über den Autor

Hans-Jürgen Friedrich ist Gründer und Vorstandsvorsitzender der KFM Deutsche Mittelstand AG. Friedrich unterstützt ehrenamtlich als Vize-Präsident den KMU-Verband und wurde Oktober 2020 als Berater in die TESG Arbeitsgruppe der EU Generaldirektion (FISMA) berufen.

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Über die KFM Deutsche Mittelstand AG

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