Mit Kritik reagiert der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU e.V.) auf den zustimmenden Beschluss der Ampelkoalition, dass Krankenhäuser zukünftig keine Fälle mehr an Praxen weiterverweisen dürfen. Dazu Dr. Burkhard Lembeck, BVOU-Präsident: „Alle Bemühungen, das Krankenhauspersonal zu entlasten, alle Bemühungen sich auf echte Notfälle zu fokussieren werden konterkariert. Man handelt gegen die Empfehlungen der Regierungskommission und gegen den Sachverstand der Fachgesellschaften. Ein Lehrstück für Realitätsferne!“

Hintergrund ist ein Änderungsantrag der Ampelkoalition, welcher ohne Vorankündigung in den Entwurf eines Gesetzes zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz – PUEG) eingebracht wurde. Die Zustimmung fand am Freitag, den 26. Mai 2023 statt.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) war im Vorfeld beauftragt worden, Richtlinien für eine qualifizierte und standardisierte Ersteinschätzung des medizinischen Versorgungsbedarfs zu erstellen, die festlegen sollten, nach welchen Kriterien in die verschiedenen Versorgungsebenen gesteuert werden sollen. Neben der Behandlung schwerer Fälle in der Notaufnahme eines Krankenhauses war geplant, dass Patientinnen und Patienten durch diese qualifizierte Ersteinschätzung je nach Tageszeit an Notdienst- oder Facharztpraxen weitergeleitet werden.

Laut der in letzter Minute eingebrachten Änderungen der Ampelkoalition sollen nun Patienten, die die Notaufnahme von Krankenhäusern aufsuchen, ohne klassische Notfälle zu sein, ausschließlich im Krankenhaus oder in Notfallpraxen am Krankenhaus weiterbehandelt werden. Eine Weiterleitung in die vertragsärztliche Versorgung soll nicht mehr möglich sein.

„Die Arbeit des GBA, der an einem Vorschlag zur Neuorganisation der Notfallversorgung intensiv arbeitet und der bereits weit fortgeschritten ist, wird mit diesem Änderungsantrag konterkariert und die Selbstverwaltung insgesamt ausgehebelt“, mahnt Dr. Burkhard Lembeck. „In den Krankenhäusern laufen bereits jetzt viele Patienten auf, die keine Notfälle sind. Diese Situation wird durch den aktuellen Änderungsvorschlag nun exponentiell verschärft“.

Der Vorschlag des BVOU-Präsidenten zur Notfallreform: „Orthopäden und Unfallchirurgen fordern seit langem die Fokussierung auf echte Notfälle, eine Entlastung durch Wegnahme von Bagatellen und den Schutz der 24/7 arbeitenden Kolleginnen und Kollegen. Wir stellen fest: Das Personal, das rund um die Uhr arbeitet, die Kolleginnen und Kollegen im Schockraum haben keine Lobby! Neben dem Polytrauma sollen Sie auch den eingewachsenen Zehennagel nachts versorgen. Irgendwann wird auch der letzte motivierte Mitarbeiter das System verlassen haben!“

Der BVOU hatte bereits im vergangenen Herbst mit Unterstützung der DGOU (Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie) ein Eckpunktepapier zur ambulanten Versorgung von Notfällen in Orthopädie und Unfallchirurgie erarbeitet, das auch vom Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC) mitgetragen wird. Es liefert neben einer umfassenden Analyse die Eckpunkte für eine leitliniengerechte Versorgung und bietet konkrete, einfach umsetzbare Lösungsvorschläge zur Entlastung der Notaufnahmen an. Die qualifizierte Ersteinschätzung sollte in diesem Vorschlag auch telefonisch, z.B. über die Notrufnummer 116 117, möglich sein und Notfallpatienten in die für sie passende Versorgungsstruktur weiterleiten. Nur so können Ressourcen geschont und Überlastungsspitzen in den Versorgungsebenen vermieden werden.

Dr. Lembeck kritisiert: „Die Vorschläge der Fachgesellschaften und Berufsverbände, der Sachverstand der Regierungskommission zur Reform der Notfallversorgung werden mit dem Beschluss zunichte gemacht!“

Weitere Informationen und Eckpunktepapier zur Notfallversorgung: www.bvou.net/positionspapier-notfallversorgung

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Der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU) ist die berufspolitische Vertretung für mehr als 7.000 in Praxis und Klinik tätigen Kollegen und Kolleginnen. Der BVOU setzt die beruflichen Interessen seiner Mitglieder durch, indem er zum Vorteil der Patienten und des Gemeinwohls gemeinsam mit den wissenschaftlichen Gesellschaften den Standard orthopädisch-unfallchirurgischer Versorgung entwickelt, die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen prägt und dadurch die öffentliche Wahrnehmung seiner Mitglieder als Experten für orthopädisch-unfallchirurgische Versorgung gestaltet.

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