Die Inflationserwartungen der vom ZEW Mannheim befragten Finanzmarktexpertinnen und -experten für den Euroraum stabilisieren sich im Mai 2023 auf hohem Niveau. Für die kommenden Jahre wird mit einem Rückgang der Inflation gerechnet, das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) wird voraussichtlich erst nach 2025 erreicht werden. Während eine große Mehrheit der Befragten besorgt auf die Lohnentwicklung im Euroraum blickt, führten Entwicklungen bei Energiepreisen und bei der EZB-Geldpolitik bei einigen Teilnehmenden zu rückläufigen Inflationserwartungen. Für das Jahr 2023 erwarten die Experten/-innen mindestens einen weiteren Zinsschritt von der EZB. In den Jahren 2024 und 2025 sollen die EZB-Zinsen wieder schrittweise fallen. Dies sind die Ergebnisse der Sonderfrage des ZEW-Finanzmarkttests vom Mai 2023, in der die Befragten ihre Einschätzung der Inflations- und Leitzinsentwicklung in der Eurozone für den Zeitraum 2023 bis 2025 abgaben.

„Erstmals seit Anfang 2021 sehen wir keinen Anstieg der Inflationserwartungen der Finanzmarktexpertinnen und -experten mehr. Die Erwartungen stabilisieren sich allerdings auf einem hohen Niveau, sodass die Inflationsraten bis zum Jahr 2025 weiterhin deutlich über dem 2-Prozent-Ziel der EZB liegen dürften. Wie bereits im Februar 2023 wurde die Lohnentwicklung im Euroraum als wichtiger Inflationstreiber genannt. Allerdings tragen sinkende Energiepreise und die aktive Zinspolitik der EZB dazu bei, dass einige Befragte im Mai 2023 von etwas niedrigeren Inflationsraten ausgehen als noch im Februar 2023“, kommentiert Dr. Frank Brückbauer, Advanced Researcher im ZEW-Forschungsbereich „Altersvorsorge und nachhaltige Finanzmärkte" das Ergebnis.

Leichter Rückgang bei Inflationserwartungen

Die Finanzmarktexpertinnen und -experten erwarten in der Umfrage vom Mai 2023 für die Jahre 2023, 2024 bzw. 2025 im Median Inflationsraten von 5,8, 3,5 bzw. 2,5 Prozent. Eine Mehrheit erwartet somit nicht, dass die EZB im Zeitraum von 2023 bis 2025 ihr Inflationsziel von zwei Prozent erreichen kann. Nachdem die Inflationserwartungen für das Jahr 2023 seit Beginn der Erhebung ausschließlich gestiegen sind, gehen diese im Mai 2023 zum ersten Mal leicht zurück. So betrug die Medianprognose für das Jahr 2023 im Februar 2023 noch 6,0 Prozent. Die Medianprognosen für die Jahre 2024 und 2025 bleiben dagegen gegenüber Februar 2023 unverändert.

Löhne und grüne Transformation Inflationstreiber

Der Blick auf die Prognosetreiber zeigt, dass die Entwicklung der Löhne im Euroraum weiterhin für negative Überraschungen sorgt. Eine deutliche Mehrheit von 70 Prozent der Finanzmarktexpertinnen und -experten gibt an, dass sie ihre Inflationsprognosen aufgrund der Entwicklung der Löhne seit Februar 2023 erhöht haben. Rund 14 Prozent der Befragten gibt sogar an, dass sie ihre Prognosen stark erhöht haben. Auch die grüne Transformation der Wirtschaft wird überwiegend als Inflationstreiber betrachtet. Knapp die Hälfte der Expertinnen und Experten haben ihre Prognosen aufgrund dieser erhöht. Die Entwicklung der Energiepreise sowie die Geldpolitik der EZB werden dagegen überwiegend als deflationär gewertet. So geben rund 48 bzw. rund 39 Prozent der Befragten an, dass sich die Entwicklung dieser Faktoren seit Februar 2023 negativ auf ihre Inflationsprognosen ausgewirkt hat.

ÜBER DIE BEFRAGUNG

Der ZEW-Finanzmarkttest ist eine seit Dezember 1991 durchgeführte Umfrage, in der monatlich die Erwartungen über die Entwicklung wichtiger internationaler Volkswirtschaften erhoben werden. Derzeit sind dies Deutschland, das Eurogebiet, die Vereinigten Staaten von Amerika sowie China. Insgesamt besteht das Panel aus etwa 350 Finanzanalysten aus Banken, Versicherungen und großen Industrieunternehmen. Angesprochen werden die Experten/-innen der Finanz-, Research- und volkswirtschaftlichen Abteilungen sowie der Anlage- und Wertpapierabteilungen dieser Unternehmen. Die meisten Teilnehmer/innen kommen aus Deutschland.

Die Finanzexpertinnen und -experten werden nach ihren Erwartungen gefragt, die sie auf einen Horizont von 6 Monaten hinsichtlich der Entwicklung der Konjunktur, der Inflationsrate, der kurz- und langfristigen Zinsen, der Aktienkurse und der Wechselkurse haben. Zusätzlich werden sie um eine Einschätzung der Ertragslage in 13 deutschen Branchen gebeten. Neben einem festen Umfrageteil werden laufend zu aktuellen Themen Sonderumfragen durchgeführt. Aus den Erwartungen der Finanzmarktexperten/-innen zur Entwicklung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland werden die ZEW-Konjunkturerwartungen berechnet, die sich als Frühindikator für die Konjunkturentwicklung („ZEW-Index“) etabliert haben. Das ZEW kommuniziert die Ergebnisse des Finanzmarkttests darüber hinaus ausführlich im monatlich erscheinenden ZEW-Finanzmarktreport.

Über ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim

Das ZEW in Mannheim forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung bedeutende Datensätze zur Verfügung. Das Institut unterstützt durch fundierte Beratung Politik, Unternehmen und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene bei der Bewältigung wirtschaftspolitischer Herausforderungen. Zentrale Forschungsfrage des ZEW ist, wie Märkte und Institutionen gestaltet sein müssen, um eine nachhaltige und effiziente wirtschaftliche Entwicklung der wissensbasierten europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen. Das ZEW wurde 1991 gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Derzeit arbeiten am ZEW Mannheim rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen rund zwei Drittel wissenschaftlich tätig sind.

Forschungsfelder des ZEW

Altersvorsorge und nachhaltige Finanzmärkte; Arbeitsmärkte und Sozialversicherungen; Digitale Ökonomie; Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik; Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik; Marktdesign; Umwelt- und Klimaökonomik; Ungleichheit und Verteilungspolitik; Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft.

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Advanced Researcher im ZEW-Forschungsbereich „Altersvorsorge und nachhaltige Finanzmärkte“
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