Das Handwerk ist bundesweit einer der größten Ausbilder. 28,7 Prozent aller Auszubildenden in Deutschland sind im Handwerk tätig. Doch es könnten noch mehr sein. Überall. Auch im Gebiet der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald. Dort waren im vergangenen Jahr insgesamt 4.192 junge Menschen in Ausbildung. 1.662 davon haben 2022 ihre Lehre begonnen – ein Prozent mehr als im Vorjahr. Ausreichend ist das minimale Plus nicht. Die regionalen Handwerksbetriebe würden sich über mehr Nachwuchs freuen. Doch der ist rar. Und so machen sich viele Gedanken darüber, wie man junge Leute ansprechen und gewinnen kann. Ein Beispiel ist das Sanitätshaus Fuchs & Möller in Mannheim. Ein Betriebsbesuch:

Wer Sebastian Hannen reden hört, merkt gleich, wie viel ihm an seinem Beruf liegt. „Herzensberuf“ nennt er ihn selbst. Der Orthopädietechnik-Mechaniker-Meister schätzt, was er tut. Und diese Leidenschaft möchte er auch weitergeben. Seit acht Jahren ist er beim Gesundheitshaus Fuchs & Möller in Mannheim nicht nur Produktionsleiter, sondern auch für die Azubis zuständig. Das Unternehmen tut eine Menge für seinen Nachwuchs und konnte die freien Lehrstellen bislang immer besetzen. Doch dass es zunehmend schwieriger wird, merkt man auch hier. Die drei Stellen zum Ausbildungsstart im kommenden September sind mittlerweile besetzt. „Es hat aber länger gedauert als sonst“, sagt Sebastian Hannen.

Die Entwicklung zeichnet sich im Handwerk seit Jahren ab. Man will ausbilden, doch es fehlt an jungen Leuten. Im demographischen Wandel liegt ein Grund. Über andere kann man nur mutmaßen. Bezahlung. Bekanntheit. Anforderungen. Dass sich Betriebe auf neue Verhältnisse einstellen müssen, ist klar. Bei Fuchs & Möller hat man deshalb schon vor geraumer Zeit darüber nachgedacht, wie es weiterhin gelingen kann, den dringend benötigten Nachwuchs zu gewinnen. Es entstand eine Projektgruppe, die sich verschiedener Fragestellungen annahm. Eine davon: Wie machen wir den Beruf des Orthopädietechnik-Mechanikers bekannter?

Heute ist es so, dass die Azubis selbst von ihrem Ausbildungsberuf erzählen. Es gibt einen Azubi-Tag im Unternehmen, den die jungen Leute komplett eigenständig organisieren. „Es war uns wichtig, dass sie dieses Projekt selbst mit Leben füllen – und zwar als Team, das von den Azubis in der Verwaltung bis zu den Azubis in den Werkstätten alle einschließt“, sagt Sebastian Hannen. Der Betrieb bildet nicht nur zum Orthopädietechnik-Mechaniker, sondern auch zum Orthopädieschuhtechniker und in den vier kaufmännischen Bereichen Gesundheitswesen, Bürokommunikation, Einzelhandel sowie Groß- und Außenhandel aus. Flyer, Werbung in den Schulen, Gestaltung vor Ort – alles kommt vom Nachwuchs. Der Azubi-Tag hat damit ein anderes Standing und ist durch und durch authentisch.

Darüber hinaus setzt Fuchs & Möller auf die Attraktivität der Ausbildung. Es gibt ein hausinternes Weiterbildungsprogramm mit ein bis zwei Schulungen im Monat und mehrere Themenblöcke mit Referenten aus anderen Häusern, sodass die Wissensvermittlung breit aufgestellt ist und Azubis über den Tellerrand des eigenen Kerngebiets hinausblicken können. Sogar eine Azubi-Woche in Bayern gehört dazu, bei der sich alle kennenlernen, in einem eigenen Projekt eine Patientenjourney durcharbeiten und in Softskill-Schulungen auch Themen wie Selbstreflexion und Zeitmanagement angehen.

Dabei kommt es dem einstigen Familienunternehmen entgegen, im Verbund zu agieren. Seit 2021 ist das Mannheimer Sanitätshaus 100-prozentige Tochter der OPED GmbH. Die sechs unter dem Hauptdach zusammengeschlossenen Sanitätshäuser profitieren gegenseitig von ihrer jeweiligen Expertise und pflegen einen bereichernden Austausch. „Es gibt Themen, die alle gleich betreffen“, sagt Sebastian Hannen. Die Nachwuchsgewinnung zählt dazu. Und so haben die Häuser auch gemeinschaftlich beschlossen, ihre Attraktivität für Lehrlinge mit entsprechenden Investitionen zu steigern. Neben einem Zuschuss zum Deutschlandticket liegt auch der Ausbildungslohn über dem gängigen Satz. „Die Ausbildung in der Orthopädietechnik ist anspruchsvoll“, erklärt Sebastian Hannen. Oftmals seien es daher Abiturienten oder schon etwas ältere junge Erwachsene, die sich dafür interessieren. „Da sollte das Gehalt schon so sein, dass man sein Zimmer bezahlen kann.“

Nachdem die Ausbildungszeit von ehemals 3,5 auf nunmehr nur noch drei Jahre reduziert wurde, sind die Herausforderungen umso größer. „Das ist mehr als knapp“, findet der Ausbilder. „Wir verkürzen deshalb auch nicht. Drei Jahre Ausbildung müssen in unserem Bereich mindestens sein.“ Zumal die Orthopädietechnik heute vereint, was früher noch zwei eigenständige Berufe waren: Orthopädiemechaniker und Bandagist. Wer sich der Herausforderung stellt, kann aber das bekommen, was Sebastian Hannen an seinem „Herzensberuf“ so mag: ein überaus vielfältiges Aufgabengebiet, bei dem verschiedenste Materialien handwerklich präzise verarbeitet werden, es auch anatomisch-medizinische Kenntnisse braucht und moderne Techniken kontinuierlich Einzug halten. Bei Fuchs & Möller arbeitet man beispielsweise mit dem 3D-Drucker oder modelliert am Computer. „Das geht drei bis vier Mal so schnell wie händisch“, so Hannen. Es brauche den Schritt zur Digitalisierung, um den Fachkräftemangel auszugleichen. „Selbst wenn alle Betriebe in Deutschland ausbilden, würde es auf Dauer nicht reichen, alle Patienten zu versorgen.“ Fuchs & Möller ist in der Region einer der größten Orthopädietechnik-Ausbilder mit derzeit sechs Lehrlingen in der Produktion. Im September kommen die drei Neuen hinzu. „Wir sind als Ausbildungsbetrieb mit unserem Angebot ganz sicher sehr gut aufgestellt“, sagt Sebastian Hannen. „Darauf ausruhen können wir uns aber nicht.“

Beratung für Azubis und Ausbildungsbetriebe bietet die Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald über ihre Ausbildungs- und Nachwuchssicherungsberater, Telefon 0621 18002-0. Informationen rund um die Ausbildung im Handwerk gibt es zudem auf der Website zur regionalen Ausbildungskampagne der Handwerkskammer auf www.handwerk-das-isses.de.

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