„Der Wohnungsbau gerät zunehmend ins Schleudern. Nachdem die Genehmigungszahlen in Bayern in der zweiten Hälfte 2022 deutlich nachließen, wurde gehofft, dass sich die Zahlen im Jahr 2023 erholen werden. Doch stattdessen geht es aktuell weiter rapide nach unten“, analysiert Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts. „Die Kostensteigerungen bei den Baupreisen und somit die schwer kalkulierbaren Projektkosten bei gleichzeitiger Zurückhaltung der Kaufinteressenten hemmen die Tätigkeit der Bauträger und somit den Neubau enorm.“

In Zahlen ausgedrückt: Zwischen Januar und April 2023 wurden bayernweit ein knappes Drittel (-32 %) weniger Wohnungen genehmigt als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Die Zahl der Baugenehmigungen lag in den ersten 4 Monaten 2023 bei lediglich 16.289 Wohneinheiten (das entspricht durchschnittlich rd. 4.070 Wohneinheiten monatlich). Im entsprechenden Vorjahreszeitraum, also noch vor Beginn der Trendwende am Immobilienmarkt, wurden im Schnitt 23.890 Wohnungen (durchschnittlich rd. 5.970 Wohneinheiten monatlich) genehmigt.

„Im veränderten makroökonomischen Kontext können die meisten Bauträger aktuell keinen großen Sprung nach vorn wagen, viele der für 2023 vorgesehenen Neubaustarts wurden verschoben oder gestoppt“, analysiert Prof. Stephan Kippes die derzeitige Marktsituation. „Jetzt geht es darum, dass die großen Gesellschaften aus dem Neubaugeschäft nicht aussteigen und ihre Entwicklungsarbeiten nicht einstellen. Die jetzige Phase kann dazu genutzt werden, Baugenehmigungen für Projekte einzuholen, um startbereit zu sein, sobald die Rahmenbedingungen wieder passen.“

In München entfaltet neben der Zinsen-Trendwende die erhebliche Verschärfung der SoBoN eine massive Bremswirkung, die die Schaffung frei finanzierter als auch geförderter Wohnungen verhindert. SoBoN steht für Sozialgerechte Bodennutzung; sie wird bei allen Bebauungsplänen angewendet, die Kosten und Lasten auslösen und zu einer deutlichen Bodenwertsteigerung führen. „Es ist allerdings wichtig, dass die SoBoN so ausgestaltet ist, dass die Bauträger nicht deshalb ihre Aktivitäten herunterfahren. In der jetzigen Situation rächt sich aber bitter, dass die Stadt 2021 die Schraube bei der SoBoN erheblich zu stark angezogen hat“, so Prof. Stephan Kippes.

In München sind die Baugenehmigungszahlen im April 2023 mit 233 genehmigten Wohneinheiten drastisch zurückgefallen, nachdem im ersten Quartal 2023 noch monatlich durchschnittlich 756 Baugenehmigungen erteilt wurden. Für das gesamte Jahr 2022 belief sich die durchschnittliche monatliche Genehmigungszahl auf 556.

Grundsätzlich wird immer ein gewisser Teil der Baugenehmigungen nicht oder zeitlich stark verzögert realisiert; man spricht dann vom „Bauüberhang“. Es ist zu befürchten, dass der Bauüberhang angesichts der verschärften Rahmenbedingungen nach oben schnellt und die Wohnungsprobleme weiter verschärft.

Die Auftragseingänge im bayerischen Bauhauptgewerbe verdeutlichen die prekäre Lage: Im 1. Quartal 2023 beliefen sich die Auftragseingänge bayernweit in der Sparte Wohnbau auf rd. 1,1 Mrd. € (was monatlich durchschnittlich 369,3 Mio. € entspricht), das sind 22 % weniger als im entsprechenden Vorjahresquartal mit 1,4 Mrd. € (monatlich im Schnitt 472,8 Mio. €).

In der Landehauptstadt München fiel der Rückgang der Auftragseingänge im Wohnbau mit -12 % zwar etwas moderater, aber dennoch sehr stark aus.

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