Die Kommentierung ist in ihren Ausführungen und Vorschlägen bewusst knappgehalten und fokussiert sich auf jene Sachverhalte mit besonderer Bedeutung für die Hausärztinnen und Hausärzte. Wir behalten uns vor, zusätzliche Aspekte im Laufe des weiteren Verfahrens einzubringen oder zu kommentieren.

I. Allgemeines

Die mit dem Referentenentwurf verfolgten Ziele, insbesondere der Abbau bürokratischer und organisatorischer Hürden bei der Datennutzung sowie die Verbesserung der Nutzbarkeit von Gesundheitsdaten werden seitens des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes e. V. begrüßt. Werden mehr Gesundheitsdaten für die medizinische Forschung bereitgestellt, wird sich dadurch die Versorgung der Bevölkerung weiter verbessern.

Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der automatisierten Verarbeitung zu Zwecken des Gesundheitsschutzes sowie zur Vorabübermittlung von vorläufigen Daten und anderen Punkten wird Änderungsbedarf gesehen, zu dem wir nachfolgend im Einzelnen Stellung nehmen.

II. Kommentierung einzelner Regelungen

A. § 287a Absatz 2 SGB V – Automatisierte Verarbeitung zu Zwecken des Gesundheitsschutzes
Da bei den gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen umfangreiche versichertenindividuelle Daten vorliegen, in denen zahlreiche Informationen über medizinisch und pflegerisch relevante Sachverhalte wie Diagnosen und verordnete Arzneimittel von verschiedenen Leistungserbringern zusammenfließen, sollen diese Daten zur Erkennung von potenziell schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken genutzt werden. Die Regelung in § 287a Absatz 2 SGB V (neu) soll den Kranken- und Pflegekassen zukünftig die automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten der Versicherten ohne deren konkrete Einwilligung ermöglichen, wenn eine akut oder potenziell schwerwiegende Gesundheitsgefährdung droht, die im regelhaften Versorgungskontext ansonsten nicht oder erst deutlich später erkennbar wäre.

Sofern eine konkrete Gesundheitsgefährdung erkannt wird, sind Kranken- und Pflegekassen dazu verpflichtet, den davon betroffenen Versicherten auf geeignetem Weg unverzüglich zu informieren und die Kontaktaufnahme mit einem geeigneten Leistungserbringer zu empfehlen. In besonders dringenden Fällen sollte die Kontaktaufnahme telefonisch erfolgen.

Unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes erscheint der Prozess der automatisierten Verarbeitung von Gesundheitsdaten, die einen besonderen Schutz in der DSGVO genießen, zweifelhaft: Hochsensible Gesundheitsdaten sollen über einen nicht näher bestimmten Algorithmus analysiert werden, ohne entsprechende Einwilligung der Versicherten. Bei dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Umfang des Zugriffs der Krankenkassen auf die Gesundheitsdaten der Versicherten ist ein Widerspruchsrecht zu wenig. Nach diesseitiger Auffassung muss der Prozess vielmehr so ausgestaltet werden, dass den Versicherten die Möglichkeit eingeräumt wird, aktiv in den Prozess der Nutzung ihrer sensiblen Daten einzuwilligen.

Wird durch den Algorithmus eine konkrete Gesundheitsgefährdung erkannt, werden die Patientinnen und Patienten unkoordiniert und ohne weiteren Kontext durch die Kranken- und Pflegekassen in die Arztpraxen geleitet. Zum einen dürfte es bei Patientinnen und Patienten zu einer unverhältnismäßig hohen Verunsicherung führen, von ihrer Krankenkasse über eine kritische Gesundheitsgefährdung ohne nähere Beschreibung und damit ohne die Möglichkeit einer realistischen Einschätzungsmöglichkeit der Situation informiert zu werden, zum anderen werden die Arztpraxen mit unkoordinierten Patientenkontakten konfrontiert. Letzteres bedeutet einen hohen Arbeitsaufwand in den Praxen, Patientinnen und Patienten müssen beruhigt und behandelt werden.

Hinzu kommt, dass die Warnungen, nicht wissenschaftlich medizinisch evaluiert sind. Sie folgen keinen evidenzbasierten Kriterien. Wir empfehlen daher, diese Regelung zu streichen.

B. § 295b – Vorabübermittlung von vorläufigen Daten zur Abrechnung bei ärztlichen Leistungen
§ 295b SGB V (neu) sieht eine Vorabübermittlung unbereinigter Daten für die Abrechnung der Vergütung der Leistungen der vertragsärztlichen Versorgung von den Kassenärztlichen Vereinigungen vor. Ziel ist, diese Daten mit einem deutlich geringeren Zeitablauf zu Forschungszwecken verfügbar zu machen.

Die Validität der Daten erscheint allerdings fraglich: da es sich um unbereinigte Daten handelt, geben sie möglicherweise nicht ein reelles Bild des Leistungsgeschehens in der ambulanten Versorgung wieder. Der Erkenntnisgewinn aus ungeprüften Daten dürfte für die Forschung eher zweifelhaft sein.

Zudem sollen nach lang gelebten Grundsätzen zwischen abrechnender Ärztin oder Arzt und der Krankenkasse immer die Kassenärztlichen Vereinigungen als Vermittler stehen. Das sollte auch im Verhältnis zum Forschungsdatenzentrum gelten. Mit der Weitergabe von unbereinigten Daten würde allerdings mit diesem Grundsatz gebrochen werden.

C. § 363 SGB V – Verarbeitung von Daten der elektronischen Patientenakte zu Forschungszwecken
Für die Datenfreigabe aus der elektronischen Patientenakte soll ein Opt-Out-Verfahren eingeführt werden. Ziel ist es, eine bessere Nutzbarmachung der Daten aus der elektronischen Patientenakte des Forschungsdatenzentrums zu erreichen. Versicherte sollen zukünftig auch im Opt-Out weiterhin selbst entscheiden, ob die eigenen Daten aus der elektronischen Patientenakte für die Forschung oder für weitere Zwecke an das Forschungsdatenzentrum ausgeleitet werden dürfen.

Zu bedenken ist allerdings, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch offen ist, wie die Krankenkassen dem umfassenden Informationsbedarf der Versicherten bewältigen wollen. Es ist daher zu befürchten, dass Anfragen rund um die Verarbeitung von Daten der ePA in die Hausarztpraxen verlagert werden, da für die Patientinnen und Patienten der Hausarzt ein erster Ansprechpartner ist. Hausärztinnen und Hausärzte sowie ihre Teams sind aber in erster Linie für die medizinische Behandlung der Patienten verantwortlich und nicht IT-Dienstleister der Krankenkassen, die Verwaltungsabläufe abklären. Wir regen an, dies im Gesetz klarzustellen.

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