Hautkrebs ist immer noch die häufigste Krebserkrankung in Deutschland mit der größten Steigerungsrate. Trotz immenser medizinischer Fortschritte hat sich die Zahl der Neuerkrankungen in den letzten zwanzig Jahren auf jährlich mehr als 310.000 nahezu verdoppelt. Beim 33. Deutschen Hautkrebskongress vom 6.– 9. September 2023 in Hamburg werden neue Erkenntnisse in der Therapie, Prävention, Diagnostik und Grundlagenforschung verschiedener Hautkrebsarten vorgestellt, unter anderem zum Basalzellkarzinom, Plattenepithelkarzinom der Haut, Merkelzellkarzinom und zum gefährlichen schwarzen Hautkrebs, dem malignen Melanom. Tagungspräsidenten sind Prof. Dr. Christoffer Gebhardt, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), und Dr. Peter Mohr, Elbe Klinikum Buxtehude. Prof. Gebhardt gibt im Interview erste Einblicke in den aktuellen Wissensstand und neue Entwicklungen in der Melanomtherapie. Im Jahr 2021 gab es über 42.000 neuerkrankte Melanompatienten in Deutschland, Tendenz weiter steigend.  

Beim Melanom hat die moderne Immuntherapie mit sogenannten Checkpoint-Inhibitoren ihren Anfang genommen, bahnbrechend für die gesamte Onkologie. Seit der Zulassung von Ipilimumab 2011 gibt es eine ganze Reihe von Neuentwicklungen von Checkpoint-Inhibitoren, die inzwischen auch bei anderen Krebsformen wie Lungenkrebs oder Brustkrebs zugelassen sind. Was gibt es Neues beim Melanom?  

Prof. Gebhardt: Tatsächlich ist unglaublich viel passiert. Langzeitdaten bestätigen, dass die kombinierte Immuntherapie mit Checkpointhemmern zu langfristigen Überlebensvorteilen bei Melanompatienten führt. Wir gehen davon aus, dass heutzutage bis zur Hälfte aller fortgeschrittenen Fälle eine Chance auf eine sogenannte funktionelle Heilung haben.Bei den Checkpoint-Inhibitoren haben wir neue Daten zur sogenannten LAG-3-/PD-1-Antikörperkombination beim fortgeschrittenen Melanom. Diese neue Therapie wurde im vergangenen Jahr zugelassen, ist in Europa (mit ganz wenigen Ausnahmen) aber leider nicht in den Handel gekommen. Daten eines weiteren Herstellers, der die europäische Zulassung beabsichtigt, werden beim Kongress diskutiert. Es gibt jetzt weitere Studienkonzepte zur kombinierten Antikörpertherapien, darunter auch eine gerade gestartete Phase-3-Zulassungsstudie mit einer TIGIT-/PD-1 Kombination.  

Das wirklich Bahnbrechende, ein absolutes Highlight, sind die Daten zur personaliserten mRNA-Vakzinierung. Im Dezember wird auch in Deutschland eine große weltweite Zulassungstudie für eine personalisierte mRNA-Vakzine starten, eine individualisierte Neoantigentherapie. Das Konzept wird nicht nur von Moderna, sondern gleichzeitig auch von Biontech und Curevac verfolgt. Die ersten Phase-2-Daten, veröffentlicht in diesem Jahr, stimmen wirklich hoffnungsfroh.  

Während der Covid-19-Pandemie haben wir weltweit von der mRNA-Technologie profitiert, die seit 2020 für Corona-Impfstoffe verwendet wurde. Die schnelle Entwicklung wirksamer verfügbarer Vakzine verhinderte vor allem schwere Covid-19-Erkrankungen. Ursprünglich wurde diese Technologie als immunologische Therapie gegen Krebs entwickelt.Worum geht es bei der personalisierten mRNA-Vakzinierung bei Melanompatienten?

Prof. Gebhardt: Es geht darum, für Patienten mit metastasierter oder Hochrisiko-Melanomerkrankung eine individualisierte mRNA-Vakzine herzustellen und mit einer Checkpoint-Inhibition zu kombinieren. Dabei werden für jeden Patienten anhand einer Sequenzierung einer Tumorgewebeprobe individuelle Mutationen identifiziert, wovon die relevantesten, für die immunogensten Neoantigene kodierenden Sequenzen in Form von mRNA in eine Genfähre (Vektor) eingebracht werden. Diese wird dann in Lipidtröpfchen, sogenannten Lipid Nanopartikeln, verpackt und dann intramuskulär oder intravenös dem Patienten gespritzt. Da die Herstellung dieser personalisierten Vakzine etwa sechs Wochen benötigt, erhielten in der randomisierten zweiarmigen Phase-II Studie Keynote 942 die Melanompatienten im resezierten Stadium IIB-IV im Kombinationsarm der Studie zunächst den PD-1 Antikörper Pembrolizumab und im Verlauf dann bis zu neun Vakzinierungen parallel zu den Antikörper-Infusionen über 12 Monate; im Kontrollarm erhielten die Patienten eine PD-1 Monotherapie ebenfalls über 12 Monate. Erstmals konnte in dieser Studie gezeigt werden, dass eine mRNA-Krebsvakzine, die auf individuellen Mutationen im Tumor des Patienten beruht, ein Wiederauftreten der Erkrankung (Rezidiv) wirksam verhindern kann. Verglichen mit dem aktiven Kontrollarm hatten Patienten im Kombinationsarm ein 66 Prozent niedrigeres Risiko ein Rezidiv in Form einer Fernmetastasierung zu erleiden. Besonders erfreulich stimmt zudem, dass die Kombinationstherapie ebenso gut verträglich erscheint wie die alleinige Antikörpertherapie. Diese wirklich bahnbrechenden Daten haben dazu geführt, dass jetzt eine groß angelegte Phase-III Zulassungsstudie mit Melanompatienten in resezierten Stadien IIB bis IV gestartet werden soll.  

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Neoadjuvante Therapie – eine Behandlungsmethode im Vorfeld einer operativen Entfernung des Tumors mit dem Ziel, die Tumorgröße zu reduzieren.

Prof. Gebhardt: Eine neoadjuvante Therapie wird für Melanompatienten mit operablen Lymphknoten-Metastasen durchgeführt, die erst einmal nicht operiert sondern kurzfristig mit einem PD-1-Checkpointblocker behandelt werden. Nach der sich anschließenden Resektion haben die Patienten im Rahmen der SWOG-S1801 Studie eine adjuvante Immuntherapie über ein Jahr erhalten. Das Spannende ist, dass die Phase-II-Daten eine 42 %ige Risikoreduktion für einen Rückfall in der perioperativen Kohorte andeuten im Vergleich zur alleinigen adjuvanten Therapie. Das sind sehr spannende Daten, die ein neues Feld eröffnen. 

Ist es möglich, dass den Patienten diese erfolgversprechende Therapie schon jetzt angeboten werden kann? 

Prof. Gebhardt: In der Tat, dieKombination Neoadjuvanz-Adjuvanz – wir nennen das Perioperative Therapie -, würden wir unseren Patienten gern jetzt schon anbieten. Das Konzept ist so aber leider noch nicht zugelassen, wird aber, davon bin ich überzeugt, ein zukünftiger Standard werden. 

Zum Thema Biomarker werden mehrere Symposien auf dem Kongress stattfinden. Welche Entwicklungen gibt es im Bereich der Dermaonkologie, besonders beim Melanom? 

Prof. Gebhardt: Gewebsbasierte Biomarker sind aus dem Primärtumor gemessene Markersignaturen, sogenannte Genexpressionsprofile oder immunhistochemische Profile, die beispielsweise das Risiko einer Metastasierung vorhersagen können. Ein solcher Test mit Namen Melagenix Score wurde jetzt erstmals in einer randomisierten Studie auf seine Eignung zur Selektion von Hochrisiko-Melanompatienten im Stadium II für eine adjuvante Immuntherapie überprüft; diese weltweit für grosse Aufmerksamkeit sorgende NivoMela-Studie wurde in Deutschland initiiert und durchgeführt. Die Studienergebnisse sind noch nicht ausgewertet, also gibt es viel Raum für Spekulationen. Der andere Forschungsbereich sind die Blutbasierten Biomarker unter dem Stichwort „Liquid Biopsy“. Die Möglichkeit, durch eine Blutuntersuchung ein Rezidiv oder ein Therapieversagen bei Krebserkrankungen frühzeitig zu erkennen, ist ein hochaktuelles neues Forschungsfeld. Dazu forschen wir auch in Hamburg am interdisziplinären Fleur Hiege Centrum für Hautkrebsforschung, in dem unser Hauttumorzentrum am UKE und das Institut für Tumorbiologie gemeinsam das Ziel verfolgen, die Erkenntnisse zu solchen Biomarkern in die Klinik zu bringen. Einerseits für die Selektion von Patienten – welche Patienten benötigen eine Therapie und welchen können wir eine Behandlung ersparen? Andererseits für das Therapie-Monitoring – kann man frühzeitig sehen, ob ein Patient von der Therapie profitieren wird oder nicht? Wann ist der richtige Zeitpunkt für den Wechsel auf eine andere Therapie oder das Beenden einer Behandlung? Da sind wir tatsächlich in einer neuen Ära der molekularen Onkologie angelangt mit der Dermatoonkologie als Innovationstreiber. 

Wir bedanken uns herzlich für die spannenden Einblicke! 

33. Deutscher Hautkrebskongress vom 9. – 11. September in Hamburg  

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