Kaum ein Frühstück, Mittag- oder Abendessen wäre wie gewohnt möglich, hätten nicht Tausende kleine, sechsbeinige Helfer ihren Beitrag für die Produktion der Nahrungsmittel geleistet: Äpfel und Aprikosen, Gurken und Kürbisse beispielsweise sind ohne bestäubende Insekten nicht vorstellbar. Das Vorkommen von Schmetterlingen, Wildbienen und Co ist in den zurückliegenden Jahrzehnten stark zurückgegangen. Ein Mangel der Bestäuber hat fatale ökologische und auch ökonomische Folgen. Dem entgegenzuwirken ist Ziel der Vorreiter-Betriebe im Projekt „Insektenfördernde Regionen“ (IFR), das die Bodensee-Stiftung mit Partnern in sieben Regionen durchführt.
Projektregion Nördlicher Oberrhein für mehr Insektenschutz
Der nördliche Oberrhein ist eine der Projektregionen. Auch hier setzen Landwirtinnen und Landwirte verschiedene Maßnahmen um, um die Lebensbedingungen von Insekten in der Fläche zu verbessern. „Warum nicht diese Leistung auf eine genussvolle Weise anschaulich machen?“, fragte sich Dr. Patrick Pyttel, der die Landwirte seitens der Bodensee-Stiftung im Projekt berät. Schließlich bieten die teilnehmenden Betriebe ein umfassendes Angebot – von Getreide über Obst- und Gemüse bis zur Milch- und Fleischproduktion. Robert Kaiser, Geschäftsführer des Hotels und Restaurants Grenzhof in Heidelberg, und ebenfalls als Landwirt im Projekt aktiv, nahm die Idee von Pyttel gerne auf: Am Freitag, 22. September, wird der Grenzhof zu einem „Erntedankfest“ einladen. Küchenchef Sebastian Andrée wird an dem Abend ein einzigartiges Menü bereiten, denn die Zutaten wurden in Harmonie zwischen Naturschutz und Landwirtschaft erzeugt.
„Ich finde die Idee sehr charmant, auf diese Art die Aktivitäten sowohl von Bio- als auch konventioneller Landwirtschaft für mehr Artenvielfalt auf unseren Feldern aufzeigen zu können“, sagt Robert Kaiser. Der Grenzhof ist eine der letzten Freiflächen in der Metropolregion Rhein-Neckar und damit besonders wichtig für den Erhalt der Biodiversität, neben dem Klimawandel die zweite große Herausforderung für die Menschheit. „Biodiversitäts- und Insektenschutz ist ein Teil der gesellschaftlichen Verantwortung. Jeder sollte nach seinen Möglichkeiten etwas dazu beitragen“, sagt Robert Kaiser zur Erläuterung seiner Motivation. Im Laufe des Projekts hat er zum Beispiel auf seinem Betrieb Nützlingsstreifen im Kartoffelfeld angelegt, im Herbst 2022 hat er ein Agroforst-System gepflanzt. „Dabei handelt es sich um Baumreihen bestehend aus Speierling und Elsbeere mit entsprechendem Wert für Insekten auf einer Ackerfläche“, erläutert Dr. Patrick Pyttel. Entsprechend wird Robert Kaiser Kartoffeln und Obst zum Erntedank-Menü beisteuern.
Von der Kartoffel bis zum Wein: Menü aus regionaler Produktion
Darüber hinaus werden sich auf den Tellern finden: Milchprodukte und Fleisch vom Hofgut Schleinkofer (Bioland-Betrieb in Karlsruhe-Rüppurr), Getreideprodukte und Eier vom Haghof (Demeter-Betrieb in Kirchheim am Neckar), weiteres Gemüse kommt vom Hof Moosfeld (Demeter-Betrieb) am Bodensee, ebenso eine „insektenfördernde Region“. Und auch der Wein des Abends wurde biodiversitätsfreundlich angebaut: Das Weingut Hafner (Ubstadt-Weiher) ist auch im IFR-Projekt engagiert.
Umgesetzte Maßnahmen für mehr Insekten
Um Insekten mehr und qualitätvollen Lebensraum zu bieten, haben die Landwirtinnen und Landwirte zum Beispiel Blühstreifen in Getreidefeldern angelegt, blühende Feldränder ermöglicht, Nistkästen und Wildbienenhotels angebracht, Untersaaten mit ausgesät, z.B. Mais mit Sojabohne, so dass die Insekten auch Nahrung finden, wenn der Tisch gerade nicht so üppig gedeckt ist. Sie haben Maßnahmen ergriffen, um den Pestizideinsatz zu reduzieren und insbesondere im Obst- und Weinbau blühende Fahrstreifen angelegt. „Das ist alles wertvoll und ein Gewinn für Insekten und die Artenvielfalt, macht aber auch viel Arbeit und kostet Geld“, sagt Dr. Patrick Pyttel. Das Engagement sei gerade jetzt zu Zeiten hoher Produktionskosten und niedriger Preise für landwirtschaftliche Produkte zu honorieren. Er freut sich, wenn die Gäste des Erntedankmenüs den Wert der landwirtschaftlichen Leistungen zu schätzen wissen bzw. lernen.
Weitere Informationen
Das Projekt „Insektenfördernde Regionen“
Gefördert von der EU-Kommission vereint das Projekt „LIFE Insektenfördernde Regionen“ unterschiedliche Partner für ein gemeinsames Ziel: den nachhaltigen Schutz von Insekten und Biodiversität von und mit verschiedenen Landnutzern über größere zusammenhängende Flächen hinweg. In sieben insektenfördernden Regionen werden regionale Biodiversitäts-Aktions-Pläne erstellt. In jeder Region werden auf Demonstrationsbetrieben Maßnahmen für den Insektenschutz erprobt. Die Wirkungen auf die Insekten und die biologische Vielfalt werden mit einem Monitoring erfasst. Gleichzeitig werden Landwirte, Berater und Lebensmittelunternehmen geschult und Verbraucher für das Thema sensibilisiert. Weitere Landwirte werden motiviert, einen Aktionsplan zur Insektenförderung zu entwickeln und umzusetzen. Im Projekt spielt zudem eine Rolle, attraktive Anreize für Landwirte wie auch die (finanzielle) Honorierung des Engagements durch öffentliche Programme und die Lebensmittelbranche zu erwirken. Die in diesem Projekt erarbeiteten Ansätze sind auf weitere Regionen in ganz Europa übertragbar.
Neben dem Nördlichen Oberrhein sind fünf Regionen in Deutschland (Allgäu, Bodensee, Bliesgau, Hohenlohe, Wendland) sowie der Vinschgau in Südtirol Projektregionen.
Weitere Informationen zum Projekt Insektenfördernde Regionen: www.insektenregionen.org
Die Bedeutung bestäubender Insekten
Blütenbesuchende Insekten wie Honigbienen, Wildbienen, Hummeln, Fliegen, Schmetterlinge, Wespen und Käfer haben eine zentrale Funktion im Ökosystem als Bestäuber. Auf die Fremdbestäubung durch Insekten sind 80 Prozent der heimischen Blühpflanzen und 84 Prozent der europäischen Feldfrüchte angewiesen. Seit einigen Jahren wird ein verstärkter Rückgang von Bienen und anderen Insekten beobachtet. Diese sind nicht nur von ökologischer Bedeutung, sondern auch von großer ökonomischer Bedeutung, da sie für viele Pflanzen die Bestäubung sicherstellen.
Das Erntedank-Menü
Interessierte können Plätze über die Rezeption des Grenzhof buchen (Ticketverkauf unter +49 (0) 6202 / 943-0 oder welcome@grenzhof.de). Das 4-Gang-Menü kostet 79 Euro. Es beinhaltet einen Apéro auf der Sonnenterrasse. Während des Abends wird das Umweltschutzprojekt in einer Ansprache kurz vorgestellt. Julius Luchterhandt wird den Abend mit Jazz- und Barmusik musikalisch untermalen.
Weitere Informationen zum Menü im Restaurant Grenzhof in Heidelberg: https://www.grenzhof.de/veranstaltungen/erntedank/
Die Bodensee-Stiftung ist eine private Umwelt- und Naturschutzorganisation, die sich projektorientiert für mehr Nachhaltigkeit und Naturschutz einsetzt – regional, national und international. Sie ist aktiv in den vier Handlungsfeldern Energiewende, Landwirtschaft & Lebensmittel, Natur- & Gewässerschutz sowie Unternehmen & biologische Vielfalt und arbeitet eng mit Akteuren aus Wirtschaft, Fachverwaltungen, Kommunen, Politik und weiteren Interessenvertretungen zusammen. Die Bodensee-Stiftung wurde 1994 gegründet, ihr Sitz ist in Radolfzell am Bodensee.
Bodensee-Stiftung
Fritz-Reichle-Ring 4
78315 Radolfzell
Telefon: +49 (7732) 9995-40
Telefax: +49 (7732) 9995-49
http://www.bodensee-stiftung.org
Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Telefon: +49 (7732) 9995-447
E-Mail: anja.wischer@bodensee-stiftung.org