Neben satzungsgemäßer Verbandsarbeit im Rahmen der Jahreshauptversammlung informierte der GVN am zweiten Tag in einem spannenden Workshop-Programm u. a. zu Stolperfallen in der täglichen Personalpraxis, zu klimaschonenden Lkw-Antrieben und digitalen Hilfen für das CO2-Berichtswesen. Des Weiteren wurde die Frage beantwortet, welche Rolle das Thema Nachhaltigkeit für die Unternehmensfinanzierung spielt. Für das Taxi- und Mietwagengewerbe standen wertvolle Tipps zur komplizierten Vergabeart der Ausschreibungen für Schülerverkehre auf der Agenda.
Jahreshauptversammlung 03.11.2023:
GVN-Präsident Mathias Krage eröffnete die Jahreshauptversammlung mit kritischen Worten: „Ein besonders schwarzer Tag für die Güterverkehrsunternehmer war der 20. Oktober, als der Bundestag, ohne die kleinste Änderung, die Mautverdoppelung bereits zum 1. Dezember 2023 durchgewunken hat. Die doppelte Maut hat Null Klimawirkung, sie kommt viel zu früh und in einer wirtschaftlich extrem schwierigen Phase. Aber das alles hat die Politik nicht interessiert. Auf die Transportbranche kommen gewaltige Kostensteigerungen zu, die vollständig weitergegeben werden müssen! Die Verabschiedung dieses Gesetzes wird für viele kleine und mittlere Transportunternehmer der Anfang vom Ende sein!“
„Man drängt den Güterverkehr in die Rolle des Steuereintreibers. Denn tatsächlich dürfte die Erhöhung der Staatseinnahmen der Grund für diesen dicken Knüppel sein, den man uns jetzt zwischen die Beine wirft. Die Politik muss jetzt wenigstens dafür sorgen, dass die Förderung anläuft, aber auch da habe ich Zweifel. Denn von den Mehreinnahmen sollen vor allem die Bundesschienenwege profitieren. Wenn man aber liest, dass selbst 2/3 der bei der Bahn Beschäftigten nicht an die Bahnreform glaubt, habe ich große Sorge, dass das Geld dort nur versickert. Es ist mehr als enttäuschend und beschämend für die Politik, dass die vielen Bedenken, Einwände und Sorgen von den Verbänden zwar gehört wurden, man jedoch in Gedanken an sprudelnde Mauteinnahmen Augen und Ohren verschlossen hat!“, so Krage weiter.
Er versprach den Unternehmern – auch wenn es den Verbänden am Ende nicht gelungen ist, die doppelte Maut zu verhindern – dass der GVN als Unternehmerverband alles daransetzen wird, ihre Interessen weiterhin, oder besser, JETZT ERST RECHT gegenüber der Politik und in der Öffentlichkeit zu vertreten. Mit starker Stimme, damit das Verkehrsgewerbe eine Zukunft hat.
An die Politik und den anwesenden FDP-Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr appellierte Krage abschließend: „Angesichts der großen Personalprobleme noch ein Wort zum Bürgergeld. Wenn wir sehen, welche Signale das Bürgergeld sendet, ist bei vielen Unternehmen nur noch Kopfschütteln angesagt. Wir müssen mehr animieren und nicht mehr alimentieren. Die Attraktivität des Standortes Deutschland hat massiv gelitten. Die Stimmung in der Wirtschaft ist gekippt. Wir haben über 2 Mio. Arbeitslose und trotzdem einen Arbeitskräftemangel. Das ist doch krank.
Wir müssen uns entscheiden, was wir wollen, Wachstums- oder Wohlfühlpolitik. Wir müssen Arbeit bezahlbar und für unsere Beschäftigten lohnend halten. Konkret: Mehr Netto vom Brutto! Wir müssen Anreize schaffen, dass sich Aufstieg durch Bildung wieder lohnt. Stattdessen leisten wir uns jedes Jahr 50.000 junge Menschen, die die Schule ohne Abschluss verlassen. Wir müssen raus aus dem Bürokratie-Burnout! Ich denke da nur an den Großraum- und Schwertransport, wo Bescheide von über 200 Seiten verschickt werden. Auch das ist krank. Wir müssen weg vom Reden und hin zum Handeln. Das ist nicht unser Verständnis von Deutschland-Geschwindigkeit.“
Ein Grußwort an die Teilnehmer sprach der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr. Präsident Krage gab ihm die Möglichkeit, seine Sicht zur Maut, Energiepolitik und zur demografischen Situation vorzustellen. Dürr entschuldigte sich für die Menge der noch ungelösten Aufgaben, stellte aber Ausgleichsmaßnahmen für die Belastungen der Maut in Aussicht und machte Hoffnungen hinsichtlich einer Freigabe von HVO100. Details ließ er allerdings offen.
Der Oberbürgermeister der Stadt Wilhelmshaven, Carsten Feist, stellte in seinem erfrischenden Grußwort klar, dass es die Deutschland-Geschwindigkeit nicht gäbe. Er sprach lieber von der Wilhelmshaven-Geschwindigkeit. In nur 194 Tagen habe man eine LNG-Pipeline gebaut. Gleichzeitig plädierte er für mehr Bürokratieabbau, Digitalisierung und den Ausbau eines sinnvollen ÖPNV.
GVN-Hauptgeschäftsführer Benjamin Sokolovic stellte in seinem Geschäftsbericht aktuelle Probleme der niedersächsischen Unternehmer des Verkehrsgewerbes vor.
Im Bereich Güterkraftverkehr und Entsorgung, Spedition und Logistik sowie Möbelspedition waren die zentralen Themen gestörte Lieferketten, Dekarbonisierung und Klimaschutz im Güterverkehr, der Spediteur als Versicherungsvermittler, aber vor allem die unsägliche Mautdebatte und ihre Umsetzung. Gemeinschaftsaktionen wie die „Rote-Karte-Kampagne“ und die Mautkampagne #mauteverest wurden von der Politik ignoriert. Der Frust und die Enttäuschung bei den Unternehmern sind riesengroß. All das wurde begleitet von vielen Dauerproblemen des Gewerbes, wie fehlende Lkw-Parkplätze oder der katastrophale Zustand von Sanitäranlagen. Auch das Thema Arbeitskräftemangel hält die Unternehmen in Atem. Die jährliche Unterdeckung von rund 15.000 Fahrern ist besorgniserregend und der Berufszugang muss einfacher werden. Die Fahrausbildung muss schneller, vor allem günstiger werden, Sprachbarrieren müssen abgebaut und ausländische Führerscheine unbürokratisch anerkannt werden. Positiv ist, dass der Lang-Lkw Typ 1 vorerst für drei Jahre in die Verlängerung geht, der GVN fordert hier allerdings eine dauerhafte Einsatzerlaubnis. Erfreulich ist schließlich, dass der Tag der Norddeutschen Möbelspediteure nach zweijähriger Zwangspause im Februar endlich wieder stattfinden konnte.
Kritisch-optimistisch war die Fachvereinigung Omnibus und Touristik in das Jahr 2023 gegangen. Nach der Corona-Pandemie und den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine sind die Unternehmen immer noch nicht zurück im Normalbetrieb. Im Reiseverkehr sind deutlich weniger Menschen unterwegs als vor Corona. Ursachen sind immer mehr unnötige Vorschriften, deren Ursprung mal in Europa, mal in Deutschland oder in den Städten liegen. Im ÖPNV gab es mit Einführung des Deutschlandtickets lange Streit um die Ausgleichszahlungen, bis der Bund einlenkte. Aktuell haben Bund und Länder noch keine „Einigung“ für eine dauerhafte Finanzierung des D-Tickets beschlossen. Dauerthema ist und bleibt die Ungleichbehandlung der Privaten und Kommunalen bei der Busförderung, die für den GVN inakzeptabel ist. Überschattet werden die Probleme der Omnibusbranche durch den Fahrermangel.
Für die Fachvereinigung Taxi und Mietwagen hat das vergangene Jahr nur bedingt eine Besserung gebracht und man befindet sich noch lange nicht auf dem Vor-Corona-Niveau. Der große Mangel an Fahrpersonal trifft die Unternehmen mit voller Wucht. Während große Discounter Ungelernte mit 16,50 € und mehr locken, kann im Taxibereich weitgehend nur der Mindestlohn gezahlt werden. Die Herausforderung einer bezahlbaren und gleichzeitig wirtschaftlichen Taxifahrt wird immer schwieriger. Umso wichtiger ist die Weiterentwicklung der Taxitarife. Dabei dominierten neben Regelungen von Zusatzkosten für Rollifahrten vor allem die bessere Auslastung der Fahrzeuge durch sog. „Retter-Taxis“. Weitere Themen waren Fördermöglichkeiten emissionsfreier Fahrzeuge, die Ausgestaltung der Kleinen Fachkunde und die dringende Forderung nach einem einheitlichen Niedersachsentarif statt eines Flickenteppichs mit 53 Genehmigungsbehörden. Die Nachverhandlungen der Entgelte für die Krankenbeförderung sowie die Verhandlungen über einen neuen Rahmenvertrag werden im neuen Jahr angegangen. Mit Sorge blickt das Taxigewerbe schließlich auf die Kassensicherungsverordnung, die am 01.01.2024 in Kraft tritt. Hier fehlt es, von Seiten des Bundesfinanzministeriums, komplett an der Planungs- und Rechtssicherheit.
Der GVN vertritt als Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband rund 3.000 private niedersächsische Unternehmen aus den Bereichen Güterkraftverkehr, Entsorgung, Spedition, Logistik, Möbelspedition, Omnibus und Touristik sowie Taxi, Mietwagen und Krankentransporte mit mehr als 50.000 Beschäftigten.
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