Alle wünschen sich einfache Lösungen. Und natürlich, eigentlich ist alles ganz einfach. In der Theorie. Aber selbst da nur manchmal. In der Praxis dagegen eben nie.

Trotzdem finden weltweit die Stimmen immer mehr Gehör, welche die einfachen Lösungen versprechen. Carsten Maschmeyer forderte anlässlich der Palästinenser-Demonstrationen in Berlin, man solle die Beteiligten in den Flieger setzen und nach Hause schicken. Ob er dabei übersehen hat, dass es bei den vielen dieses „Zuhause“ außerhalb Deutschlands nicht gibt oder er es schlichtweg ignorierte, können wir nur vermuten. In Amerika war es die Forderung, eine Mauer zu Mexiko zu bauen, und in Deutschland lassen wir doch besser einfach keine Flüchtlinge mehr rein – schon ist das Problem anscheinend gelöst. Obwohl man eine ordentliche Portion Naivität mitbringen muss, um in einem Land ohne Grenzen diesem Gedanken zu folgen, finden sich schnell unfassbar viele Anhänger dieser einfach klingenden Ideen.

Doch weder diese Dinge noch die Fragen der Erneuerung des Bildungssystems, der Steuergerechtigkeit oder der Strafzumessung sind einfach, um nur einmal ein paar wenige Beispiele zu nennen. Im Grunde genommen ist nämlich nichts einfach. Auch nicht im persönlichen Bereich, denn weder die richtige Berufswahl noch der Vermögensaufbau oder das Führen einer guten Beziehung sind einfach. Nicht einmal eine gesunde Ernährung ist einfach. Und auch wenn mittlerweile immer mehr einflussreiche Persönlichkeiten mit einfachen Lösungsvorschlägen öffentlich aufwarten, sind sie weder hilfreich noch förderlich, im Gegenteil. Sie bleiben Populismus oder schlichtweg Marketing und verschlimmern die Situation, weil sie den Absolutismus und die Extreme fördern. Verantwortung übernehmen sieht anders aus.

Wir müssen akzeptieren, dass es keine einfachen Lösungen geben muss.

Wir brauchen als Allererstes das Bewusstsein, dass es keine einfachen Lösungen gibt und auch gar nicht geben muss. Darauf können wir aufbauen und uns um das kümmern, was wirklich wichtig ist: Stärke zu entwickeln und Verantwortung zu übernehmen!
Das gilt für die Regierung wie für die Industrie, für die Unternehmen genauso wie für die Arbeitnehmer und nicht zuletzt für jeden einzelnen Menschen unseres Landes. Wir brauchen starke Menschen, die sich nicht schon durch kleinste Widerstände aus der Bahn werfen lassen. Wir brauchen starke Persönlichkeiten, die sinn- und wertvolle Ziele verfolgen und sich auch nicht bei Gegenwind von diesem Weg abbringen lassen. Wir brauchen mehr Resilienz in der Gesellschaft, um den heutigen Anforderungen gewachsen zu sein. Wir brauchen starke Unternehmer und starke Unternehmen, einen starken Mittelstand und eine starke Industrie für eine starke Wirtschaft und ein starkes Land. Und dafür brauchen wir letztlich eine starke Politik, eine starke Demokratie und eine starke Regierung.

Die Welt ist „mehr“ geworden, unserem Empfinden nach. Die Globalisierung hat uns einander nähergebracht, und die Digitalisierung lässt es uns von früh bis spät fühlen. Haben früher die Nachrichten aus fernen Ländern entweder Wochen gebraucht oder uns durch den Abstand überhaupt nicht erreicht, werden wir heute sekundengleich mit jeder Information aus jedem Winkel der Erde versorgt. Allein die Reizüberflutung durch zu viele Nachrichten ist ein Problem, weil es uns schwächt, unsere Wahrnehmung verzerrt und uns davon abhält, uns um unsere Angelegenheiten zu kümmern. Ein Beispiel: Statistiken zufolge ist die Zahl der Todesopfer aus Naturkatastrophen seit 100 Jahren gleich geblieben, und dies, obwohl die Weltbevölkerung sich vervierfacht hat. Die Schäden sind im Verhältnis also tendenziell eher weniger geworden, doch wir haben den Eindruck, es hätte noch nie so viele gegeben. Wir machen uns täglich Gedanken um die Entwicklungen in den anderen Teilen der Welt, ob in China, Nigeria, Aserbaidschan oder Mexiko und obwohl die Komplexität der Dinge in gewisser Weise schon immer bestand, war sie noch nie so groß wie heute und wurde erst recht nicht so wahrgenommen.

Aber es geht nicht nur um die große weite Welt, sondern auch um das ganz persönliche Leben. Denn auch hier ist alles mehr geworden. Und viel schneller! Einst konnten wir uns in aller Ruhe unserer kindlichen Entwicklung widmen, lernten einen Beruf, mit dem wir ein Leben lang die Familie, die wir recht früh gründeten, ernähren konnten. Mit etwas Sparsamkeit brachte man es sogar zu etwas Wohlstand und sorgte dafür, dass die nächste Generation davon profitieren möge. Das war’s. Das Leben war einfach, auch wenn es nicht immer leicht war.
Heute hingegen steht bereits ein negativ geprägter Druck der schulischen Anforderungen mit der Einschulung, und jedem Kind wird früh klargemacht, dass es flexibel sein muss, weil es noch viele Berufe in seinem Leben brauchen wird. Die Reizüberflutung in den Städten mit all ihrem Lärm, dem niemals aufhörenden Verkehr, den blinkenden Lichtern und anderen visuellen Eindrücken ist bereits da, bevor wir anfangen, bewusst zu denken. Mit Medien aller Art setzt bereits im frühen Kindesalter ein Angriff auf die innere Ruhe ein, lange bevor man überhaupt selbstständig Entscheidungen treffen kann, um sich davor zu schützen.

Zudem machen immer mehr Wahlmöglichkeiten immer mehr Entscheidungen notwendig und machen das Leben immer schwieriger, anspruchsvoller, von den 30 verschiedenen Sorten Milch im Supermarkt angefangen bis hin zur der des gefühlten Geschlechts.
Gleichzeitig hat uns der Konsum dazu getrieben, dass viele bereits mehreren Arbeitsstellen gleichzeitig nachgehen müssen, um ein halbwegs normales Leben innerhalb der Gesellschaft führen zu können. Neben dem beruflichen Einsatz bleibt keine Ruhe und Zeit mehr für sich selbst und die Familie, und die Übertragung der Erziehung auf andere bringt schon längst die nächsten Probleme mit sich. Der Ruf nach einem gesunden Lebensstil wird größer, wir sollen uns nicht nur besser ernähren, sondern auch mehr Sport treiben, einem Hobby nachgehen und gleichzeitig mehr Ruhe finden.

Der Druck ist riesig

Der Druck des Lebens ist in allen Bereichen schier unermesslich, und die Anforderungen, auch die eigenen, sind jedem Teilbereich immer größer geworden. Nicht nur beim mentalen, körperlichen und emotionalen Zustand, sondern auch bei der Partnerschaft wird heute mehr erwartet als je zuvor. Selbst für Freundschaften ist der Anspruch gestiegen, ganz zu schweigen vom Beruf, der Sinn und Erfüllung liefern soll und neben Kreativität und Freude auch Entwicklungspotenzial. Aber bitte immer nur so viel, wie gerade erwünscht ist.

Selbstbestimmtheit ist die neue Währung der Freiheit. Selbst beim Thema Finanzen sind die Anforderungen enorm gewachsen, denn während man früher schon als Kenner galt, wenn man neben Sparbuch, dem Bausparvertrag und der Versicherung wusste, was ein festverzinsliches Wertpapier ist, müssen Sie heute über die Grundlagen des Geschäftes mit Aktien und Immobilien Bescheid wissen, weil Fonds längst zur Allgemeinbildung gehören.

Wir müssen die Komplexität anerkennen

Mehr denn je gilt es, Komplexität zu begreifen und Zusammenhänge zu erkennen. Während noch vor 50 Jahren die Zuwanderung einfach unterbunden werden konnte, kann man sie heute ohne grausamste Gewalt gar nicht mehr verhindern. Mochten Sie früher Ihrem Kind noch eine Fernsehpause verordnen, um dem Gehirn etwas Ruhe zu gönnen, können Sie heute das ständige Flimmern vor den Augen kaum noch verhindern, wollen Sie Ihr Kind nicht im Keller einsperren.

Alles in allem ist der Wunsch nach Entlastung durch Einfachheit nur zu verständlich, denn selbst einem Pferd gönnt man Ruhe, um erlernte Lektionen verarbeiten zu können. Nur der Mensch soll sich mittlerweile auf Dauerpower einstellen. Wir müssen akzeptieren, dass es diese gewünschte Einfachheit nicht gibt. Die Welt ist nicht einfach.

Wir müssen akzeptieren, dass ein Zusammenleben von 82 Mio. Menschen in einem Land nicht einfach ist, und hielten wir uns vor Augen, wie schwer es bereits manchmal mit nicht einmal einem halben Dutzend Familienmitgliedern im engsten Kreise ist, würde sich die Frage gar nicht stellen. Von 8 Milliarden Menschen auf demselben Planeten wollen wir gar nicht anfangen. Und wir müssen akzeptieren, dass nicht einmal das eigene Leben einfach sein kann, mit all seinen Facetten. Aber auch gar nicht sein muss.

Dies ist die Grundvoraussetzung, die wir heute allem voranstellen müssen, damit wir einen Schritt weiterkommen können. Wir müssen uns darauf einlassen, dass diese Prozesse schwierig sind und manchmal sogar ungeahnte Verknüpfungen mit sich bringen, auf die wir oft sogar erst dann reagieren können, wenn sie auftauchen. Es ist wie ein Schachspiel, bei dem wir nur eine begrenzte Anzahl von Zügen im Blick behalten können. Wir müssen uns als so unvollkommen akzeptieren, wie wir sind, ohne im Streben nach dem Besten nachzulassen. Wir müssen Verantwortung übernehmen, ohne vorher genau zu wissen, wohin sie uns führen wird. Erst wenn wir das verstanden haben, können wir unserer Verantwortung auch wirklich gerecht werden, für unser eigenes Leben wie für das anderer.

Wir brauchen Stärke für die Widerstände

Dazu braucht es Stärke. Starke Persönlichkeiten in der Politik, in der Wirtschaft und im Leben. Menschen voller persönlicher Stärke. Mentaler Stärke. Emotionaler Stärke. Und natürlich auch physischer Stärke. All das kommt aber nicht durch das Hoffen auf einfache Lösungen. Die Probleme zu bewältigen wird immer erst dann einfacher bzw. leichter, wenn wir stärker geworden sind. Es ist wie im Sport: Die Gewichte bleiben immer gleich schwer, aber durch das kontinuierliche Auseinandersetzen mit dem Widerstand entsteht Muskelkraft, die das Gewicht plötzlicher leichter erscheinen lässt. Wir brauchen also Menschen, die die Last nicht infrage stellen und sich dem Widerstand widmen.

Wenn wir unsere kleinen und großen Aufgaben bewältigen wollen, im Außen wie im Innern, im eigenen wie im anderen Leben, brauchen wir Stärke, auch um wirklich in der Lage zu sein, die Verantwortung zu übernehmen.

In einer Welt voll ständig wachsender Anforderungen, Herausforderungen und Probleme, der seit Jahren rasant zunehmenden Geschwindigkeit und Komplexität des Lebens, sehnen sich zwar verständlicherweise immer mehr Menschen nach Entlastung und wünschen sich einfache Lösungen. Aber es ist nur das Prinzip Hoffnung, aus der eigenen Not der Überforderung heraus, welches eben nicht funktioniert. Deshalb ist es nun an der Zeit, damit aufzuräumen. Es gibt sie nicht, die einfachen Lösungen. Es wird sie nicht geben. Es kann sie nicht geben. Wir müssen es einfach akzeptieren und die Verantwortung übernehmen, im ersten Schritt für unsere Resilienz und Stärke und im zweiten dann für die Lösung all der komplexen Angelegenheiten.

Empfehlungen an meine Klienten, um stark zu werden/sein

1. Bewusstsein für die Normalität von Widrigkeiten und Hindernissen schaffen

– es muss nicht alles rosarot sein, die eigene Stärke im bisherigen Leben anerkennen
– Gegenwind ist nicht nur normal, sondern auch wichtig: für Flugzeugstart notwendig
– Stärke entsteht durch Widerstand | siehe Muskeln im Kraftsport

2. Lernen, Emotionen zuzulassen und Gefühle auszuhalten

– wissen, dass Gefühle sich stets wieder verändern, in Tagen, Stunden, Minuten!
– alle Gefühle lieben zu lernen, egal welcher Art, sie lassen uns Lebendigkeit fühlen
– Schmerz und Freude als Antriebskräfte vor Augen halten

3. Achtsamkeit und Reflexion nutzen

– Stille und Alleinsein genießen | Natur oder stilles Kämmerlein
– Missstände genau ansehen, Pro und Kontra erkennen
– Gutes zu schätzen wissen, Schlechtes verändern zu können

4. Fokus und die Konzentration auf das Wesentliche

– Verantwortungstagebuch | tägliches Erinnern an Sinn, Werte, Ziele, tägliche Kontrolle über Erfolgreiches, Dankbares, Gelerntes und die daraus folgenden Konsequenzen – unternehmerisch und persönlich

Empfehlung, um nicht auf einfache Lösungsversprechen hereinzufallen

– Ist das praktisch umsetzbar?
– Was sind die Folgen, wenn das so gemacht wird?
– Was könnte ich übersehen haben?
– Welche Schwierigkeiten könnte das für andere(s) bringen?

Über die Kiesewetter Training UG

Bernd Kiesewetter, Jahrgang 1967, ist Unternehmer und Berlins Erfolgscoach. Ursprünglich machte er eine Ausbildung in der Sozialversicherung, wechselte dann jedoch in die private Versicherung. Nach erfolgreicher Karriere in der Finanzindustrie wurde Kiesewetter zum Multiunternehmer. Zeitweise gründete und leitete er bis zu sieben Firmen verschiedenster Branchen gleichzeitig. In dieser Zeit beschäftigte sich Kiesewetter aber auch mit den Schattenseiten des Erfolgs und Fragen sozialer sowie unternehmerischer Verantwortung. Aus der tiefen Überzeugung, etwas in den Köpfen der Managerinnen und Manager verändern zu wollen, begann Kiesewetter Vorträge zu halten und öffentliche Auftritte wahrzunehmen. Heute motiviert er die Menschen in Vorträgen, Podcasts, Büchern und im Radio dazu, „Verantwortung zu übernehmen“ – und begleitet Führungskräfte aus Wirtschaft, Sport und Gesellschaft. Als einer der Pioniere der aktuell boomenden Coaching-Branche konnte Kiesewetter in den vergangenen 20 Jahren bereits über 700 Menschen in Einzel-Coachings helfen.

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