Die Politik kann beim Schutz des Klimas grundsätzlich auf einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung bauen. 69 Prozent der Menschen in Deutschland geben an, dass sie die Energiewende befürworten. Die Zustimmung zur Verkehrswende liegt mit 56 Prozent zwar etwas niedriger, ist aber dennoch eindeutig. Der Anteil derer, die der Transformation gänzlich ablehnend gegenüberstehen, ist folglich deutlich kleiner: Während 12 Prozent die Umstellung auf erneuerbare Energien grundsätzlich ablehnen, halten 19 Prozent der Bürger:innen die Verkehrswende für falsch. Das zeigt eine aktuelle Analyse der Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS) basierend auf Umfragedaten des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers der Energie- und Verkehrswende.
Abseits der allgemein großen Zustimmung gibt es in der Bevölkerung jedoch Bedenken hinsichtlich der Art der Umsetzung der Transformation. Nur eine Minderheit von rund 20 Prozent empfindet diese als gerecht. Als ungerecht nehmen die Befragten vor allem die Verteilung von Nutzen und Kosten zwischen Gutverdiener:innen und Geringverdiener:innen, zwischen Unternehmen und Verbraucher:innen und zwischen Stadt- und Landbevölkerung wahr. Rund 55 Prozent der Menschen sorgen sich um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. „Dass sich die Bürger:innen Sorgen machen, bedeutet keinesfalls, dass sie Maßnahmen gegen den Klimawandel ablehnen“, sagt Sara Holzmann, Ökonomin der Bertelsmann Stiftung. Die Politik habe nicht erst seit dem jüngsten Urteil des Verfassungsgerichts ein Vermittlungsproblem. „Unsere Ergebnisse unterstreichen, dass es bei der Gestaltung und Kommunikation von klimapolitischen Maßnahmen Nachbesserungsbedarf gibt. Für die gesellschaftliche Akzeptanz der Klimapolitik ist es wichtig, die Sorgen der Menschen ernstzunehmen.”
Sorge um Wirtschaft und Arbeitsplätze
Die Studie beleuchtet erstmals Zielkonflikte zwischen Klimaschutz und gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Interessen aus Sicht der Bevölkerung. Die Ergebnisse zeigen, dass die Konflikte insbesondere in sozialen und ökonomischen Lebensbereichen weiter zunehmen: Knapp 40 Prozent der Bürger:innen in Deutschland fürchten, dass die Energie- und Verkehrswende den Wohlstand und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands gefährden. Damit ist diese Gruppe im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozentpunkte gewachsen. Im Fokus steht auch die Sorge vor dem Verlust von Arbeitsplätzen. Rund ein Viertel der Bürger:innen fürchtet, dass der fortschreitende Verzicht auf fossile Energieträger den hohen Beschäftigungsstand in der deutschen Wirtschaft gefährde. Größer ist die Skepsis bei der Verkehrswende: Hier rechnen 40 Prozent der Befragten damit, dass im Zuge dieses Wandels Arbeitsplätze verloren gingen.
Generell werden Zielkonflikte dieser Art bei der Verkehrswende stärker wahrgenommen als bei der Energiewende – und auch zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen unterscheidet sich die öffentliche Wahrnehmung. Etwa bestehen bei der Sorge vor Beschäftigungsverlusten starke regionale Unterschiede und auch die Art der beruflichen Tätigkeit spielt hier eine wichtige Rolle. “Die Politik sollte zeitnah Strategien zur Lösung der Zielkonflikte unter Einbeziehung der Bevölkerung aushandeln und umsetzen”, fordert Ingo Wolf vom RIFS. “Bürgerbeteiligung, die Vermeidung von sozialer Ungleichheit bei der Gestaltung von Klimaschutzmaßnahmen sowie die Entwicklung und Förderung von nachhaltigen Wirtschaftsmodellen haben sich hier als wirksame Ansätze erwiesen und sollten umfassender verfolgt werden.”
Transformation wird als teuer empfunden
Drei von vier Menschen in Deutschland (76 Prozent) halten die Energiewende für teuer. Diese Einschätzung hält sich seit Jahren beinahe unverändert und hat in der jüngsten Vergangenheit vor dem Hintergrund des Kriegs gegen die Ukraine und der Energiekrise noch zugenommen. 45 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass die Energiewende die Preise für Energie nicht senken werde. Ebenso glauben 50 Prozent der Menschen nicht, dass die Mobilität dank der Verkehrswende günstiger werde. „Dieses Stimmungsbild zeigt, dass es weder eine gute Idee ist, Klimaschutz ohne sozialen Ausgleich zu machen, noch zugunsten des gesellschaftlichen Zusammenhalts auf Klimaschutz zu verzichten“, sagt Sara Holzmann. Denn eine ungebremste Klimakrise sei nicht zuletzt aufgrund der erwartbaren Verteilungskonflikte auch eine Bedrohung für unsere Demokratie. ”Die ökologische Transformation wird nur gelingen, wenn sie auch ökonomisch und sozial eine Erfolgsgeschichte wird.“
Zusatzinformationen:
Die Studie ist in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS) entstanden. Es wurden Befragungsdaten aus dem Sozialen Nachhaltigkeitsbarometer der Energie- und Verkehrswende (SNB) verwendet. Dabei handelt es sich um eine bevölkerungsrepräsentative Online-Panelbefragung von mehr als 6.500 Personen. Seit 2017 werden jährlich die Einstellungen, Anliegen und Bewertungen der deutschen Bevölkerung zur Ausgestaltung und Umsetzung von Klimapolitik, insbesondere von Maßnahmen der Energie- und Verkehrswende erhoben. Die Befragungen des SNB werden als Onlineerhebungen von Forsa über das forsa.omninet-Panel ins Feld geführt.
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