Mitte August 2023 sind in der Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) verbundene Zwillinge auf die Welt gekommen. Die am Bauch miteinander verbundenen Mädchen wurden in der 33. Schwangerschaftswoche per Kaiserschnitt geboren und nach sieben Wochen in einer Operation getrennt. Die beiden Mädchen sind wohlauf.

Die Eltern aus Norddeutschland hatten in der 10. Schwangerschaftswoche im Rahmen der Vorsorge erfahren, dass ihre Zwillinge ungewöhnlich eng beieinanderlagen. Eine weitere Untersuchung im UKE bestätigte in der 12. Schwangerschaftswoche, dass sie am Bauch miteinander verbunden waren. Daraufhin wurde die Mutter in der Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin des UKE engmaschig betreut. In der 33. Schwangerschaftswoche wurden die Zwillinge dann per Kaiserschnitt geboren. Die Entbindung wurde von einem großen Team aus Geburtshelfer:innen, Neonatolog:innen, Kinderchirurg:innen, Anästhesist:innen, Kinderärzt:innen und OP-Assistent:innen durchgeführt.

Im Vorfeld des Kaiserschnitts wurden vielfältige Planungen, von der medizinischen und pflegerischen Versorgung bis hin zu einer Stellprobe aller Beteiligten im OP, getroffen, um die Entbindung und Versorgung der Kinder bestmöglich vorzubereiten. „Es war eine besondere Herausforderung, da bei einer normalen Zwillingsgeburt nur jeweils ein Kind durch die Öffnung der Gebärmutter passen muss, da sie ja nacheinander auf die Welt geholt werden. In diesem Fall aber waren es gleichzeitig zwei Kinder. Umso mehr freuen wir uns mit den Eltern und ihrer Familie über den glücklichen Ausgang dieser ganz besonderen Schwangerschaft und Geburt“, sagt Prof. Dr. Kurt Hecher, Direktor der Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin des UKE.

Trennung der Zwillinge verlief problemlos

Zum errechneten Geburtstermin am 6. Oktober 2023 wurde die Trennung der Kinder von Prof. Dr. Konrad Reinshagen, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie des UKE, und Prof. Dr. Lutz Fischer, Direktor der Klinik und Poliklinik für Viszerale Transplantationschirurgie des UKE, vorgenommen. „Bereits vor der Geburt wurde mittels Ultraschalluntersuchung und fetalem MRT festgestellt, dass bei beiden Zwillingen alle lebenswichtigen Organe vorhanden waren und lediglich eine Verschmelzung der Bauchwand und der beiden Lebern vorlag“, sagt Prof. Dr. Reinshagen. In einem vierstündigen Eingriff konnten diese getrennt und die Bäuche beider Zwillinge verschlossen werden.

Die beiden Mädchen wurden nach der Geburt und im Zuge der operativen Trennung in der Neonatologie des UKE betreut. „Unser ärztliches und Pflegeteam hat sich schnell auf die Versorgung der Kinder ‘im Doppelpack‘ eingestellt. Selbst, als die beiden vor der Operation einmal eine etwas schwierigere Phase durchmachten, hatten wir stets den Eindruck, dass sie sich auch gegenseitig stabilisierten“, sagt Prof. Dr. Dominique Singer, Leiter der Sektion Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin des UKE. Die Mädchen konnten Ende Oktober nach Hause entlassen werden und haben sich vollständig von der Operation erholt. Sie haben ihr gemeinsames Geburtsgewicht von insgesamt 3600 Gramm bereits verdoppelt und entwickeln sich gut.

Verbundene Zwillinge

Der Begriff „siamesische“ Zwillinge wird heute nicht mehr verwendet. Er ging auf Chang und Eng Bunker (1811–1874) zurück; die beiden seitlich am Rumpf verbundenen Zwillinge wurden in Siam (heute Thailand) geboren. In der Fachliteratur wird seit geraumer Zeit von verbundenen Zwillingen (conjoined twins) gesprochen. Welche Mechanismen für die Entstehung von verbundenen Zwillingen verantwortlich sind, ist noch nicht hinreichend geklärt. Eineiige Zwillinge entwickeln sich durch Teilung aus einer befruchteten Eizelle. Je früher diese Teilung nach der Befruchtung stattfindet, desto vollständiger ist sie, auch in Hinblick auf die Plazenten und die Fruchthöhlen, in denen sich die Embryos entwickeln. Erfolgt sie erst nach zwei Wochen, ist auch die körperliche Trennung nicht mehr vollständig und die Zwillinge bleiben im Verlauf der weiteren Entwicklung in der Gebärmutter körperlich miteinander verbunden. Verbundene Zwillinge sind äußerst selten. Laut Schätzungen treten solche Schwangerschaften mit einer Häufigkeit von 1:50.000 bis 1:200.000 auf.

Je nach Art und Ausprägung der Verschmelzung der verbundenen Zwillinge überlebt nur ein Bruchteil der Zwillinge lange genug, um eine operative Trennung nach der Geburt in Betracht zu ziehen. Betroffene Eltern entscheiden sich daher oft für einen Abbruch der Schwangerschaft. „Im vorliegenden Fall waren die Kinder medizinisch gesehen ein Idealfall, da sie jeweils alle lebenswichtigen Organe besaßen. Daher haben die Eltern von Anfang an erwogen, die Schwangerschaft fortzusetzen – natürlich verbunden mit vielen Sorgen und Fragen. Das ist bewundernswert“, so Prof. Dr. Hecher.

„Wir sind dem medizinischen Fachpersonal des UKE zutiefst dankbar für die Betreuung, Versorgung und Trennung unserer Mädchen. Wir möchten anderen Eltern gerne Mut zusprechen, sich bei überraschenden Diagnosen in der Schwangerschaft die Zeit für eine möglichst professionelle Feindiagnostik zu nehmen. Es ist mittlerweile in der Medizin so viel möglich und es lohnt sich, Kraft und Zeit in eine wohlinformierte Entscheidung zu investieren, die doch eine so große Tragweite hat“, sagen die Eltern der Zwillinge.

Über Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

Das 1889 gegründete Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) ist eine der modernsten Kliniken Europas und mit rund 14.900 Mitarbeitenden einer der größten Arbeitgeber in Hamburg. Pro Jahr werden im UKE rund 543.000 Patient:innen versorgt, 89.000 davon stationär und 454.000 ambulant. Zu den Forschungsschwerpunkten des UKE gehören die Neurowissenschaften, die Herz-Kreislauf-Forschung, die Versorgungsforschung, die Onkologie sowie Infektionen und Entzündungen. Über die Medizinische Fakultät bildet das UKE rund 3.400 Mediziner:innen, Zahnmediziner:innen und Hebammen aus.

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