Anlässlich des Internationalen Tags der Bildung am 24. Januar schlägt Christian Gleser, Leiter des Instituts für Schul- und Unterrichtsentwicklung an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe, vor, Lehramtsstudierende in die schulischen Unterrichtsprozesse zu integrieren. Schulpraxisassistenzen könnten dazu beitragen, die Bildungskrise zu bewältigen.

Der Internationale Tag der Bildung am 24. Januar erinnert daran, dass sich die Weltgemeinschaft dazu verpflichtet hat, bis 2030 allen Menschen eine hochwertige, inklusive und chancengerechte Bildung zu ermöglichen. Das sind noch sechs Jahre und die Situation an deutschen Schulen ist alles andere als rosig. Rund 20 Prozent der Schülerschaft sowohl in den Grundschulen als auch in den Sekundarstufenschulen erreichen laut internationalen Vergleichsstudien wie IGLU und PISA nicht die notwendigen Grundkompetenzen. Außerdem herrscht Lehrkräftemangel und der Bedarf an pädagogischen Fachkräften steigt. Dies auch vor dem Hintergrund, dass in Deutschland alle Kinder im Grundschulalter ab 2026 das Anrecht auf achtstündige Förderung an Werktagen haben.

„Die aktuelle Schule kann das ihr gesetzte Ziel, den größten Teil der Kinder und Jugendlichen gut zu bilden, nicht erreichen“, sagt Prof. Dr. Christian Gleser, Leiter des Instituts für Schul- und Unterrichtsentwicklung an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe (PHKA). „Es ist unwahrscheinlich, dass wir die in den Studien festgestellten Defizite reduzieren können, wenn wir an dem Prinzip ‚Eine Lehrkraft pro Klasse‘ festhalten“, so Gleser. Benötig würden neue Überlegungen, um die Bildungskrise zu lindern oder gar zu bewältigen.

Der Schulpädagoge schlägt deshalb vor, das enorme Potenzial der vielen tausend hochmotivierten angehenden Lehrkräfte an Pädagogischen Hochschulen und Universitäten zu nutzen und ein oder zwei Lehramtsstudierende pro Schulklasse einzusetzen, um Lehrerinnen und Lehrern zu assistieren. Denkbar sei eine wöchentlich eintägige Schulpraxisassistenz für die Studierenden. „Wie Befragungen aus meinen eigenen Erstsemestervorlesungen zeigen, möchten diese jungen hochmotivierten Menschen überwiegend dazu beitragen, Verantwortung für Schüler:innen und deren Entwicklung zu übernehmen. Sie möchten Schüler:innen fördern, damit mehr Bildungsgerechtigkeit in der Gesellschaft entsteht“, berichtet Gleser. Es könne für Lehrkräfte und Schüler:innen sehr gewinnbringend sein, wenn ein oder zwei Lehramtsstudierende im Unterricht assistieren. Denn Schüler:innen könne in konkreten Verständnissituationen direkt geholfen werden. „Das zeigen Erfahrungen aus den durch Hochschullehrende begleiteten Schulpraktika“, so der Professor für Schulpädagogik.

Erforderlich für eine solche Erweiterung der lehramtsstudentischen Kompetenzen seien sowohl eine Erweiterung der Studienprogramme als auch eine Offenheit der Schulen zur Integration der Studierenden in die schulischen Unterrichtsprozesse. „Dabei müsste die Schulpraxisassistenz eng zwischen Hochschulen und Kultusbereich geregelt werden, und auch eine angemessene, für die Studierenden attraktive Vergütung wäre erforderlich“, sagt Gleser. Schließlich habe eine solche Maßnahme einen enormen gesellschaftlichen Nutzen.

Die Aktivierung des Potentials der Lehramtsstudierenden für den schulischen Unterricht könne das Eis brechen und vielen tausend Schülerinnen und Schülern dabei helfen, notwendige Kulturtechniken auf einem guten Mindestniveau zu entwickeln. Mit den derzeit angewandten Lehr-Lern-Konzepten gelinge das nachgewiesenermaßen bei einem Teil der Schülerinnen und Schüler nicht. „Selbstverständlich würde eine solche Reform erhebliche Anstrengungen erfordern. Ohne ein grundlegendes Umdenken werden wir die aktuelle Bildungskrise in Deutschland aber nicht bewältigen können“, mahnt Gleser.

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