Ein neuer „Aorten-Stentgraft“ ist europaweit erstmals am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) eingesetzt worden. Die via Kathetereingriff implantierte Gefäßstütze stabilisiert gefährliche Aufdehnungen der Hauptschlagader in der Nähe des Herzens, die bisher zwingend offen operiert werden müssen. Ein Seitenarm des Stents sichert die Durchblutung der dort abzweigenden Arm- und hinteren Hirnarterie. Der Stent wird vor allem Patientinnen und Patienten mit hohem Operationsrisiko sowie in Notfallsituationen zugutekommen.

Sogenannte Stentgrafts, Gefäßstützen aus sehr feinem Drahtgeflecht mit Kunststoffummantelung, stabilisieren zuverlässig lebensgefährliche Aufdehnungen der Hauptschlagader. Für den obersten Abschnitt der menschlichen Hauptschlagader, den Aortenbogen, gab es bisher wegen der dort abzweigenden Arterien zu Hirn und Armen keine befriedigende zeitnahe Lösung. Am 30. Januar 2024 hat das Team der Klinik für Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) europaweit erstmals einen neuartigen Stentgraft via Kathetereingriff implantiert, der speziell für diesen Aortenabschnitt konzipiert wurde: Im Drahtgeflecht der Prothese ist eine Öffnung für die Abzweigung der linken Armarterie oder Halsschlagader ausgespart. Dort wird ein weiterer kleinerer Stentgraft eingeführt, der dafür sorgt, dass dieses wichtige Gefäß ausreichend durchblutet wird.

Professor Dr. Dittmar Böckler, Ärztlicher Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre Chirurgie des UKHD, war an der Entwicklung der neuartigen Gefäßprothese beteiligt. 2022 wurde diese bereits in den USA zugelassen, nun steht sie erstmals außerhalb der USA zur Verfügung. Er sagt: „Der neue Stent bietet speziell für Patientinnen und Patienten, die nur mit hohem Risiko offen operiert werden können, erstmals eine minimalinvasive Alternative. Ich bin überzeugt, dass sich dieses Verfahren sehr schnell in den großen Gefäßzentren durchsetzen wird.“ Die beiden ersten Heidelberger Patienten haben den Eingriff sehr gut überstanden und befinden sich bereits wieder auf Normalstation.

In Deutschland kommen die sog. TBE-Stentgrafts (Thoracic Branch Endoprothesis) an sechs großen deutschen Gefäß- und Aortenzentren mit hoher Expertise und entsprechender technischer Ausstattung zum Einsatz. Die begleitende Registerstudie wird vom Universitätsklinikum Heidelberg aus koordiniert und geleitet.

 

Bei Aneurysmen des hinteren Aortenbogens sind bisher meist zwei Operationen nötig

Ein sogenanntes Aorten-Aneurysma, eine Aufdehnung der Hauptschlagader, sollte ab einer bestimmten Größe zeitnah überbrückt und stabilisiert werden. Sonst besteht die Gefahr, dass die Gefäßwand an dieser Stelle reißt und Betroffene innerhalb von Minuten verbluten. Während Aneurysmen im Bauchraum seit 20 Jahren bereits primär endovaskulär, also mittels Kathetereingriff, behandelt werden, war dies beim Aortenbogen noch nicht in der Standardversorgung möglich: Es gab bis jetzt nur individuell hergestellte Endoprothesen mit einer Herstellungs- und damit Wartezeit von zwei bis drei Monaten.

Im akuten Notfall musste bis jetzt offen operiert werden: „Zunächst wird in einem ersten Eingriff die Armarterie mittels Bypass an die linke Halsschlagader angeschlossen, dann bei einer zweiten Operation einige Tage später das Aneurysma mit einer Endoprothese über einen Zugang in der Leiste stabilisiert“, erläutert Professor Böckler. „Das bedeutet für die Patientinnen und Patienten zweimal Operation, Narkose, und Krankenhausaufenthalt inklusive Intensivstation. Der neue Stent kann diese Belastungen deutlich verringern.“ Denn für den Einsatz des TBE-Stents reicht ein Kathetereingriff, es muss keine Arterie verlegt werden und die einzige „Wunde“ ist die ultraschallgesteuerte Punktion des Gefäßes in der Leiste, wie bei einer Herzkatheteruntersuchung. „Die Patientinnen und Patienten bleiben nur wenige Tage zur Nachbeobachtung bei uns und können fit nach Hause entlassen werden“, so der Gefäßchirurg.

Technische Ausstattung im Hybrid-OP erlaubt eine millimetergenaue Platzierung des Stents

Für komplexe Eingriffe wie diesen gibt es an der Chirurgischen Klinik des UKHD eigens zwei Hybrid-Operationssäle mit hochpräziser intraoperativer Bildgebung. Der Röntgendetektor an einem Roboterarm kann Bilder aus beliebiger Richtung aufnehmen und daraus dreidimensionale, direkt verfügbare Darstellungen erzeugen. Zusätzlich können zuvor angefertigte Aufnahmen der Computertomographie in das intraoperative Röntgenbild während der OP eingefügt werden (Fusionsbildgebung). „Eine millimetergenaue dreidimensionale Navigation und präzise Platzierung des Stents ist unverzichtbar. Zudem können wir im Notfall, wenn nötig – ohne den Patienten in einen anderen Operationssaal zu verlegen – zu einer offenen Operation wechseln oder Kolleginnen und Kollegen der Herzchirurgie hinzuziehen. Das sorgt für zusätzliche Sicherheit bei diesen diffizilen, oft lebensrettenden Eingriffen“, sagt Prof. Böckler. Jährlich operiert sein Team in Kooperation mit der Klinik für Herzchirurgie rund 100 Patientinnen und Patienten mit Aneurysmen und Dissektionen des hinteren Aortenbogens. Zwischen 15 und 20 Risiko-Patienten werden 2024 von dem neuen Verfahren profitieren. „In den kommenden Jahren wird der Anteil durch diese neue Technologie und Behandlungsstrategie steigen“, sagt Prof. Böckler. 

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Über Universitätsklinikum Heidelberg

Das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für Patientinnen und Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 14.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit rund 2.500 Betten werden jährlich circa 86.000 Patientinnen und Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.100.000 Patientinnen und Patienten ambulant behandelt. Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Krebshilfe (DKH) hat das UKHD das erste Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg etabliert. Ziel ist die Versorgung auf höchstem Niveau als onkologisches Spitzenzentrum und der schnelle Transfer vielversprechender Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik. Zudem betreibt das UKHD gemeinsam mit dem DKFZ und der Universität Heidelberg das Hopp Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), ein deutschlandweit einzigartiges Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit befinden sich an der Medizinischen Fakultät Heidelberg (MFHD) rund 4.000 angehende Ärztinnen und Ärzte in Studium und Promotion. www.klinikum.uni-heidelberg.de

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