In unserer Reihe „Wege aus der Einsamkeit“ stellen wir Ihnen nacheinander die drei Preisträger*innen des Richard-von-Weizsäcker-Journalistenpreises 2022 der Unionhilfswerk-Förderstiftung vor. Das Motto des Preises hatte uns zu dieser Themenreihe inspiriert. Denn die eingereichten Beiträge verstärkten unseren Eindruck von der großen Tragweite dieses Problems. Wir setzen die Reihe fort mit dem Beitrag „Weniger Stille in der Idylle“ von Patrick Witte für das stern-Magazin „Gesund leben“, der den ersten Preis erhielt. Die Jury hatte sich für zwei erste Preise entschieden. In dem Beitrag des Printjournalisten Patrick Witte porträtierte er die „Kümmerin“ Deniz Öz in der brandenburgischen Gemeinde Heiligengrabe.

Die Jury bewertete den Beitrag folgendermaßen (Auszug):

„Eine Kümmerin für einen Ort ist eine gleichermaßen simple und geniale Idee. Wir erleben den Wandel zu mehr Gemeinschaft, der dank Frau Öz, aber auch offener und hilfsbereiter Bewohner*innen, stattgefunden hat. Damit sind nicht alle Probleme aus der Welt geschafft, aber dieser Text zeigt konstruktiv: Eine Kümmerin kann ein sehr effektiver Anfang sein, der sich bald selbst trägt und Einsamkeit verringert – wenn der politische Wille da ist.“

Ein Leben fernab von Menschenmassen

Als sie ihre neue Arbeit begann, sagt Deniz Öz, da kümmerten sich die Bewohner von Heiligengrabe erst einmal um sie – die Kümmerin. Nahmen sie an die Hand und stellten der gebürtigen Berlinerin das Dorf in der Ostprignitz, bei Kaffeekranz und Rommé-Spiel, vor. Das war im Jahr 2017.
„Ich kenne keinen“, sagte Öz damals mehr zu sich selbst, „aber ich bin hier. Was würde den Leuten wohl gefallen?“ Ihr Arbeitsauftrag war nicht gerade eindeutig. Als Angestellte der Gemeinde sollte sie helfen, okay. Die Bürgerinnen und Bürger beraten, wie bei Fragen zu Wohngeldanträgen oder anderen Formularen, sollte Ansprechpartnerin sein und das brachliegende Dorfleben wieder ankurbeln. Öz sollte sich also kümmern. Aber wie genau? Sie fing es einfach an. Heute, fünf Jahre später, kommen die Bewohner*innen von Heiligengrabe zu ihr. Bitten um Hilfe und Rat, fragen nach Unterstützung, wenn sie eine Idee für eine neue Veranstaltung im Dorf haben. Und Öz zeigt ihnen den Weg. […] Öz organisiert Filmvorführungen und Liederabende, ruft Trödelmärkte ins Leben oder kocht Kaffee für ein Bürgerfrühstück. Immer mit einem Ziel: die Bewohner*innen, die Menschen in Heiligengrabe zusammenzubringen. […]

Für den damaligen Bürgermeister und Initiator Holger Kippenhahn war und ist das Projekt ein voller Erfolg: »Ich bin ein Fan der Kümmerin, ich finde das gut.« 40 000 Euro pro Jahr koste das pro Personalstelle, hinzu kommen Sachkosten. Heiligengrabe kann sich das zum Glück leisten. Andere Gemeinden leider nicht. Deniz Öz wird sich also auch in Zukunft um die Bürgerinnen und Bürger von Heiligengrabe kümmern. Ihre Heimat Berlin besucht sie noch ab und an, doch sie ist immer froh, wenn sie zurück ist in ihrem Dorf. Dank ihrer Arbeit gibt es in der Ostprignitz nun wieder Leben vor der Tür. Dank einer Kümmerin, die bescheiden, aber nicht ohne Stolz von ihrer Arbeit erzählt. Und die bereits die nächsten Ideen entwickelt: Eine Theaterbühne soll wiederbelebt werden. Vielleicht schon in diesem Sommer.“

Lesen Sie hier den vollständigen Beitrag „Weniger Stille in der Idylle“.

Anmerkung der Redaktion: Der damalige Bürgermeister Holger Kippenhahn stieß auf das Förderprogramm »Ländliche Entwicklung« des Bundes. Es sollte das dörfliche Leben stärken und Ideen dafür auch finanzieren. Seit 2023 läuft das Programm als Bundesprogramm Ländliche Entwicklung und Regionale Wertschöpfung (BULEplus) weiter. Auch wenn es in Heilgengrabe mittlerweile einen neuen Bürgermeister gibt, finden wir auf der Website der Gemeinde nach wie vor die Kümmerin Deniz Öz mit ihrer Einladung, Kontakt aufzunehmen.

Ausblick auf den zweiten erstplatzierten Beitrag

Demnächst stellen wir Ihnen in dieser Reihe den zweiten der beiden ersten Journalistenpreise vor: „Die Andersmacherin: Silverline“ – eine Reportage des WDR.

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