Der Fachkräftemangel erstreckt sich auch auf therapeutische Berufe. Der Bedarf an Physiotherapeuten beispielsweise kann an Kliniken, in Rehabilitations-Einrichtungen und Praxen immer schwerer gedeckt werden. Aufgrund der demografischen Entwicklung werden sich diese Lücken weiter vergrößern. Bei den derzeitigen Plänen des Bundesgesundheitsministeriums zur Akademisierung der Berufe in der Physiotherapie sieht Stefan Scharl, 2. Vorsitzender des Verbands der Privatkrankenanstalten in Bayern e.V. (VPKA), noch Nachbesserungsbedarf.

„Was in Krankenhaus, Reha und niedergelassener Praxis benötigt wird, ist gut ausgebildeter Nachwuchs, der die Menschen dabei begleitet, ihre Gesundheitsziele zu erreichen. Die Mangelversorgung, wie sie bereits existiert, muss durch eine Attraktivitätssteigerung des Berufsbilds bekämpft werden, um sowohl die Zahl der Auszubildenden als auch die Zahl der im Berufsfeld praktisch tätigen Therapeuten zu stabilisieren und zu steigern“, sagt Stefan Scharl. Um die sogenannten Heilhilfsberufe attraktiver zu machen, bestehen seit Längerem Bestrebungen zu einer Akademisierung. Das Bundesgesundheitsministerium hat Ende 2023 einen Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Reform der Berufe in der Physiotherapie“ vorgelegt. Damit wird eine Akademisierung in der Physiotherapie angestrebt, ergänzt um einen neuen praktischen Ausbildungsberuf als Masseur und Physiotherapeut.

„Grundsätzlich ist eine Akademisierung im europäischen Kontext zu begrüßen“, stellt Stefan Scharl klar, gibt aber zu bedenken: „Eine solche betrifft jedoch nur einen geringen Anteil der Arbeitsplätze bzw. geht am realen Bedarf vorbei. Rund 80 bis 90 Prozent der Therapeuten ist praktisch im Berufsfeld tätig, egal ob selbständig oder in Anstellung. Eine Akademisierung führt dazu, dass Menschen ohne Hochschulzugangsberechtigung künftig von der Ausbildung ausgeschlossen werden. Somit geht man mit einer Akademisierung am aktuellen und steigenden Bedarf an Fachkräften vorbei.“

Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang sei, dass die Hochschulen die praktische Ausbildung heute nicht selbst anbieten, aber ohne diese eine praktische Tätigkeit nach Heilberufegesetz nicht anerkannt ist. „Die Berufsfachschulen könnten dies in Kooperation kompensieren, wären aber künftig als Träger der theoretischen Ausbildung abhängig von einem Ausbildungsbetrieb als Träger der praktischen Ausbildung, denn das System soll künftig ähnlich wie in der Pflegeausbildung organisiert werden. Heute haben die Berufsfachschüler einen Ausbildungsvertrag mit einer Berufsfachschule, die die Ausbildung vollständig sicherstellt. Künftig werden sie Auszubildende sein, mit einem Ausbildungsvertrag in Krankenhäusern, Reha-Kliniken und Praxen, die dann durch umfangreiche Kooperationen die Ausbildungsinhalte organisieren müssen. Hinzu kommt die theoretische Ausbildung an der Hochschule, die in das Vertragssystem eingeflochten werden muss. Die Berufsfachschulen haben auf dieses komplexe Geflecht nur noch begrenzt Einfluss und die Finanzierung des gesamten Systems ist nicht geklärt.“

Die Umstellung des Systems gemäß dem aktuellen Referentenentwurf schaffe leider eine Vielzahl von Unsicherheiten für Auszubildende und Schulbetriebe, insbesondere aufgrund der unklaren Zuständigkeiten, Finanzierung und langen Übergangsphasen ab 2027. Klärungsbedarf bestehe auch bei der Frage nach einer Ausbildungsvergütung. Derzeit erhalten nur rund 25 Prozent der Auszubildenden eine solche. „Die Erwartung der künftigen Schüler bzw. Auszubildenden ist zurecht, dass sie eine Ausbildungsvergütung erhalten. Diese wird jedoch im geplanten System nur für den Ausbildungsplatz im Krankenhaus vorgesehen. Der überwiegende Teil der praktischen Ausbildung findet aber andernorts statt bzw. muss dort ausgebaut werden.“

In Summe sei zu befürchten, dass die notwendige Attraktivitätssteigerung durch eine „verkrampfte und erzwungene Akademisierung“ nicht erreicht werden könne und sich die Mangelsituation eher verschärfen werde, resümiert Stefan Scharl. Wichtig sei nun, die Sicht der bisherigen Berufsfachschulbetriebe als Ausbilder und die Sicht der Praktikumsbetriebe – also der Krankenhäuser, Rehaeinrichtungen und Praxen – bei den Planungen zu berücksichtigen. Dies sei bislang nicht geschehen.

Der Verband der Privatkrankenanstalten in Bayern e.V. schließt sich daher der von vielen Fachverbänden vorgetragenen Kritik explizit an und unterstützt die Forderung nach Nachbesserungen im Referentenentwurf. Stefan Scharl: „Womöglich wäre es für eine attraktive Neugestaltung der Berufsbilder in der (Physio-)Therapie jedoch hilfreicher, sich ein Beispiel an dualen Studiengängen anderer Branchen zu nehmen, in denen ein grundständiger Ausbildungsberuf sinnvoll mit der akademischen Ausbildung gekoppelt wird, ohne dass weite Teile der heutigen Ausbildungslandschaft auf der Strecke bleiben. Am wichtigsten ist, dass auch junge Menschen ohne Hochschulzugangsberechtigung oder Studienwunsch eine berufliche Perspektive erhalten. Die dankbare `Kundschaft´ wartet schon heute dringend auf motivierte Therapeuten!“

Über den Verband der Privatkrankenanstalten in Bayern e.V.

Der Verband der Privatkrankenanstalten in Bayern e. V. (VPKA) setzt sich als dynamischer und praxisnaher Verband seit mehr als 75 Jahren bayernweit für die inhaltlichen Belange der privaten Akut- und Rehakliniken ein. Er vertritt als größter Landesverband rund 170 Einrichtungen mit knapp 25.000 Betten. Sein Ziel ist eine qualitativ hochwertige, innovative und wirtschaftliche Patientenversorgung in Krankenhäusern und Rehabilitationskliniken. Neben der Beratung seiner Mitglieder vertritt er die Belange der Privatkrankenanstalten in gesellschaftlichen, sozialpolitischen und tariflichen Angelegenheiten.

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