„Im vergangenen Jahr starben in Deutschland 10.300 Menschen durch Suizid. Das ist eine erschreckende Zahl: Gegenüber 2019 bedeutet dies eine Zunahme von 14 Prozent. Besonders alarmierend ist, dass bei den Zehn- bis unter 25-Jährigen Selbsttötung die häufigste Todesursache war. Fast jeder fünfte Todesfall in diesem Alter war ein Suizid.
Das sind Zahlen, die uns aufrütteln müssen. Vor allem auch deswegen, weil die Suizidforschung zu dem Eregebnis kommt: Menschen, die sich suizidieren, wollen nicht sterben, sondern nur so wie bisher nicht mehr weiterleben. Ändern sich ihre Lebensbedingungen, kehrt auch der Lebenswille zurück. Hohe Suizidzahlen sind kein unabwendbares Schicksal, das von der Politik schulterzuckend zur Kenntnis genommen werden kann, sondern ein schrilles Alarmsignal, das den Gesetzgeber dringend zur Handlung aufruft.
Vor über einem Jahr hatte der Bundestag in seltener Einmütigkeit die Regierung aufgefordert, die Suizidprävention in Deutschland zu stärken: Bis zum 30. Juni wollte die Regierung einen Gesetzentwurf vorlegen. Dieser aber lässt auf sich warten – angesichts der besorgniserregenden Zahlen und der Dramatik, die ein Suizid für die Hinterbliebenen bedeutet, ist diese Passivität des Bundesgesundheitsministers, der hierfür zuständig ist, unentschuldbar. Zwar wurde im Mai ein nationaler Suizidpräventionsplan vorgestellt, der eine Reihe sinnvoller Maßnahmen enthält – so etwa eine zentrale Krisen-Notrufnummer sowie die spezielle Schulung von Fachkräften im Gesundheitswesen. Wie jedoch die Finanzerung von dringend erforderlichen Maßnahmen gestaltet und sichergestellt werden soll, ist bislang vollkommen offen, und weiterhin so lange unsicher, wie jede gesetzliche Grundlage durch ein Suizidpräventionsgesetz fehlt.
Dringend notwendig wäre zudem eine solide Ursachenforschung, die auch vor unangenehmen Fragen nicht zurückschreckt – wie etwa der, ob ein Staat, der die Institution Familie immer mehr in Bedrängnis bringt, damit nicht auch die Bastionen schleift, die Suizide verhindern können. Intakte Familien sind wie geschaffen dafür, Menschen gegen Suizidalität zu immunisieren. Sie bieten Geborgenheit und schützen vor Vereinsamung. Hier müssten dringend neue Wege gefunden werden, um Ersatzstrukturen zu schaffen – es sei denn, die Bundesregierung besinnt sich ihrer verfassungsgemäßen Pflichten aus Art. 6 Abs. 1 GG und lässt dem natürlich gewachsenen Sozialverband, der die Familie ist, nicht nur die angemessene Wertschätzung, sondern auch die notwendige finanzielle Absicherung zukommen. Zuwendung, Anteilnahme, tatkräftige Hilfe und Unterstützung werden in Familien ganz ohne aufwändige und kostenintensive Schulungen durch Fachkräfte selbstverständlich gelebt. Dies anzuerkennen und die Familien zu stärken sollte daher der erste Schritt der Suizidprävention sein.“
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