„Klassentreffen des Datenschutzes“ – so charakterisierte der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg (LfDI) Prof. Dr. Tobias O. Keber die am heutigen Mittwoch in Stuttgart gestartete BvD-Herbstkonferenz „Wirtschaft trifft Aufsicht“ zum Auftakt. Das Motto des mittlerweile siebten Jahrgangs widmet sich dem „Regularien-Tsunami“ der EU-Digitalgesetzgebung. Als eine Naturgewalt wolle Keber die zahlreichen neuen Rechtsakte jedoch nicht verstanden wissen, sondern als Ergebnis eines demokratischen Prozesses, in den auch aus Kreisen der Datenschutzaufsicht und -praxis Ideen einfließen könnten. Michael Will, Präsident des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht (BayLDA), stimmte ihm zu, dass die immer größere Dichte von neuen Themen keine Naturkatastrophe sei. Allerdings könne man laut Will durchaus von einem datenschutzrechtlichen „Klimawandel“ sprechen. Die Datenschutzbeauftragten sieht Will im Zusammenhang mit den zahlreichen neuen Rechtsakten „als diejenigen, die ganz schnell gefragt werden“, und appellierte dabei an das Plenum der rund 250 Datenschutzfachleute: „Lassen Sie uns vor dieser Aufgabe nicht davonlaufen, was man bei einem Tsunami ja durchaus machen würde, sondern uns dieser Aufgabe stellen.“ Gleichzeitig wies er darauf hin, dass es sich dabei um eine hoch anspruchsvolle Aufgabe handle, nämlich die „Digitalisierung erfolgreich und grundrechtskonform zu begleiten.“

Diese von Will skizzierte Aufgabenstellung steht im Widerspruch zu dem immer wieder in politischen Debatten gezeichneten Zerrbild vom Datenschutzbeauftragten als Verhinderer. Gegen dieses Zerrbild sprach sich auch Björn Beck, Leiter Innovationslabor der baden-württembergischen Landesregierung, in seiner Keynote aus. Unter dem Titel „KI-Innovation und Datenschutz: Ein Widerspruch?“ plädierte er dafür, sich auf den gesellschaftlichen Wert von Datenschutz zu besinnen: „Innovation und Datenschutz darf kein Spannungsfeld sein, sie müssen Hand in Hand gehen.“ Die beratende begleitende Funktion von Datenschutzbeauftragten nehme er in Baden-Württemberg als beispielhaft wahr und begrüße sie ausdrücklich.

Auch Thomas Spaeing, Vorstandsvorsitzender des Berufsverbands der Datenschutzbeauftragten (BvD) e.V., hob die effiziente Arbeit der Datenschutzaufsichtsbehörden in seinem Grußwort hervor. Als Beispiel nannte er einen aktuellen Beschluss der Datenschutzkonferenz (DSK), dem Gremium der unabhängigen deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder. Dieser enthält eine von den Aufsichtsbehörden akzeptierte Opt-Out-Lösung für die ausnahmsweise Übermittlung von Postadressen der Kundinnen und Kunden ohne Einwilligung – gestützt auf eine Interessenabwägung. Insbesondere für Klein- und Kleinstunternehmen sie dies ein sehr effektiver Abbau von Bürokratie. Dagegen liefen die neuerdings wieder aufkommenden politischen Debatten über Maßnahmen, wie man die Aufsichts-behörden effizienter machen und Bürokratie abbauen könne, vollkommen ins Leere. Vielmehr seien dies nur Ideen, wie man den Schutz von Persönlichkeitsrechten im Datenschutz reduzieren kann.

Nach dem heutigen Auftakt, bei dem auch der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) Wojciech Wiewiórowski eine Videobotschaft an die Teilnehmenden richtete, spricht am morgigen Donnerstag unter anderem Thomas Zerdick, Leiter des Referats „Aufsicht und Durchsetzung“ beim Europäischen Datenschutzausschuss (EDSA) über aktuelle Fragestellungen und Aufgabenschwerpunkte des EDSB. Am Freitag schließt sich der BvD-Behördentag an, der sich speziell an Datenschutzbeauftragte öffentlicher Einrichtungen richtet. Zu hören sind in den Keynotes und Fachvorträgen unter anderem Prof. Dr. Thomas Petri, Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, der baden-württembergische LfDI Prof. Dr. Keber sowie Nicole Matthöfer, die Präsidentin der Cybersicherheitsagentur Baden-Württemberg.

Die zweitägige BvD-Herbstkonferenz und der anschließende Behördentag sind eine Gemeinschaftsveranstaltung des BvD mit dem Bayerischen Landesbeauftragten für Datenschutz, dem Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht und dem Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg.

Über den Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands (BvD) e.V.

Mit mehr als 30 Jahren Erfahrung ist der BvD die älteste Interessenvertretung für betriebliche und behördliche Datenschutzbeauftragte und -berater. BvD-Mitglieder sind in allen Branchen vertreten, insbesondere IT und IKT, Industrie/Produktion, Handel/Vertrieb, Beratung und Gesundheits- und Sozialwesen – und dort als konstruktiv-lösungsorientierte Datenschutzexperten ein wichtiger Partner für die verantwortliche Unternehmensleitung. Alle Vorstände, alle Leiter von Arbeitskreisen, Ausschüssen und Regionalgruppen des BvD bringen ihre praktische Erfahrung unentgeltlich in die Verbandsarbeit ein. Mit der Gründung des Europäischen Dachverbandes EFDPO hat der BvD die Weichen für verstärkte Vernetzung und Kommunikation auf EU-Ebene gestellt.

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