- Allein für Autobahn-, Eisenbahn- und Energieinfrastruktur besteht ein Investitionsbedarf von rund 400 Mrd. Euro in den nächsten zehn Jahren
- Staatliche Projektgesellschaften sind eine Lösung bei der Finanzierung der Infrastruktur
- Fondsgesellschaften werden eine wichtige Rolle spielen
In Deutschland besteht erheblicher Investitionsbedarf in die Infrastruktur. Dies gilt insbesondere für die Sanierung und den Ausbau von Straßen, Brücken, Schienen, den Aufbau der digitalen Infrastruktur oder für Investitionen in erneuerbare Energien und Leitungsnetze. Allein für Autobahnen, Eisenbahn und Energieinfrastruktur werden in den kommenden zehn Jahren rund 400 Mrd. Euro benötigt. Der Gesamtbedarf dürfte allerdings noch höher sein. Denn bislang gibt es keine übergreifende Erfassung von Infrastrukturaufwendungen und dem Gesamtbedarf. „Deutschlands Infrastruktur lebt fast nur noch von ihrer Substanz“, bringt es Professor Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld von der Universität Freiburg in seiner Studie zum öffentlichen Investitionsbedarf auf den Punkt, die er im Auftrag von Union Investment erstellt hat. Aus eigener Kraft dürfte der Staat die Ausgaben kaum stemmen können. Private Investitionen über gezielte Fondsmodelle können laut der Untersuchung hier einen wertvollen Beitrag leisten. „Als Kapitalsammelstelle bringen Fondsgesellschaften das vorhandene Geld dahin, wo es eingesetzt werden sollte. Deswegen werden sie zukünftig eine wichtige Rolle bei der Finanzierung von Infrastruktur spielen“, betont Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender von Union Investment.
Wie nicht zuletzt der Einsturz der Carolabrücke in Dresden gezeigt hat, ist die Infrastruktur in Deutschland marode. Das Fatale dabei ist, dass Infrastrukturinvestitionen in Deutschland bisher nicht systematisch erfasst werden und es keinen Überblick gibt, wie hoch die benötigten Mittel insgesamt wirklich sind. Denn einen großen Teil der staatlichen Bauinvestitionen tragen die Kommunen. „Es bleibt unklar, wie viel tatsächlich in die öffentliche Infrastruktur investiert wird und wie hoch der gesamte Investitionsbedarf im Bereich der staatlichen Infrastruktur ist. Hinzu kommt, dass es aufgrund des föderalen Systems in Deutschland nicht eine große Investitionslücke, sondern multiple Investitionsbedarfe in verschiedenen föderalen Verantwortungsbereichen gibt“, betont Studienleiter Feld.
Allein für Autobahn-, Eisenbahn- und Energieinfrastruktur besteht ein Investitionsbedarf von rund 400 Mrd. Euro
Klar ist: Für Instandhaltung und Ausbau der Infrastruktur werden Summen benötigt, die der Staat alleine nicht aufbringen kann. Im Jahr 2022 betrug die Investitionsquote aller Gebietskörperschaften zusammen 2,6 Prozent des realen BIP. Je 0,8 Prozent entfielen davon auf Bund und Länder und 1,0 Prozent auf die Gemeinden. Damit liegt die derzeitige Investitionsquote Deutschlands etwa ein Prozentpunkt unter dem durchschnittlichen Wert der OECD-Länder. „Über den tatsächlichen Bedarf sagen diese Zahlen aber wenig aus. Die staatlichen Investitionen in Deutschland reichen seit langem nicht mehr, um den Bestand zu sichern“, fasst Feld zusammen.
Wenngleich niemand einen Gesamtüberblick hat, können die benötigten Summen in den drei zentralen Bereichen Straßen-, Bahn- und Energieinfrastruktur eine Orientierung bieten. Basierend auf aktuellen Angaben des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr wird der Investitionsbedarf alleine für die Straßeninfrastruktur des Bundes, also Autobahnen und Bundesfernstraßen, für die Jahre 2025 bis 2028 auf über 57 Milliarden Euro geschätzt. Der Bedarf für die Bahn beträgt im gleichen Zeitraum laut Ministerium 63 Milliarden Euro. Und für die Energieinfrastruktur liegt der geschätzte Investitionsbedarf aufgrund der Energiewende bei On- und Offshore-Anlagen bei bis zu 270 Milliarden Euro bis zum Jahr 2037.
Staatliche Projektgesellschaften sind eine Lösung bei der Finanzierung der Infrastruktur
„Angesichts des hohen finanziellen Bedarfs ist es notwendig, die Potenziale privaten Kapitals zu erschließen“, ist Feld überzeugt. Eine Alternative zu früheren Ansätzen bei der Generierung privater Mittel ist die Finanzierung durch Infrastrukturfonds. Über sie könnten private und institutionelle Investoren auch in staatliche Projektgesellschaften investieren, die für Bau, Betrieb und Verwaltung öffentlicher Infrastruktur zuständig sind. Diese hält Feld für eine zentrale Stellschraube bei der Finanzierung der Infrastruktur. Allerdings nur, wenn deren Rahmenbedingungen angepasst würden.
In Deutschland existieren in verschiedenen Bereichen privatrechtlich organisierten Infrastrukturgesellschaften, an denen der Staat beteiligt ist und die die Instandhaltung und den Aus- oder Umbau öffentlicher Infrastruktur planen, organisieren und durchführen. Dazu gehören beispielsweise die Autobahn GmbH oder die DB InfraGO AG. „Werden diese Gesellschaften mit bestimmten Kompetenzen wie eigener Einnahme- oder Kreditfähigkeit ausgestattet, könnten attraktive Geschäftsmodelle entstehen, die sich als Anlageobjekte für entsprechende Fonds anböten“, so Feld. Im Bereich der Energie sieht der Experte eine Lösung in der Gründung einer übergeordneten Netz-Infrastrukturgesellschaft, die die staatlichen Beteiligungen an den Übertragungsnetzbetreibern bündelt und in die dann Geldgeber investieren könnten.
Fondsgesellschaften werden eine wichtige Rolle bei der Finanzierung von Infrastrukturprojekten spielen
„Eine funktionierende Infrastruktur ist die Basis für eine wachsende Wirtschaft und den Wohlstand unseres Landes“, ist auch Reinke überzeugt. Dass es hier deutlichen Handlungsbedarf gibt, zeigt auch eine Untersuchung des World Economic Forum. Demnach ist Deutschland in der Qualität der Infrastruktur im internationalen Vergleich von Rang drei im Jahr 2006 auf Rang zwölf im Jahr 2018 gerutscht. Daher sei es unerlässlich, die Finanzierungsbasis im Infrastrukturbereich breiter aufzustellen, so Reinke. „Fondsgesellschaften werden bei Investitionen in Infrastruktur eine wichtige Rolle spielen. Denn als Kapitalsammelstelle bringen wir das vorhandene Geld dahin, wo es eingesetzt werden sollte.“ Dies stamme zwar hauptsächlich immer noch von institutionellen Anlegern, jedoch sei Infrastruktur kein Thema ausschließlich für Profis. Neuerdings hätten nämlich auch Privatkunden die Möglichkeit, auf einem vereinfachten Weg in Infrastruktur zu investieren.
Einen wichtigen Rahmen hierfür bietet die überarbeitete und seit diesem Jahr anwendbare Verordnung für ELTIF. Im Gegensatz zu klassischen Fonds, die in Aktien oder Anleihen investieren, weisen Infrastrukturinvestments einige Besonderheiten auf. So werden Anlagen im Privatmarkt weniger stark von Konjunkturzyklen beeinflusst und entwickeln sich aufgrund unterschiedlicher Preisfeststellungszyklen unabhängiger als börsennotierte Anlageklassen. Dadurch können sie helfen, die Vermögensstruktur im Portfolio auf eine breitere Basis zu stellen. Außerdem können viele Infrastrukturinvestments gut prognostizierbare und stabile Erträge erzielen. Für jeden sei eine solche Anlage aber nicht geeignet. „Der ELTIF ist eine Beimischung für Anleger, die bereits über eine breitere Erfahrung mit Wertpapieren verfügen. Wenn es gelingt, das Kapital zu aktivieren, ist das eine gewaltige Chance für unsere Kunden und unser Gemeinwesen gleichermaßen“, betont Reinke. Das sei jedoch eine langfristige Aufgabe. „Heute sind private Investitionen in Infrastrukturprojekte nur der Anfang für ein Thema, das uns in den kommenden Jahren immer stärker beschäftigen wird.“ Um künftig wettbewerbsfähiger und resilienter zu sein, seien massive Investitionen in diese Bereiche notwendig. Das sei gerade mit Blick auf die nachhaltige und digitale Transformation der Wirtschaft relevant, so Reinke.
Die Union Investment Gruppe ist mit einem verwalteten Vermögen von 486,9 Milliarden Euro der Experte für Asset Management in der genossenschaftlichen FinanzGruppe und eine der größten deutschen Fondsgesellschaften. Rund 4.400 Mitarbeitende betreuen 1.329 Fonds für private und institutionelle Anleger. Insgesamt vertrauen Union Investment rund 5,9 Millionen Kunden ihr Geld an.
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