„Traut uns mehr zu!“ – diese Forderung der Betroffenen auf dem Podium des Fachtags stand geradezu sinnbildlich für ihr Empowerment. Der interne Fachtag des Projekts „EX-IN – Mit Peers arbeiten“ diente mit seinen zwei Durchläufen am 24. und 25. September 2024 als offizielle und festliche Auftaktveranstaltung für die Implementierung von Genesungsbegleitung im Fachbereich „Einrichtungen für Menschen mit psychischer Erkrankung“ des Unionhilfswerks.

160 Mitarbeiter*innen nahmen an der Auftaktveranstaltung für die geplante Einstellung und den Einsatz von Genesungsbegleiter*innen (EX-IN) ab 2025 in den Räumen des „aquarium“ des Vereins Narrativ e.V. in Kreuzberg teil.

Vermittlung von Hoffnung und Perspektive

Nach einer Begrüßung durch die Fachbereichsleiterin Sabine Jeschke und das Projektteam, zeigte ein Projektrückblick, dass es dem 2019 gestarteten Projekt „EX-IN – Mit Peers arbeiten“ über verschiedene Formate der Information und Partizipation gelungen ist, den Fachbereich gut auf den Einsatz von EX-IN vorzubereiten und im Pilot- und Leuchtturmprojekt in der Beschäftigungstagesstätte Neukölln (BTS) wesentliche Ergebnisse für die Praxis zu erarbeiten.

Das Herzstück der Veranstaltung bildete ein Podiumsgespräch mit Mitarbeiter*innen aus dem Pilot BTS, zwei Genesungsbegleiter*innen sowie mehreren Klient*innen bzw. Nutzer*innen. Das Podium und besonders der mutige „Auftritt“ der Klient*innen, die in ihren eigenen Worten die positiven Effekte der Arbeit von Genesungsbegleiter*innen – beispielsweise die Vermittlung von Hoffnung und Perspektive – beschrieben, vermittelten eine Idee von echter Inklusion und Teilhabe.

„Ich bin nicht meine Diagnose“

„Ich bin nicht meine Diagnose“, erklärte etwa eine der Teilnehmer*innen der Recovery-Gruppe der BTS auf dem Podium und sagte, dass sie es sinnvoll findet, Genesungsbegleiter*innen auch in anderen Einrichtungen einzusetzen. Im Pilotprojekt in der BTS Neukölln ist es mit dem moderierten Selbsthilfeformat der Recovery-Gruppe gelungen, den Klient*innen einen vertrauensvollen Raum zur Verfügung zu stellen, in dem sie sich über ihre eigenen Themen austauschen und sich gegenseitig stärken können.

Das eigene Erfahrungswissen als Kompetenz einsetzen

Die offenen und authentischen Ansprachen der Genesungsbegleiter*innen auf dem Podium machten deutlich, wie empowernd es sein kann, mit dem eigenen Erfahrungswissen zu arbeiten unddas, was über Jahre mühsam versteckt werden musste, als Kompetenz einzusetzen. Und vor allem, dass „Recovery“ nicht nur ein Wort bleiben muss. Schließlich verwiesen die Mitarbeiter*innen aus dem Pilot in ihren Beiträgen darauf, wie wertvoll die Betroffenen-Perspektive für ein Team sein kann, das sich erst so zu einem multiprofessionellen Team entwickelt.

Nach einigen interessierten Fragen aus dem Kreis der Zuhörenden bot eine Pause die Gelegenheit für Austausch – bei einem sehr leckeren Imbiss und Fingerfood der Service Inklusiv gGmbH.

Auf Flipcharts konnten die Teilnehmer*innen des Fachtags ihre mit dem Einsatz von Genesungsbegleiter*innen verbundenen Hoffnungen vermerken – etwa „Abbau von Stigmatisierung“, „professionelles Arbeiten“, „neue Perspektiven eröffnen und erfahrbar machen“, aber auch: „schwer erreichbare Menschen doch zu erreichen“.

„Es geht darum, dass Inklusion auch in der jeweiligen Lebenswirklichkeit erfahren wird.“

Sowohl die Fachbereichsleiterin Sabine Jeschke als auch Geschäftsführerin Ulrike Hinrichs wertschätzten und dankten alle Beteiligten, die an der Implementierung der Genesungsbegleitung mitwirken. In ihrer Videobotschaft unterstrich Ulrike Hinrichs: „Inklusion ist ein Menschenrecht. Teilhabe ist ein Menschenrecht. Es geht nicht nur darum, dass jedes Mitglied der Gesellschaft formal ein Recht auf Inklusion hat, sondern dass Inklusion auch in der jeweiligen Lebenswirklichkeit erfahren wird.“ Zugleich betonte sie die klare Vision, Inklusion im Unionhilfswerk konsequent voranzutreiben. Sie verwies darauf, dass die ersten Stellenausschreibungen für Genesungsbegleiter*innen für das erste Halbjahr 2025 geplant sind.

„Danke an die mutigen Sprecher*innen auf der Bühne!“

Als kleiner zeremonieller Abschluss des internen Fachtags schnitten das Projektteam und eine Klientin ein weißrotes Flatterband durch – symbolisch für den Abbau von Barrieren, der für Inklusion so zentral ist.
Es gab zahlreiches positives Feedback zu dem Fachtag von den Anwesenden. Die Mitarbeiter*innen hatten zudem die Möglichkeit, auf Vielfaltskarten eine Rückmeldung zur Veranstaltung zu geben. Ein*e Teilnehmer*in schrieb etwa: „Informativer Fachtag, der sehr viele Perspektiven und Erfahrungen einbezogen hat!“ Ein*e andere*r: „Ich fand es toll, dass auch Klient*innen zur Sprache kamen.“ Oder: „Danke an die mutigen Sprecher*innen auf der Bühne! Tolles Projekt!“

Es braucht eine Art „Willkommenskultur“

Für die zukünftigen, einzustellenden Genesungsbegleiter*innen braucht es eine Art „Willkommenskultur“ im Fachbereich Psychiatrie. Zumindest bei den Teilnehmer*innen des Fachtags scheint diese Offenheit gegeben. So fand sich auf einigen Karten der Satz: „Ich freue mich auf die*den erste*n EX-IN-Mitarbeiter*in in meinem Team!“ Auch in den bisherigen Informationsveranstaltungen des Projekts hat sich gezeigt, dass die meisten Kolleg*innen grundsätzlich offen sind für einen zukünftigen Einsatz von EX-IN.

Der Ort für diesen Auftakt wurde nicht ohne Grund gewählt. So fand dort im März 2019 die Abschlussveranstaltung des InklusionNetzwerkNeukölln (INN) statt. Dieses Projekt des Unionhilfswerks hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die zumeist unsichtbaren Barrieren für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen abzubauen und ihr Recht auf Teilhabe umzusetzen. Das im Anschluss initiierte Projekt „EX-IN – Mit Peers arbeiten“ führt diese Arbeit fort. Auch im März 2019 ergriffen Betroffene auf der Bühne und im Publikum das Wort. Traut uns mehr zu!

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