Die Faszination von Homöopathie
Erinnern wir uns zurück an unseren Einstieg in die Homöopathie, so verbinden viele von uns den Beginn dieser »Liebesbeziehung« wahrscheinlich mit einer beeindruckenden persönlichen Erfahrung, bei sich selbst oder im näheren Umfeld, die zu dem Wunsch führte, Homöopathie zu erlernen. Insbesondere in den Jahren zwischen 1980 und 2010, einer Blütezeit der Homöopathie in Europa mit hoher medialer Akzeptanz, wurde in den Ausbildungen noch ein Selbstverständnis vermittelt, das die »ausschließliche« Ausübung von Homöopathie als erstrebenswert erachtete. Schwer zu erlernen, aufwändig in der Praxis und nicht zuletzt mit dem Ähnlichkeitsgesetz als Grundlage, galt es geradezu als Qualitätsmerkmal, ja als Auszeichnung, rein nach homöopathischen Regeln zu praktizieren. Dabei berief man sich gerne auf Hahnemann, der in seiner bisweilen scharfen Abgrenzung zur Medizin seiner Zeit wenig zimperlich und dabei durchaus zu missverstehen war. Auch seine Aufstellung von Faktoren, die sich störend auf eine Behandlung auswirken können und damit einhergehenden Verboten – wovon etliche bis heute als relevant gelten – wurde gerne herangezogen. Das hat in manchen Fällen zu einer Form von Dogmatismus geführt, die durchaus kritikwürdig ist. Wir wollen an dieser Stelle betrachten, inwiefern diese Praxis heute noch gängig ist.
Integrative Konzepte der frühen Homöopathen
Die Einbeziehung geeigneter zusätzlicher Maßnahmen in ein patientengerechtes Therapiekonzept können wir, ganz im Gegensatz zum zuvor Beschriebenen, schon bei den frühen Homöopathen finden. Allen voran erwähnte bereits Hahnemann selbst hygienische und prophylaktische Maßnahmen, Anweisungen zu Diät und Lebensführung, die Berücksichtigung „psychotherapeutischer“ Ansätze, die physikalische und die Hydrotherapie. Bei Notfällen war er sich durchaus der Tatsache bewusst, dass »allopathische« Maßnahmen hilfreich sein können. Hier lassen sich bereits Ansätze einer »integrativen Medizin« erkennen. Hahnemanns gleichzeitige Ablehnung der seinerzeit etablierten therapeutischen Möglichkeiten muss heute vor dem Hintergrund der enormen Weiterentwicklungen und Veränderungen der Medizin verstanden werden und ist auf die moderne Medizin im Allgemeinen nicht übertragbar.
Therapeutische Vielfalt in der homöopathischen Praxis
Das Selbstverständnis von Homöopathen hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten also grundlegend gewandelt. Wie eine in 2024 durchgeführte, repräsentative Umfrage (631 Teilnehmer) des Verbands klassischer Homöopathen Deutschlands e.V. (VKHD) ergeben hat, gibt es heute eine breite methodische Vielfalt in homöopathischen Praxen: Der überwiegende Teil der Befragten setzt ergänzend zur Homöopathie auch andere Methoden ein: 38% in eher geringem Umfang, 31% in bis zu 25% und rund 13% in mehr als 50% ihrer Fälle. Schwerpunkte alternativer Methoden liegen dabei in den Bereichen Psychotherapie/Coaching, Phytotherapie sowie manuelle Therapien. 72% der Befragten behandeln auch Krebspatienten, davon gaben 99% an, dies begleitend zu einer ärztlichen Behandlung/Kontrolle zu tun.
Flankiert von den Ergebnissen der VKHD-internen »Arbeitsgruppe Identität« führen die Daten aus der Umfrage zu folgender Erkenntnis: Homöopathinnen und Homöopathen arbeiten proaktiv mit anderen medizinischen Fachrichtungen zusammen und wenden, ergänzend zur homöopathischen Behandlung, selbst auch andere Therapiemethoden an. Komplexe Krankheitsbilder wie z.B. Krebs werden grundsätzlich fachübergreifend behandelt. An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass von Seiten konventioneller Mediziner eine entsprechende Bereitschaft zur Kooperation mit Heilpraktikern deutlich seltener vorhanden ist.
Fazit
Als eine der großen Therapiemethoden eignet sich Homöopathie ganz besonders dazu, den zentralen Pfeiler einer Praxis einzunehmen. Wo sie angezeigt ist – und das ist ein breites Spektrum an Pathologien – können ihr Wert und ihr Nutzen gar nicht hoch genug geschätzt werden. Homöopathinnen und Homöopathen haben es darüber hinaus geschafft integrative Praxis-Konzepte zu entwickeln, die sowohl die Anwendung begleitender Therapieverfahren als auch die Kooperation mit anderen Fachrichtungen im Gesundheitswesen umfassen. Diese Entwicklung ist gleichermaßen sinnvoll wie begrüßenswert und trägt den Anforderungen unserer Zeit Rechnung, angemessen auf die Bedürfnisse unserer Patienten einzugehen, andere therapeutische Ansätze, mit ihren technischen und diagnostischen Möglichkeiten, im Sinne des Patientenwohls, sinnvoll mit einer homöopathischen Behandlung zu kombinieren und nicht zuletzt den Einsatzbereich der Homöopathie stetig zu erweitern. Der Begriff »Praxis für Homöopathie« hat dabei einen unverändert hohen Stellenwert.
Helmut Schnellrieder für die »Arbeitsgruppe Identität«[1] des VKHD.
(Eine ausführlichere Version dieses Artikels, die weitere Arbeitsergebnisse der »AG Identität« enthält, ist hier zu finden: https://www.vkhd.de/…)
[1] Die »AG Identität« setzt sich wie folgt zusammen: Bettina Henkel, Sabine Rossen, Sandra Schulte, Dennis Habermann, Markus Dankesreiter, Helmut Schnellrieder.
Der VKHD – Berufsverband für klassisch homöopathisch therapierende Heilpraktiker*innen in Deutschland
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