Landrat Dr. Jens Mischak wählt ein einprägsames Bild, um die Haushaltslage der Landkreise und nicht zuletzt des Vogelsbergkreises zu beschreiben: „Wir fahren in den Landkreisen auf einem Schiff, das zu großen Teilen von einem Autopiloten gelenkt wird, der nicht von uns selbst programmiert wurde. Schnelligkeit, Richtung, Kosten und Ziel definieren daher vor allem der Bund und in kleineren Anteilen auch das Land. Wir bleiben aber zu einem immer größer werdenden Teil auf den Betriebskosten dieses Schiffes sitzen.“ Und das hat weitreichende Folgen, wie der Landrat am Donnerstag bei der Einbringung des Haushaltsplanentwurfs aufzeigte: Erneut kann das Zahlenwerk nicht ausgeglichen werden, rund 4,2 Millionen Euro fehlen im Moment. Im Laufe des Jahres wird man diesen Fehlbetrag noch einmal durch Rücklagen aus den Vorjahren auffangen können, somit ist kein Haushaltssicherungskonzept erforderlich.

Der Vogelsberg steht nicht allein da mit seinen finanziellen Sorgen. In ihrer „Wiesbadener Erklärung“ hat die Mitgliederversammlung des Hessischen Landkreistages im November auf die „alarmierende Haushaltslage“ aller Kreise hingewiesen und vor flächendeckenden Millionendefiziten gewarnt, erinnert Mischak und mahnt: „Wenn wir in Deutschland im nächsten Jahr nicht parteiübergreifend einen wirklichen Aufbruch hinbekommen, dann sehe ich auf längere Sicht für die Haushalte aller staatlichen, wie aber auch kommunalen Ebenen keine wirkliche Lösung.“ In den vergangenen 20 Jahren sei Deutschland wirtschaftlich recht erfolgreich gewesen. In der Folge seien die Steuereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen immer weiter angestiegen. Gestiegen seien aber auch die Kosten, insbesondere die Sozialausgaben. „Seit geraumer Zeit reichen daher die eigentlich üppig vorhandenen Steuereinnahmen der öffentlichen Haushalte nicht mehr, diese stetig steigende Ausgabenlast zu decken.“ Hinzu komme eine schwächelnde Wirtschaft mit fehlenden Steigerungen bei den Steuereinnahmen. Die große Herausforderung – auch für die künftige Bundesregierung – werde sein, „den Menschen ehrlich zu sagen, dass wir nicht alles, was wir in den letzten Jahren an Standards, Zuschüssen und staatlichen Unterstützungsleistungen aufgebaut haben, so werden weiterführen können“.

Trotz dieser äußeren Unsicherheiten will Mischak für den Vogelsbergkreis ein „Signal der Zuversicht und Stabilität“ aussenden, formuliert er seinen Anspruch in der letzten Kreistagssitzung des Jahres am Donnerstag in der Aula der Sparkasse.  „Wir im Vogelsbergkreis haben in der Vergangenheit oft bewiesen, dass wir in der Lage sind, auch in schwierigen Zeiten zusammenzuhalten und kreative Lösungen zu finden. Deswegen sage ich auch sehr offen: Wenn die Hilfe von oben nicht in dem Maße zu erwarten ist, müssen wir uns, so gut es eben geht, selbst helfen. Es nützt am Ende ja niemandem, in eine allgemeine Larmoyanz zu verfallen.“

Auf drei Bereiche des rund 250-Millionen Etats konzentriert sich der Landrat zunächst: Soziales, Personal und den Kommunaler Finanzausgleich. Zwei Drittel der Gesamtaufwendungen – nämlich 160 Millionen – fließen allein in den Bereich Soziales mit den Teilhaushalten Soziale Sicherung und Jugendamt und Umlage an den Landeswohlfahrtsverband. Allein im Sozialen entsteht ein negatives Jahresergebnis von rund 92 Millionen Euro, rechnet Mischak vor.

Mit 65,2 Millionen Euro schlagen die Personalkosten zu Buche. Der Landrat spricht von einer „restriktiven Linie“, der der Kreis fährt, so enthält der Stellenplan 2025 keine neuen Stellen, unverändert gibt es eine Stellenbesetzungssperre, so dass freiwerdende Stellen erst nach drei beziehungsweise sechs Monaten wieder besetzt werden. „Aus dem Verwaltungsalltag kann ich ihnen berichten, dass diese Sperre harte Einschnitten mit sich bringt und dies zu einer zusätzlichen Belastung der Kolleginnen und Kollegen führt“, betont der Landrat. Auch auf die Bürger wirke sich der Sparkurs aus, die beispielsweise längere Bearbeitungszeiten akzeptieren müssten.

Die größte Einnahmequelle des Kreises ist der Kommunale Finanzausgleich, positive Nachrichten gibt es auch hier nicht. Im Gegenteil: Kürzungen führen dazu, dass allein die Schlüsselzuweisungen mehr als 3,5 Millionen Euro geringer ausfallen. Zudem führt die Kürzung mittelbar zu geringeren Kreisumlagegrundlagen, wodurch sich auch hier die Erträge zusätzlich um rund 3,2 Millionen gegenüber der letztjährigen Planung reduzieren. Gleichzeitig ist im Vergleich zum Vorjahr die Umlage an den Landeswohlfahrtsverband um 1,3 Millionen auf insgesamt 24,1 Millionen gestiegen.

Die Folge: Bei der Aufstellung des Etats waren „massive Einschnitte“ erforderlich, sagt Mischak und betont: „Wir sind an die Grenze des Möglichen gegangen und haben alle Aufwandspositionen kritisch hinterfragt. Außerdem haben wir uns an die Grenze der freiwilligen Leistungen aus dem letztjährigen Haushaltssicherungskonzepts gehalten.“ 

Vor diesem Hintergrund fordert er, den Finanzbedarf der Kommunen und den Konnexitätsgrundsatz wieder ernst zu nehmen. „Wir können es uns nicht weiter leisten, den Landkreisen immer mehr Aufgaben aufzubürden, deren Finanzierung jedoch nicht zu klären,“ unterstreicht der Landrat und fordert alle, insbesondere die Landtagsabgeordneten, auf, ihren Einfluss auf die Entscheider geltend zu machen, „damit der Kommunale Finanzausgleich wieder zu einer angemessenen Finanzausstattung führt und wir wieder in der Lage sind, neben Pflichtaufgaben auch ein Mindestmaß an freiwilligen Aufgaben wahrzunehmen zu können“.

Kurz geht der Landrat noch auf die Aufgabenkritik, ein Thema des letztjährigen Haushaltssicherungskonzeptes, ein, ehe er sich den Investitionen widmet, die im nächsten Jahr umgesetzt werden sollen. Trotz der vielen Herausforderungen will der Kreis über 15 Millionen in seine Infrastruktur investieren.

Die mit weitem Abstand bedeutendste Maßnahme der kommenden Jahre ist aber zweifellos der Neubau des Kreiskrankenhauses in Alsfeld. Als Eigentümer der GmbH ist der Kreis maßgeblich an dessen Finanzierung beteiligt. Die aktuelle Kostenschätzung auf Basis des Baupreisindexes 4. Quartal 2023 prognostiziert Gesamtkosten in Höhe von rund 97 Millionen Euro. Aus dem Kommunalen Investitionsprogramm erhält der Kreis eine Förderung in Höhe von 21 Millionen, außerdem hat das Land eine zusätzliche Förderung in Höhe von 25 Millionen zugesagt. Die Kreiskrankenhaus GmbH ist mit 8 Millionen an der Finanzierung beteiligt. Die übrigen 43 Millionen sind vom Landkreis zu finanzieren.

Ansonsten fließt Geld in die Schulen. Für den Ausbau der Digitalisierung an Schulen sind über 600.000 Euro eingeplant. Sollte sich der Bund mit den Ländern noch auf die Fortführung des Digitalpakts verständigen, erhöht sich der Auszahlungsbetrag um eine weitere Million, kündigt der Landrat an. Das Hauptaugenmerk liegt hier auf der flächendeckenden Ausstattung der Klassenräume mit neuen interaktiven Tafelsystemen.

Für die Oberwaldschulestellt der Kreis die erforderliche Mittel für die Fertigstellung des 2.  Bauabschnitt und für die Planungen des 3. Bauabschnitts bereit. Und für die Stadtschule Alsfeld wird ein neues Multifunktionsgebäude mit Mensa geplant. An der Cornelia-Funke-Schule in Schwalmtal sollen in Absprache mit der Schule die beiden Standorte Storndorf und Brauerschwend vereint werden, in Brauerschwend soll ein Erweiterungsbau errichtet werden. Somit werden die räumlichen Kapazitäten geschaffen, um den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, der ab 2026 stufenweise eingeführt wird, erfüllen zu können.

„Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ist ein Paradebeispiel für die Missachtung des Konnexitätsprinzips. Der auf Bundesebene beschlossene Rechtsanspruch führt in unserer Finanzplanung zu einem Zuschussbedarf von über 10 Millionen Euro. Diesen müssen wir über Kredite decken und er schränkt unsere übrigen Investitionsspielräume nahezu vollständig ein“, gibt Dr. Mischak zu bedenken.

Drei Maßnahmen sind schließlich noch im Bereich Kreisstraßen geplant: Ortsdurchfahrt Lautertal-Hopfmannsfeld, die freie Strecke Antrifttal-Bernsburg bis zur Abzweigung K 63 und die freie Strecke Alsfeld-Fischbach bis zur L3145. Rund 1,8 Millionen sind dafür vorgesehen. Neben Investitionen in die IT-Infrastruktur der Kreisverwaltung findet der Landrat ein Projekt besonders erwähnenswert: ein kreisweites Starkregen-Frühalarmsystem. „Mit diesem System können wir die sich mehrenden Starkregenereignisse frühzeitig erkennen und Behörden, Einsatzkräfte sowie die Bevölkerung auf verschiedenen Kanälen warnen und mit wichtigen Daten versorgen. Im Landkreis Fulda ist dieses System, gefördert als Pilotprojekt durch das Land Hessen, bereits seit Ende 2023 in Betrieb und rund 200 Sensoren in Abwasserkanälen, an Brücken, öffentlichen Gebäuden und an Gewässern liefern in Echtzeit Daten zu Niederschlagsmengen, Gewässerpegel und Abflussverhalten“, schildert Dr. Mischak den Hintergrund. Er hofft, dass das Land Hessen den Förderantrag genehmigt und der Vogelsberg die Maßnahme gemeinsam mit dem Lahn-Dill-Kreis umsetzen kann.

Zum Ende seiner Rede macht Dr. Jens Mischak noch einmal deutlich, „dass wir uns mit dem vorliegenden Haushaltsplan stark eingeschränkt haben und weitere Konsolidierungspotentiale aus meiner Sicht kaum vorhanden sind“. Im Haushaltsjahr 2025 werde der Kreis voraussichtlich seine finanziellen Rücklagen aufbrauchen und die Grenzen der finanziellen Möglichkeiten erreichen. „Mir ist bewusst, dass wir an vielen Stellen mehr machen müssten. Wir können uns dies unter den derzeitigen Rahmenbedingungen jedoch schlicht und einfach nicht leisten. Wir sind damit hier im Vogelsbergkreis nicht alleine“, so Mischak, der noch einmal auf die „Wiesbadener Erklärung“ verweist, unterschrieben von allen Landräten Hessens unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit, sie sei ein eindeutiges Signal. Mischak macht deutlich, „dass es höchste Zeit wird, die immer wieder propagierte Stärkung des ländlichen Raums ernst zu nehmen. Die Standortnachteile, die wir als Vogelsbergkreis als der am meist zersiedelte Landkreis in Hessen in Verbindung mit unserer Wirtschaftskraft haben, müssen im evaluierten Finanzausgleich zu spürbaren finanziellen Verbesserungen führen. Nur dann haben wir die Freiräume, uns neben unseren absoluten Kernthemen wie Soziales, Jugend und Schule, der nachhaltigen, zukunftsfesten Entwicklung unserer lebenswerten Region anzunehmen.“

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