Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) bringt tiefgreifende Veränderungen – doch die Verhandlungen zum Berliner Rahmenvertrag stocken. Dieser Vertrag setzt die Vorgaben des BTHG in Berlin um und regelt die Eingliederungshilfe gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention. Wie können individuelle Unterstützungsbedarfe mit pauschalen Vergütungen in Einklang gebracht werden? Und welche Folgen hat das für Menschen mit psychischen Erkrankungen? Sabine Jeschke gibt interessante Einblicke in den aktuellen Stand sowie in die Herausforderungen und Chancen des neuen Systems.

Die Eingliederungshilfe, also die Unterstützung für Menschen mit Beeinträchtigung, steht durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) vor einem bedeutenden Wandel. Das Ziel ist es, Menschen mit Beeinträchtigung eine individuellere und inklusivere Unterstützung zu bieten. Dabei stellen die geplanten Veränderungen sowohl Chancen als auch Herausforderungen dar, insbesondere im Hinblick auf die Vergütung. Durch die Einführung der Fachleistungsstunde erhalten Leistungsempfänger, rechtliche Betreuer*innen und Leistungsträger eine größere Transparenz darüber, welche Assistenzleistung direkt beim Klient*en ankommt. In Bezug auf die Leistungen für psychisch kranke Menschen sprechen wir von einer Pflichtversorgung innerhalb der Eingliederungshilfe sowie regionsbezogene Kliniken im Land Berlin als Leistungserbringer. Demnach gibt es die Verpflichtung, psychisch kranke Menschen so zu „steuern“, dass ihnen im regionalen Bezug ein Platz angeboten werden muss, der eine bestmögliche Assistenzleistung im Sinne des BTHG ermöglicht.

Hintergründe des Wandels

Der Berliner Rahmenvertrag (BRV) beschreibt die Leistungen der Eingliederungshilfe und orientiert sich am BTHG sowie der UN-Behindertenrechtskonvention. Zentrale Grundsätze sind dabei Transparenz, die Beteiligung von Peers und die Ausrichtung der Leistungen am individuellen Bedarf. Stand Januar 2025 sind die Ligaverbände und die zuständigen Senatsverwaltungen dabei, pauschalisierte Zeiten, die in die Vergütung einfließen sollen zu verhandeln. Denn es sind ja nicht nur die Zeiten für die individuellen und „sichtbaren“ Maßnahmen zu verhandeln im Rahmen der genehmigten Fachleistungsstunden. Es geht auch um Zeiten, die für die Klient*innen anfallen wie Fallbesprechungen, Fallsupervisionen und Koordinationsleistungen, die letztlich ihnen zugutekommen. Hier stockt es gerade. Denn beide Seiten haben unterschiedliche Vorstellungen. Welche Pauschale ist auskömmlich und deckt auch alle begleitenden Maßnahmen mit ab?

Herausforderungen

Für die Argumentation zur Erhöhung pauschalisierter Zeiten spricht im Bereich der psychiatrischen Einrichtungen die gesetzliche Pflicht zur Mitwirkung in bezirklichen Gremien. Das muss auch im jährlichen Sachbericht nachgewiesen werden. Dazu gehört neben vielen Facharbeitsgruppen auch das bezirkliche Steuerungsgremium, in dem die Menschen „gesteuert“ werden. Diese Gremien finden je nach Bezirk und Größe sowie Bedarf auch mehrmals im Monat statt. Da das Land bei weitem kein auskömmliches Zeitfenster für solche Gremien anbietet, hat die Liga eine Abfrage bei den Trägern initiiert, um nachzuweisen, dass das angebotene Zeitfenster fast dreimal so hoch ist. Dieses kleine Beispiel für die pauschalisierte Sichtweise kann weitreichende Auswirkungen auf die Praxis haben. Während gesetzlich eine individuelle Bedarfsdeckung gefordert wird, scheinen die Verhandlungen auf nicht nachvollziehbare Pauschalisierungen abzuzielen, die den individuellen Ansatz abschwächen könnten.

Chancen

Ein Fortschritt ist, dass einige Leistungen nicht separat nachgewiesen werden müssen. Dennoch bleibt unklar, wie diese Pauschalen mit der geforderten Personenzentrierung vereinbar sind. Und die Hoffnung ist, dass das Teilhabeinstrument Berlin (TIB), welches der Bedarfsermittlung dient und sicherstellen soll, dass jede*r Leistungsberechtigte genau die benötigte Unterstützung erhält, erfolgreich implementiert wird. Trotz der Herausforderungen bietet der Systemwechsel eine große Chance. Die stärkere Einbindung des TIB und die Ausrichtung an individuellen Bedarfen können dazu beitragen, die Eingliederungshilfe passgenauer und wirksamer zu gestalten. Die Betonung auf Transparenz, Zusammenarbeit und Teilhabe schafft zudem die Grundlage für Innovationen und langfristige Verbesserungen.

Ein positiver Ausblick

Der Prozess erfordert Mut zur Veränderung und einen klaren Fokus auf die Bedürfnisse der Menschen, die auf diese Hilfen angewiesen sind. Wenn Flexibilität und Individualität gewahrt bleiben, bietet der Systemwechsel großes Potenzial. Die nächsten Schritte in den Verhandlungen werden entscheidend sein, um die Chancen dieser Reform voll auszuschöpfen. Mit einer klaren Vision und dem Willen zur Zusammenarbeit kann die Eingliederungshilfe zu einem modernen und zukunftsorientierten System werden, das allen Beteiligten gerecht wird.

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