„Evaders“ bezieht sich auf die letzte Reise des deutschen Philosophen Walter Benjamin durch die Pyrenäen im Jahr 1940. Zu dieser Zeit bot das Grenzgebirge sowohl einen Fluchtweg aus dem von den Nationalsozialisten besetzten Frankreich als auch eine Möglichkeit für Kommunisten, vor dem faschistischen Franco-Regime in Spanien zu fliehen. Diejenigen, die diese Reisen unternahmen, wurden als „Flüchtige“ („Evaders“) bezeichnet. Benjamin wollte aus seinem Exil in Frankreich nach Spanien reisen, um nach Portugal zu gelangen. Von dort aus beabsichtigte er in die USA zu emigrieren. Auf tragische Weise wurde Benjamin die Einreise nach Spanien verweigert und er beging daraufhin Selbstmord. Im Video werden diese Ereignisse durch die schlechten Wetterbedingungen und die schlechte Sicht, mit denen der Protagonist des Videos, Schauspieler Clive Russel, konfrontiert wird, sowie durch die unheilvolle Szenerie versinnbildlicht. Die unheilvolle, menschenleere Szenerie bestimmt auch die sechs Fotografien, die das Thema der Katastrophe ebenfalls am Beispiel der Landschaft aufzeigen.
Ori Gersht wurde 1967 in Israel geboren und lebt seit über 30 Jahren in London. Während seiner gesamten Laufbahn beschäftigte sich sein Werk mit den Beziehungen zwischen Geschichte, Erinnerung und Landschaft. Gersht nähert sich dieser Herausforderung nicht nur durch die Wahl seiner Bilder, sondern indem er die technischen Grenzen der Fotografie auslotet und ihren Wahrheitsanspruch in Frage stellt. Die Betrachtenden werden visuell verführt, bevor sie mit dunkleren und komplexeren Themen konfrontiert werden, die eine zwanghafte Spannung zwischen Schönheit und Gewalt darstellen.
Das Jahresprojekt „Welt übersetzen. Zeitgenössische Perspektiven auf Walter Benjamin“ ist der Beitrag des Bauhaus-Museums Weimar zum Themenjahr „Sprache“ der Klassik Stiftung Weimar. Es stellt drei international tätige Künstler*innen vor, die sich mit Walter Benjamins „Engel der Geschichte“ auseinandersetzen. Esther Shalev-Gerz, Paris, widmet Walter Benjamin ein imaginäres Haus in Weimar und thematisiert das Selbstverständnis der Stadt Weimar (12. März bis 16. Mai), Ori Gersht, London, beschäftigt sich ausgehend von Benjamins Fluchtroute auf der Ruta Líster filmisch mit dem Thema der Migration (11. Juni bis 1. August) und Aura Rosenberg, Berlin/New York, verweist in einem animierten Film auf die Gefahr der Zerstörung kultureller und zivilgesellschaftlicher Errungenschaften (27. August bis 31. Oktober). Ergänzend entwickeln Studierende der Bauhaus-Universität Weimar in einem Übersetzungslabor performative Arbeiten vor Ort, ausgehend von den Überlegungen Walter Benjamins. (1. Mai bis 18. Juli).
Am Freitag, 10. Juni, ist das Bauhaus-Museum Weimar anlässlich der Ausstellungseröffnung von 18 bis 21 Uhr geöffnet. Zur Begrüßung spricht Dr. Annette Ludwig, Direktorin der Museen der Klassik Stiftung Weimar. Die Einführung gestaltet Kuratorin Dr. Katharina Henkel. Der Eintritt zur Eröffnung ist kostenfrei.
Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem Kunstfest Weimar und dem MFA-Studiengang „Kunst im öffentlichen Raum und neue künstlerische Strategien“ an der Bauhaus-Universität Weimar.
Foto: „Evaders“ © Ori Gersht
Ausstellungsdaten
Welt übersetzen. Zeitgenössische Perspektiven auf Walter Benjamin
12. März bis 31. Oktober 2022
Di–So 9.30–18 Uhr
Bauhaus-Museum Weimar | Balkon (1. OG) und Sonderausstellungsfläche (3. OG)
Stéphane-Hessel-Platz 1 | 99423 Weimar
Teil 1 | 12. März bis 16. Mai
Esther Shalev-Gerz
Inseparable Angels. An Imaginary House for Walter Benjamin
Teil 2 | 11. Juni bis 1. August
Ori Gersht
Evaders
Teil 3 | 27. August bis 31. Oktober
Aura Rosenberg
Angel of History
Teil 4 | 1. Mai bis 18. Juli
LOst iN TRANSLATION
Ein Übersetzungslabor des MFA-Studiengangs „Kunst im öffentlichen Raum und neue künstlerische Strategien“ an der Bauhaus-Universität Weimar, unter der Leitung von Prof. Danica Dakić, Ina Weise, Lea Wittich und Jirka Reichmann
Katalog
Klassik Stiftung Weimar (Hg.): Welt übersetzen. Zeitgenössische Perspektiven auf Walter Benjamin, mit Beiträgen von Ulrike Bestgen, Boris Buden, Danica Dakić, Katharina Henkel, Marius Hoppe und den Künstler*innen, Weimar 2022, 120 Seiten, 65 Abbildungen | ISBN 978-3-7443-0420-7
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