Bei der Entwicklung neuer Kunststoffprodukte ist es sehr wertvoll, auf bereits vorliegende Informationen zurückgreifen zu können. Angesichts immer kürzerer Entwicklungszyklen gewinnen dabei Materialdatenbanken immens an Bedeutung. Auf dem Gebiet der Schwingfestigkeitscharakterisierung von Kunststoffen hat sich das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF in den zurückliegenden 25 Jahren eine profunde Expertise erarbeitet und inzwischen über 6.000 geprüfte thermoplastische Proben in einer Datenbank gespeichert. Daraus lassen sich grundlegende Zusammenhänge wie beispielsweise die Einflüsse von Geometrie, Umwelt, Alterung, Belastungsart, lokaler Faserorientierung, Füllgehalt oder Materialtyp auf die Schwingfestigkeit ableiten. Das kann den Aufwand für die Charakterisierung von Werkstoffen deutlich reduzieren und die Entwicklungszeit verkürzen. Darüber hinaus kann man mit Hilfe einer solchen Datenbank Annahmen, die bei der statistischen Auswertung von Schwingfestigkeitsversuchen getroffen werden, validieren.

Während der Schwingfestigkeitsversuche ermitteln Wissenschaftler des Fraunhofer LBF aus der aufgezeichneten Kraft- und Verformungsantwort unter zyklischer Belastung den Steifigkeitsabfall, die Kriecheigenschaften und die Dämpfungszunahme. Mit Hilfe von bildgebenden Verfahren können sie das Anrissverhalten und die Rissausbreitung während der zyklischen Prüfung bestimmen. Darüber hinaus lässt sich mit Hilfe von thermografischen Untersuchungen die hysteretische Erwärmung der Probe über die Lebensdauer untersuchen.

Mit seiner langjährigen Erfahrung unterstützt das Fraunhofer LBF Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen und liefert zuverlässige Materialkennwerte für die Auslegung von Bauteilen und Bemessungskonzepte. Das bestätigt Dr. Matthias De Monte von der Robert Bosch GmbH: „Aufgrund der niedrigen Prüffrequenzen im Vergleich zu metallischen Werkstoffen muss die Anzahl der Versuche für die Ermüdungscharakterisierung von faserverstärkten Thermoplasten stark reduziert werden. Dank der systematischen Speicherung der Rohdaten, der entsprechenden Metadaten und dessen intelligenter Kombination mit einer Bosch-internen Datenbank von Simulationsergebnissen kann der Aufwand für die Charakterisierung von weiteren Werkstoffen deutlich reduziert werden.“

Verwendetes Material besser beschreiben

Mit Hilfe der Datenbank des Fraunhofer LBF können für verschiedenste Materialtypen mit ausreichend statistischer Absicherung Einheitswöhlerlinien für unterschiedlichste Prüf- und Anforderungszenarien abgeleitet werden. Durch die umfangreiche Versuchsausstattung und Datenauswertungsmethoden haben die Wissenschaftler des Instituts die Möglichkeit, über die Bruchschwingspielzahl hinaus Kennwerte hinsichtlich des Steifigkeitsabfalles, die Kriecheigenschaften und die Dämpfungszunahme, sowie das Anrissverhalten und die Rissausbreitung zu ermitteln. „Mit Hilfe dieser Materialkennwerte kann ein besserer Zusammenhang zwischen Materialverhalten, Schädigungsmechanismen und der Materialermüdung abgeleitet werden, um das verwendete Material besser beschreiben zu können“, erklärt Dominik Spancken, am Fraunhofer LBF zuständig für die Digitalisierung von Schwingfestigkeitswerten.

Der Einfluss von Temperatur, Konditionierungszustand, Formzahl oder Umgebungsmedium lassen sich mit Hilfe der Datenbank abschätzen. Diese Faktoren sind bei der Bauteilauslegung ein wichtiger Indikator dafür, ob das jeweilige Material für den Anwendungsfall eingesetzt werden kann. „Dabei ist es unzulässig, auf einen detaillierten Nachweisversuch, der den realen Anwendungsfall bestätigt, zu verzichten. Selbst kleinste Änderungen an der Additivierung der Kunststoffe oder an den Herstellparametern haben einen direkten Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften unter zyklischer Belastung“, betont Spancken.

Über Fraunhofer Institut LBF

Das Fraunhofer LBF in Darmstadt steht seit 80 Jahren für Sicherheit und Zuverlässigkeit von Leichtbaustrukturen. Mit seinen Kompetenzen auf den Gebieten Betriebsfestigkeit, Systemzuverlässigkeit, Schwingungstechnik und Polymertechnik bietet das Institut heute Lösungen für wichtige Querschnittsthemen der Zukunft: Systemleichtbau, Funktionsintegration und cyberphysische maschinenbauliche Systeme. Im Fokus stehen dabei Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen wie Ressourceneffizienz und Emissionsreduktion sowie Future Mobility. Umfassende Kompetenzen von der Datenerfassung im realen betrieblichen Feldeinsatz über die Datenanalyse und die Dateninterpretation bis hin zur Ableitung von konkreten Maßnahmen zur Auslegung und Verbesserung von Material-, Bauteil- und Systemeigenschaften bilden dafür die Grundlage. Die Auftraggeber kommen u.a. aus dem Automobil- und Nutzfahrzeugbau, der Schienenverkehrstechnik, dem Schiffbau, der Luftfahrt, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Energietechnik, der Elektrotechnik, der Medizintechnik sowie der chemischen Industrie. Sie profitieren von ausgewiesener Expertise der über 400 Mitarbeiter und modernster Technologie auf mehr als 11 560 Quadratmetern Labor- und Versuchsfläche.

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