Wir finden diese Frage wesentlich und sie wird immer essentieller, wie das Zukunftsinstitut in seiner aktuell veröffentlichten Studie „Siegeszug der Emotionen“ schreibt: „Rein rationales Denken war gestern, die Ära der Emotionalität bricht an“, und „Unternehmen brauchen ein neues Verständnis von Emotionen, um sich selbst und die Menschen besser zu verstehen.“*

Gut so, wie wir finden. Denn es gibt sie noch und wir kennen sie gut, die Unternehmen, in denen Gefühle und Verletzlichkeit nicht erwünscht sind und schon gar nicht zur Währung gehören für die, die weiterkommen und sich auf der Karriereleiter entwickeln wollen.

Nur wo gebe ich sie ab, meine Gefühle, wenn ich sie an meinem Arbeitsplatz nicht leben darf?

Und was macht das mit den Menschen, wenn sie ihre Gefühlswelt und damit auch sich selbst im Arbeitsalltag nicht leben dürfen? Die Antwort darauf kennen Sie selbst. Wir haben uns gefragt, wo diese alte Denke herkommt, dass Emotionalität im Businesskontext ausgeklammert wird.

Ein Deutungsversuch

Emotionalität erzeugt Mehrdeutigkeit, Verletzbarkeit, Unkontrollierbarkeit

… und auch Komplexität in sozialen Gebilden, die von sich aus schon komplex genug sind. Emotionen bilden den Gegenspieler zur erwünschten Nachvollziehbarkeit standardisierter Abläufe, Sicherheit in Prozessabläufen und skalierbarer Effizienz.

Emotion schafft Reibung …

… und diese steht dem Zweck der Organisation, in hoher Qualität und Effizienz ein Arbeitsergebnis zu erzeugen im Weg, so der verbreitete Glaubenssatz. Dieser Glaubenssatz wurde über Generationen von Führungskräften noch verstärkt von einem Bild von Führung, was sich mit Stärke, Durchsetzungskraft und rationaler Klarheit verbindet. Frei nach dem Motto „man kann nur das managen, was man misst“  – da haben Emotionen wenig Platz.

ABER:

Emotionalität im Unternehmensalltag schafft auch noch etwas anderes – die Bindung und Ver-Bindung und damit den Zauber des Zusammenhalts.

„Werden Sie romantisch“, so die Botschaft von Tim Leberecht **, der die Romantik im Herzen der Wirtschaft verankern will. Und damit meint er nicht, sich in die Kollegen zu verlieben. Er meint vielmehr den Zauber des unkontrollierbaren Emotionalen ins Business zu holen. Und damit die täglichen Routinen des Arbeitsablaufs zu brechen und Momente entstehen zu lassen, die intensiv gefühlt werden. Das erzeugt auch Bindung und Verbindung, Tiefe und Dialog.  Und impliziert Hingabe und dass Menschen sich zusätzlich zum Rationalen mit ihren Herzen und ihrer Seele ins tägliche Tun einbringen.

Nun zur Kernfrage: wie werden Unternehmen menschlicher?

Wahrnehmen und Ernst nehmen

Zunächst geht es darum, Individuen ernst zu nehmen in ihrem Tun und Wirken und genauso in ihrer Gefühlswelt. Menschen das Gefühl zu geben, dass sie sich voll und ganz einbringen können und ihren ganz eigenen Platz haben im Unternehmen, ist Aufgabe von Führung und braucht eine empathische kompetente Führungsmannschaft.

Einen Umgang finden mit emotionaler Souveränität

Emotionalität heißt nicht Beeinflussbarkeit oder Manipulation durch Gefühle oder bewusst gestaltete Gefühlswelten, zum Beispiel durch die Unternehmenskommunikation. Es heißt vielmehr echter, authentischer Ausdruck in der jeweiligen Situation. Das ist wichtig zu unterscheiden. Durch die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre ist eine Vielzahl von Menschen emotional bewusster und empathischer geworden und persönliche Reife und Reflexion sind gerade in der jüngeren Generation stark ausgeprägt. Wer emotional souverän ist, hat andere Erwartungen an Führung und Entwicklung. Das ist schwierig steuerbar, dafür aber selbstwirksam. Denn derjenige, der selbst entscheidet auf welchen Reiz er wie reagiert und wie lange er sich zum Beispiel Situationen von Druck und Belastung aussetzt, bleibt länger gesund und kann (wenn er Bindung zum Unternehmen spürt) aus eigener Kraft Neues gestalten.

Fokus auf gute Beziehungsgestaltung und gelebte Werte

Werte werden zum Kompass in der komplexer werdenden Unternehmenswelt. Gelebte Werte und Beziehungen  sind die (einzigen) Werkzeuge, mit denen Sie als Führungskraft Stabilität und Orientierung schaffen können. Der Fokus geht auf Beziehungen, die Tiefe und emotionalen Ausdruck haben dürfen. Wenn das Emotionale lange nicht sein durfte im Unternehmen, braucht es oft eine Phase, in der sich Beziehungen wieder neu sortieren und Konflikte klären können, um Klarheit zu finden.

Das Spüren zulassen

Gefühle passen schwer hinein in die Welt der Messbarkeit und skalierbarer Effizienz. Um dem Emotionalem die Tür zu öffnen in Ihr Unternehmen, braucht es auch eine neue Haltung dem gegenüber, was wesentlich ist und wie Effizienz im Unternehmen bewertet wird. Das Spüren zulassen als sinnvolle Ergänzung zum rationalen Verstand, zum Bewerten und dem Steuern auf Faktenebene, das macht Unternehmen menschlich. Und das kann man spüren – bereits wenn man Ihr Unternehmen betritt.

Wie immer beginnt alles bei der Führung: Wie können Führungskräfte emotional souverän führen?

Sie können lernen die Emotionen zu spüren, sie besprechbar zu machen, zu reflektieren und konstruktiv für Lösungen zu nutzen, kurz: sie zu handhaben.

Hier einige Tipps, wie das gelingen kann:

  • Stellen Sie die Rationalität auf die gleiche Stufe wie die Emotionalität.
  • Machen Sie mutig Angst und Sorgen besprechbar. Sprechen Sie Ihre eigenen Gefühle aus und beschreiben Sie die Bedürfnisse dahinter.
  • Zeigen Sie Zuversicht statt Verzweiflung. Stellen Sie den Lösungsfokus in den Vordergrund.
  • Trauen Sie sich und anderen zu, zu wachsen. Investieren Sie persönlich durch Begleitung und Coaching in Ihre Mitarbeiter.
  • Nutzen Sie Reflexion und Feedback in Führungs- und Projektteams als Basistool, um blinde Flecken aufzudecken, fördernde und hemmende Muster zu erkennen und effizienter zu agieren.
  • Stärken Sie sich und Ihre Mitarbeiter über offenen Dialog. Besprechen Sie neben Fachthemen auch über Stimmungslage und Bedürfnisse.
  • Schaffen Sie Räume zum echten Dialog, halten Sie den Raum und geben Sie Konfliktklärungen einen sicheren Rahmen.
  • Tragen Sie nicht alles alleine und im stillen Kämmerlein aus – die Welt ist zu komplex dafür.

*Zukunftsinstitut 2018: Siegeszug der Emotionen. Erfolgreich in die intensivste Wirtschaft aller Zeiten. Herausgeber: Zukunftsinstitut GmbH

**Tim Leberecht: Romantisches Business, Quelle: https://www.youtube.com/…

Foto: freeimages/Lenka Pužmanová

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