leicht gesunken ist.
„Gleichwohl ist anzumerken“, so Chris Proios von der Initiative Konjunkturforschung Regional, „dass fiskalische und juristische Maßnahmen im Zeichen der Krise die Zahl der Insolvenzen verzerrt haben. Die langzeitige Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und die großzügige Ausschüttung von Geldern auf deutscher und europäischer Ebene verbergen, wie es tatsächlich um die Stabilität der Betriebe bestellt ist. Es ist zu befürchten, dass die wahren Folgen von Pandemie und nun auch des Krieges in der Ukraine erst mit Zeitverzug auftreten. Die aktuellen Rückgänge der Insolvenzen sind jedenfalls kein Grund zur ungetrübten Freude. Wirtschaft und Politik befinden sich durch Pandemie und Energiekrise im Dauerstress.“
Auch die Analyse der Strukturen bundesweiter Unternehmensinsolvenzen zeigt Veränderungen auf, die als Indiz für den Ernst der Lage zu deuten sind. Das ist zum einen die Zunahme großer Unternehmenspleiten und zum anderen die „verborgene“ Entwicklung bei den ehemals Selbstständigen. Außerdem hat sich das weltwirtschaftliche Umfeld durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine deutlich verschlechtert. Sanktionen, Unterbrechungen von Lieferketten und Preissteigerungen, wie bei Energie und Nahrungsmitteln, beschränken die wirtschaftlichen Aktivitäten. Hinzu kommt die Erhöhung der Leitzinsen durch mehrere Zentralbanken. Dies verteuert Kredite und dämpft die Nachfrage. Die DIHK-Konjunkturumfrage zum Frühsommer 2022 fasst den aktuellen Trend zusammen: „Stimmung in der Wirtschaft kippt.“
1. Halbjahr 2022: Leichter Rückgang der Unternehmensinsolvenzen in der Landeshauptstadt Düsseldorf und im Rhein-Kreis Neuss – „Seit- wärtsbewegung“ im Jahresverlauf
Die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen ist in der Stadt Düsseldorf im 1. Halbjahr 2022 um 8 auf 158 Unternehmensinsolvenzen gesunken (1. Halbjahr 2021: 166 | – 5 Prozent). Der derzeitige Wert bleibt weiterhin deutlich unter dem langjährigen Mittel (198 Insolvenzen). 2021 war die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Düsseldorf noch um rund 17 Prozent (302 Fälle; + 44 – 1. Halbjahr: + 20 Prozent; 2. Halbjahr: 13 Prozent) und gegen Bundes- und Landestrend deutlich gestiegen. Die Zahl unternehmerischer Insolvenzen ist im 1. Halbjahr 2022 auch im Rhein-Kreis Neuss auf fast gleiche Art gesunken. Ihre Zahl ging um vier Fälle auf 78 Unternehmensinsolvenzen zurück (2021: 82; – 5 Prozent). Der aktuelle Wert bleibt deutlich unter dem langjährigen Mittel (110 Insolvenzen) und erreicht sogar den niedrigsten Wert seit 2001, als im 1. Halbjahr nur 67 Fälle gezählt wurden. 2021 war die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Rhein-Kreis Neuss noch um rund 10 Prozent (167 Fälle; + 15 – 1. Halbjahr: – 2 Prozent; 2. Halbjahr: + 25 Prozent) deutlich gestiegen. In Bund und in Nordrhein-Westfalen ging die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres ebenfalls zurück, wobei der Rückgang in NRW (- 28 Prozent; 1.520 Fälle) stärker ausfiel als bundesweit (- 3 Pro- zent; 7.300 Fälle).
In der Region gehen wir in Summe derzeit für das 2. Halbjahr und für das Gesamtjahr 2022 von einer „Seitwärtsbewegung“ ausgegangen werden. Demnach nimmt die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Rhein-Kreis Neuss im Jahresverlauf voraussichtlich nochmals leicht auf rund 157 Firmenpleiten ab (2021: 157 Fälle | – 10 Fälle). Der Rückgang liegt dann im Jahresverlauf bei rund sechs Prozent. In der Stadt Düsseldorf nimmt die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im 2. Halbjahr hingegen leicht zu, so dass im Gesamtjahr 2022 voraussichtlich etwa 296 Unternehmen in eine Insolvenz geraten werden (2021: 302 Fälle | – 6 Fälle; – 2 Prozent). Möglicherweise wird 2022 das aber vorläufig letzte Jahr sein, in dem ein Rückgang der Unternehmensinsolvenzen gemessen werden kann.
In der Stadt Düsseldorf finden sich auch im 1. Halbjahr 2022 die meisten Unternehmensinsolvenzen im Dienstleistungssegment (u. a. Finanzdienstleistung, Information und Kommunikation, Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen) und im Handel. Das Verarbeitende und Baugewerbe sowie der Handel in der Stadt Düsseldorf zeigen sich rückläufig, der Dienstleistungsbereich merklich zulegend. Im Rhein-Kreis Neuss spiegelt sich eine ähnliche Grundstruktur mit einer vergleichsweise deutlichen Zunahme der Unternehmensinsolvenzen im Handel und im Verarbeitenden Gewerbe. Im Baugewerbe sowie im Dienstleistungssegment zeigen sich hingegen spürbare Rückgänge der Unternehmensinsolvenzen (besonders im Segment Verkehr und Lagerei). Im Gastronomiesektor (Gastgewerbe) bleibt der Trend im 1. Halbjahr 2022 in der Stadt Düsseldorf („längste Theke der Welt“), aber auch im Rhein-Kreis Neuss leicht ansteigend.
In der Region gerieten weitere bekannte und größere Unternehmen in die Insolvenz. So musste Anfang Februar die Glees & Auge GmbH, ein Großhandel mit Baustoffen und Bauelementen aus mineralischen Stoffen, aus Neuss Insolvenz anmelden. In Düsseldorf gingen im Gastronomiesektor die Restaurant Rossini GmbH und die Konaq Restaurant GmbH, mit jeweils rund 50 Mitarbeitern, in ein Insolvenzverfahren. Gleiches gilt für die Geka GmbH, einem Großhandel mit Getränken mit rund 45 Mitarbeitern sowie für die SUNQ-Systems GmbH, einem Ingenieurbüro für Planung von Windkraftanlagen (70 Mitarbeiter) und für die Max-InTrade GmbH, einem Großhandel mit sonstigen Maschinen, Ausrüstungen und Zubehör (45 Mitarbeiter).
Perspektive 2022 / 2023: Die Insolvenzahlen sind weiterhin besser als die tatsächliche Lage vieler Unternehmen – trügerische Ruhe?
Die pessimistische Trendprognose vom Jahresbeginn 2022 hat sich im Regionalraum Düsseldorf (noch) nicht erfüllt. Die Zahl der regionalen Unternehmensinsolvenzen ist im 1. Halbjahr 2022 sowohl in der Landeshauptstadt Düsseldorf als auch im Rhein-Kreis Neuss erneut zurückgegangen. Allerdings haben sich die wirtschaftlichen Probleme durch den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine verschärft, da die in Folge dramatisch ansteigenden Energiepreise den noch zu Jahresbeginn einsetzenden konjunkturellen Erholungsprozess weltweit überschatten. Die Versorgungsunsicherheit und die höchste Inflationsrate seit 40 Jahren belasten die Geschäfte der Unternehmen und führen zu massiven Unsicherheiten auch der Verbraucher. Dabei schien für viele die Corona-Pandemie überwunden, die aktuellen Infektionszahlen belegen das Gegenteil.
Bundesweite und regionale Konjunkturanalysen bestätigen den Negativtrend (DIW, Juni 2022: „Trüber Sommerbeginn für die deutsche Wirtschaft“; IHK Kon- junkturbericht für die Region Düsseldorf / Mittlerer Niederrhein, Mai 2022: „Lage noch stabil – aber Wirtschaft befürchtet Rezession“). Und auch geht die Insolvenzforschungsstelle des Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) im Juli 2022 davon aus, dass „die Zumutungen für die Unternehmen […] in den nächsten Monaten nochmals deutlich steigen. Dazu gehören die Erhö- hung des Mindestlohns auf zwölf Euro im Oktober, die seitens der Europäischen Zentralbank (EZB) eingeleitete Zinswende und weiter zu erwartende Preissteigerungen bei der Energie.“
„Noch ist die Insolvenzentwicklung trotz Corona und Krieg in der Ukraine auch in unserer Region erstaunlich unauffällig“, so André Becker, Mitglied der Geschäftsleitung Creditreform Düsseldorf / Neuss. „Aktuelle Auswertungen des Creditreform Debitorenregisters Deutschland (DRD) zeigen, dass die allermeisten Unternehmen in Düsseldorf und im Rhein-Kreis Neuss ihre Rechnungen pünktlich bezahlen. Wir konnten im 1. Halbjahr 2022 noch keine gravierende Zunahme an Zahlungsstörungen feststellen – möglicherweise ist diese Ruhe aber auch trügerisch. Anfang September wissen wir dann genauer, wo die Wirtschaft in unserer Region tatsächlich steht. Wir veröffentlichen zum 15. Mal in Kooperation mit dem Rhein-Kreis Neuss, der Sparkasse Neuss und mit der IHK Mittlerer Niederrhein das Mittelstandsbarometer Rhein-Kreis Neuss.“
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