Am 22. Juli unterzeichnete Russland ein Abkommen zur Wiederaufnahme ukrainischer Getreideexporte aus den Schwarzmeerhäfen. Im Rahmen des Abkommens soll ein mit den Kriegsparteien, der Türkei und den Vereinten Nationen besetztes Koordinierungszentrum Frachtschiffe überwachen, die ukrainische Häfen passieren, und sie auf Waffen untersuchen. Die Vereinbarung soll alle 120 Tage erneuert werden. Das von der Türkei und den Vereinten Nationen vermittelte Getreidegeschäft wurde durch einen Angriff auf die Hafenstadt Odessa am 23. Juli unmittelbar gefährdet. Trotzdem schreitet die Umsetzung des Abkommens voran, wie die Bemühungen zur Räumung von Gebieten für den Seeverkehr zeigen. 

Die Wiederaufnahme der Getreideexporte wird dem Kreditversicherer Credendo zufolge die ukrainische Wirtschaft durch die Bereitstellung dringend benötigter harter Währung unterstützen. Tatsächlich machten Lebensmittelexporte im Jahr 2020 fast 30 % der Leistungsbilanzeinnahmen aus.

Insgesamt gesehen würde eine effektive Umsetzung des Getreideabkommens das Risiko einer globalen Nahrungsmittelkrise mindern. Trotz der jüngsten Lockerung sind die Lebensmittelpreise nach der russischen Invasion in der Ukraine in die Höhe geschossen, da beide Länder wichtige Getreideexporteure sind.

Abgesehen von seinen verheerenden humanitären Auswirkungen gibt der starke Anstieg der Lebensmittelpreise aus Sicht von Credendo vor allem aus zwei Gründen Anlass zur Sorge. Erstens trägt sie zusammen mit anderen Faktoren wie den Unterbrechungen der Lieferkette und den sehr hohen Preisen anderer Rohstoffe (insbesondere Energiepreise) zum bereits hohen Inflationsdruck weltweit bei. Die hohe Inflation belastet das Verbrauchervertrauen und damit die Wirtschaftstätigkeit. Um den Inflationsdruck einzudämmen, erhöhen viele Zentralbanken weltweit ihre Leitzinsen. Zusammen mit den restriktiveren monetären Bedingungen – insbesondere in großen Volkswirtschaften wie den USA und der Eurozone – verschlechtern sich die globalen Finanzbedingungen rapide. Dies setzt den Wechselkurs und die Devisenreserven vieler Volkswirtschaften unter Druck, insbesondere durch Kapitalabflüsse aus den Schwellenländern. Darüber hinaus impliziert dies, dass einige Schwellenländer – wie Kenia und Ghana – mit sehr schwachen Fundamentaldaten (z. B. hohe Staatsverschuldung und großes Zwillingsdefizit = Leistungsbilanzdefizit und Haushaltsdefizit) keinen Zugang mehr zu internationalen Märkten haben, um neue Schuldtitel zu begeben oder bestehende Schulden zu refinanzieren. Darüber hinaus steigen die Kreditkosten sowohl für den öffentlichen als auch für den privaten Sektor rapide an, da der Zugang zu Krediten immer restriktiver wird. Dies liegt daran, dass die Staatsverschuldung in einigen Ländern trotz einiger im letzten Jahr durchgeführter Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen immer noch sehr hoch ist. Nicht zuletzt belasten die hohen Lebensmittelpreise die öffentlichen Finanzen, falls die Behörden beschließen, steuerliche Maßnahmen einzuführen, die darauf abzielen, die Auswirkungen der hohen Preise abzumildern.

Die zweite Quelle der Besorgnis betrifft das zunehmende Risiko sozialer Unruhen. Überall auf der Welt brechen Proteste aus, um die hohen Lebenshaltungskosten zu beklagen (z. B. Kasachstan, Peru, Pakistan, Sri Lanka). Dieser Trend dürfte sich in den kommenden Monaten fortsetzen und das politische Risiko in einem Umfeld erhöhen, in dem die Unsicherheit bereits sehr hoch ist.

In diesem unsicheren Kontext und inmitten einer raschen Verschlechterung des wirtschaftlichen Umfelds wird Credendo in den kommenden Monaten wahrscheinlich das Geschäftsumfeldrisiko und das politische Risiko weiterer Länder herabstufen.

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