Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sollen Leistungskürzungen für die Patientinnen und Patienten beschlossen werden. Konkret geht es um die Abschaffung der sogenannten Neupatientenregelung, die es Arztpraxen ermöglicht, neue Patienten ohne Vergütungsabzug, zum eigentlich mit den Krankenkassen vereinbarten Honorar, zu behandeln. Der Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte protestiert gegen die Sparpläne und beteiligt sich an der Kampagne #WartenBisDerArztKommt des Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (SpiFa).

Im Zuge der Kampagne werden die Mitglieder des Berufsverbandes in den kommenden Tagen mit Plakaten und Postkarten ausgestattet. Das Ziel sei, die Patienten über die drohenden Auswirkungen der Sparpläne zu informieren, erklärt Dr. Kerstin Zeise, Vizepräsidentin des HNO-Berufsverbandes. „Wir werden den Patienten erklären, dass es in Zukunft weniger Arzttermine und keine Neuaufnahmen in den Praxen mehr geben wird. Auch die Zahl der angebotenen Sprechstunden muss wieder reduziert werden. Alle Kolleginnen und Kollegen sind aufgefordert, die Plakate in den Praxisräumen aufzuhängen und die Postkarten an die Patienten zu verteilen.“ Mit Blick auf die angespannte Lage in den Praxen, sei mit einer hohen Beteiligung der Ärztinnen und Ärzte zu rechnen, so die Berliner HNO-Ärztin weiter. Bei ersten Aktionstagen in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Hamburg in der letzten Woche sei die hohe Protestbereitschaft gegen die Kürzungspläne deutlich geworden.

Zusätzlich befeuert werde der Ärzteprotest von den wiederholten Falschbehauptungen der Krankenkassen, unterstreicht Zeise: „Für die Aufnahme neuer Patienten kriegen Praxen weder Bonuszahlungen noch Prämien. Tatsächlich erhalten Ärzte, die neue Patienten aufnehmen, alle Leistungen für diese Patienten ohne Abzug, also zur eigentlich mit den Kassen vereinbarten Vergütung, bezahlt. Alle sonstigen Behandlungen für gesetzlich Versicherte unterliegen festen Budgets, sodass bis zu 30 Prozent der Leistungen nicht vergütet werden.“ Der durchschnittliche Honorarumsatz je Patient liege für HNO-Ärzte bei rund 50 Euro. „Für diesen Betrag behandeln wir einen gesetzlich versicherten Patienten drei Monate lang, unabhängig davon, wie oft er in die Praxis kommt.“ Die Neupatientenregelung sei zudem sachgerecht, denn die Neuaufnahme von Patienten sei mit einem größeren Aufwand für die behandelnden Ärzte verbunden, als wenn der Krankheitsverlauf eines Bestandspatienten kontrolliert oder eine laufende Therapie fortgesetzt werden müsse, erklärt HNO-Ärztin Zeise weiter.

„Was wir derzeit erleben, hat mit einer sachlichen Debatte nichts mehr zu tun. Die Krankenkassen sind angesichts ihres Defizits offenbar so in Panik geraten, dass sie die Grundregeln des Anstands vergessen haben und meinen, eine niveaulose Neiddebatte lostreten zu müssen. Die PR-Kampagne der verantwortlichen Funktionäre zerstört das letzte Vertrauen der Leistungsträger des Gesundheitswesens.“ Die Folgen seien verfrühte Praxisabgaben und ein verstärkter Nachwuchsmangel in der ambulanten Versorgung. „Unter den jetzigen Umständen ist es einfacher, sich in einem Krankenhaus anstellen zu lassen, als die Mühe und die Verantwortung einer selbstständigen Tätigkeit in der Niederlassung auf sich zu nehmen“, so Zeise. Wenn selbst kleinste Verbesserungen am System nach kurzer Zeit wieder einkassiert werden, müsse sich kein Politiker wundern, wenn am Ende in seinem Wahlkreis keine Arztpraxis mehr zu finden sei.

Mit Blick auf das drohende Milliardendefizit der gesetzlichen Krankenversicherung rät die HNO-Vizepräsidentin, den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen. „Die Ausgabensteigerung der GKV liegen am demografischen Wandel, dem Technologiefortschritt und den rückläufigen Beitragseinnahmen. Dies hat auch Bundesgesundheitsminister Lauterbach erkannt. Gleichwohl sind das allesamt Ursachen, die nicht von der Ärzteschaft zu verantworten sind und daher nicht auf unserem Rücken ausgetragen werden dürfen“, kritisiert Zeise. „Wenn es nicht genug Beitragseinnahmen gibt, soll der Gesetzgeber klar und deutlich sagen, was künftig nicht mehr Teil des GKV-Leistungskatalogs sein soll.“ Gleichzeitig könne der Staat durch geeignete Maßnahmen, wie einen erhöhten Bundeszuschuss oder die Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel, die Schieflage der Kassen beheben.

Mehr Informationen zur Kampagne der Fachärzteschaft finden sich unter www.WartenBisDerArztKommt.de.

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