Klinikum Karlsruhe blickt auf ein bewegtes Jahr mit vielerlei Herausforderungen aber auch positiven Entwicklungen zurück und erwartet für die kommenden Monate Reformen und finanzielle Unterstützung durch die Politik, um seinen Versorgungsauftrag weiterhin vollumfänglich zu erfüllen.

Die COVID-19-Pandemie hält die Welt inzwischen seit zweieinhalb Jahren in Atem – das gilt auch für das Städtische Klinikum Karlsruhe. Dementsprechend stand das diesjährige Jahrespressegespräch unter dem Eindruck der Pandemie und ihrer Folgen, obgleich sich das Klinikum in der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Situation mit weiteren großen Herausforderungen konfrontiert sieht. „Als Maximalversorger bewegen wir uns im Spannungsfeld zwischen der Bewältigung dieser Pandemie und der bestmöglichen Versorgung unserer Patientinnen und Patienten aus der ganzen Region“, so Bürgermeisterin und Aufsichtsratsvorsitzende Bettina Lisbach. „Dazu kommen die massiv gestiegenen Preise für Energie und die Auswirkungen der Inflation ebenso wie fehlende Reformen bei der Krankenhausfinanzierung sowie der nach wie vor eklatante Fachkräftemangel.“ Angesichts dieser Herausforderungen dankte Lisbach den Beschäftigten des Klinikums, die auch in den zurückliegenden Monaten mit ihrem außergewöhnlichen Einsatz die medizinische Versorgung der Bürgerinnen und Bürger aufrechterhalten haben, im Namen des Aufsichtsrates. Gleichzeitig hob Lisbach hervor, dass das Klinikum aus finanzieller Sicht vor schwierigen Zeiten stehe und wie alle Krankenhäuser dringend auf Unterstützung durch Bund und Länder angewiesen sei.

Ein Jahr Inbetriebnahme Haus M und Baumaßnahmen

Neben der Pandemie war der Umzug vieler Bereiche des Klinikums in das neue Betten- und Funktionsgebäude Haus M prägend für die zurückliegenden Monate. „Wir sind sehr stolz, dass sich die Abläufe in Haus M mittlerweile so eingespielt haben, dass die Stärken des Gebäudes – modernste Technik, ausgeklügelte Logistik, Vernetzung der Funktionsbereiche, Ambulanzen und Stationen sowie die beiden zentralen Zugänge zum klinischen Bereich – für unsere Patientinnen und Patienten, aber auch für unsere Beschäftigten ein echter Zugewinn sind“, freute sich Markus Heming, Kaufmännischer Geschäftsführer des Klinikums Karlsruhe. Die Beschäftigten identifizieren sich immer stärker mit ihrem neuen Arbeitsplatz, zumal die neuen Abläufe in Haus M weiter verfeinert und die Teams dabei vom Prozessmanagement begleitet werden.

Mit Haus M sind die Baumaßnahmen am Klinikum derweil nicht abgeschlossen. Nahe der Notaufnahme entsteht derzeit ein neuer Hubschrauberlandeplatz, der den verschärften Anforderungen für den Betrieb von Luftfahrzeugen entspricht. „Zudem wird es künftig eine Verbindung vom Hubschrauberlandeplatz zur benachbarten Helios Klinik für Herzchirurgie geben“, erklärte der Medizinische Geschäftsführer Prof. Dr. Michael Geißler. Hierfür errichtet das Klinikum eine 85 Meter lange Brücke über die Franz-Lust-Straße, sobald der Landeplatz baulich abgeschlossen ist. Mit einem zusätzlichen Kreißsaal erweitert das Klinikum derweil sein Angebot für werdende Eltern. Ein weiteres Highlight ist die Sanierung von Haus H1 für die Hals-Nasen-Ohrenklinik.

Medizinische Highlights & Innovationen

Neben den Baumaßnahmen entwickelt das Klinikum sein medizinisches Angebot Schritt für Schritt weiter. So feierte Mitte Dezember der mobile Bildgebungsroboter Loop-X bei einem neurochirurgischen Eingriff im brandneuen Hybrid-OP des Klinikums seine bundesweite Premiere. „Mit dem Hybrid-OP stoßen wir in eine neue Dimension des Operierens vor, weil wir dort hochmoderne Operationsverfahren und Robotik mit leistungsstarken und hochauflösenden Bildgebungssystemen kombinieren können, hebt Geißler hervor. „Damit festigt das Klinikum seine Stellung als Schwerpunkt für Wirbelsäulenerkrankungen.“ Gleichzeitig baut das Klinikum Karlsruhe die Digitalisierung der Systeme und Prozesse in Medizin und Pflege weiter aus.

Zur Versorgung von psychisch erkrankten Jugendlichen und jungen Erwachsenen hat sich das Klinikum im Frühjahr mit der SRH-Gruppe zusammengetan. Das so genannte Transitionszentrum in Karlsbad-Langensteinbach betreut mit fachbereichsübergreifenden Teams Heranwachsende zwischen 15 und 21 Jahren und schließt damit eine Versorgungslücke an der Schwelle zwischen Kindheit und Erwachsensein.

Im Clinical Cancer Center werden Tumorpatientinnen und -patienten fachübergreifend und individuell behandelt. Das Tumorzentrum ist jetzt in topmodernen Räumlichkeiten in Haus M untergebracht – in unmittelbarer Nähe zu allen Operationssälen, zu den Intensivstationen und zur Station für Stammzelltransplantation und zelluläre Therapien (KMT).

Innovative CAR-T-Zell-Therapie

Mit Haus M hebt das Städtische Klinikum Karlsruhe auch seine Stammzelltransplantation und Hochdosis-Chemotherapie auf ein medizinisch und logistisch herausragendes Niveau. Auf der KMT-Station mit 14 Betten werden schwerkranke Patientinnen und Patienten zentral mit medizinisch anspruchsvoller Infusionstherapie und Überwachung versorgt. In diesem Rahmen können die Fachleute neben den autologen und allogenen Blutstammzelltransplantationen jetzt auch das innovative Zelltherapieverfahren der CAR-T-Zell-Therapie anbieten. „CAR steht dabei für chimärer Antigenrezeptor“, erläuterte Prof. Dr. Martin Bentz, Direktor der Medizinischen Klinik III und Sprecher des CCC. „Bei dieser Immuntherapie kommen gentechnologisch veränderte körpereigene T-Zellen zum Einsatz. Denn den Angriffsversuchen der körpereigenen T-Zellen entziehen sich die Krebszellen durch unterschiedliche molekulare Tricks.“ Die Therapie richtet sich vor allem an solche Patientinnen und Patienten, die nicht auf die etablierten Therapien oder eine Stammzelltransplantation ansprechen.

Studien zufolge führt die personalisierte CAR-T-Zelltherapie bei 40 bis 50 Prozent der bisher unheilbar erkrankten Patientinnen und Patienten zu Langzeiterfolgen. In vielen Fällen bildeten sich die Tumoren zurück bzw. die Zahl der Tumorzellen nahm deutlich ab. Verwendet wird die CAR-T-Zell-Therapie im Klinikum Karlsruhe für Menschen im Alter von 18 bis einschließlich 25 Jahren mit Leukämie sowie bei Erwachsenen mit so genanntem Lymphdrüsenkrebs, die bereits mindestens zwei Chemotherapien hinter sich haben.

Entwicklung in der Notaufnahme

Eine große Belastung sieht das Klinikum in der steigenden Zahl von Notfall- und ambulanten Patientinnen und Patienten. „Wir beobachten zunehmend, dass die vorgelagerten Systeme nicht mehr funktionieren“, sagte Geißler. „Patientinnen und Patienten mit Erkrankungsschwere der Grund- und Regelversorgung werden von Rettungsdiensten zunehmend auch aus entfernteren Regionen an den dort vorhandenen Kliniken vorbei in die Notaufnahmen der Maximal- und Schwerpunktversorger gefahren. Gleichzeitig kommen viele ambulante, nur leicht erkrankte Patientinnen und Patienten, die eigentlich bei einem Hausarzt bzw. im Facharztsystem der Kassenärztlichen Vereinigungen zu versorgen wären, direkt in die Notaufnahmen.“ Dies beeinflusse massiv die Versorgung derjenigen Patientinnen und Patienten mit schweren und komplexen Erkrankungen, die auf eine zügige Behandlung in einem Haus der Maximal- und Schwerpunktversorgung angewiesen sind.

Corona-Pandemie

Neben all diesen Innovationen stand das vergangene Jahr wie eingangs beschrieben unter dem Eindruck der COVID-19-Pandemie, die das Klinikum als überregionalen Maximalversorger in besonderer Weise belastet hat und weiterhin belastet. Seit Beginn der Pandemie vor zweieinhalb Jahren haben die Beschäftigten insgesamt 2.538 Corona-Patientinnen und Patienten behandelt (Stand 6. Oktober).

Aktuell blickt das Klinikum Karlsruhe mit gewisser Sorge auf den Winter. Allerdings: „Wir sind gut auf die erwarteten Patientenzahlen vorbereitet, solange sich diese auf einer niedrigen Pandemiestufe bewegen“, ist sich Geißler sicher. „Unsere größte Herausforderung sind die Personalausfälle durch Erschöpfung, Quarantäne und Erkrankungen.“ Diese führen weiterhin zu einer hohen Zahl an für die Patientenversorgung gesperrten Betten.

Die durch das Infektionsschutzgesetz verschärften Auflagen für Mitarbeitende in Krankenhäusern stellen eine weitere große Belastung dar. Diese müssen grundsätzlich mit FFP2-Maske arbeiten und sich drei Mal die Woche auf das Coronavirus testen lassen. Dabei hat sich gerade in der „Sommerwelle“ gezeigt, dass die Kliniken mit den aktuell etablierten Sicherheitsmaßnahmen und Hygienekonzepten eben nicht die Pandemietreiber sind.

Aufgrund der genannten Herausforderungen ist bisher noch immer kein Normalbetrieb möglich. Das Klinikum setzt weiterhin auf eine Steigerung der Leistung, kann diese aber nicht im erwarteten Tempo umsetzen, sodass derzeit lediglich das Leistungsniveau von 2021 gehalten werden kann. „Corona ist nicht vorbei!“ betont Geißler.

Krankenhausfinanzierung

Die Herausforderungen für das Gesundheitssystem gehen ohnehin weit über die COVID-19-Pandemie hinaus. Wie viele andere Einrichtungen fordert das Klinikum Karlsruhe mehr Unterstützung seitens der Politik, da der Reformstau mittlerweile oft existenzbedrohend für die Krankenhäuser geworden ist. „Zusammengefasst fordern wir Lösungen für die unzureichende Investitionsfinanzierung, eine sinnvolle Konkretisierung der Pflegebudgetierung sowie kurz- und mittelfristige finanzielle Maßnahmen angesichts der fortwährenden Pandemie und den inflationsbedingten schmerzhaften Kostensteigerungen für Energie, Bauvorhaben und Verbrauchsmitteln“, zählt Heming auf.

Bilanz

Zwei Jahre in Folge sind die Jahresabschlüsse der Kliniken von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie geprägt. Besonders betroffen waren die Schwerpunkt- und Maximalversorger, die die Hauptlast der Corona-Pandemie geschultert haben. Auch im Geschäftsjahr 2021 führte die Pandemie zum einen zu spürbaren Mehrkosten, zum anderen zu fehlenden Erlösen durch den Rückgang der Patientinnen und Patienten. Viele Kliniken in Deutschland konnten die sich daraus ergebende finanzielle Deckungslücke für 2021 zwar rechnerisch ausgleichen, aber nur dank staatlicher Ausgleiche und Hilfen. Bei manchen Kliniken reichte selbst diese staatliche Unterstützung nicht aus, um für den Jahresabschluss 2021 ein ausgeglichenes Ergebnis zu erzielen.

Die Lage hat sich daher auch im Klinikum Karlsruhe deutlich verschärft. „Wir haben das Jahr 2021 mit einem Defizit von 19,7 Mio. Euro abgeschlossen und rechnen für 2022 aufgrund von Inflation und Energiekrise aktuell mit einem negativen Jahresergebnis in vergleichbarer Höhe“, betont Heming. Dabei könne das Defizit für 2022 auch geringer ausfallen – abhängig davon, inwieweit die Politik die Erlöseinbrüche durch die COVID-19-Pandemie mit Ausgleichszahlungen kompensiert und die medizinischen Leistungen das ursprünglich geplante Niveau erreichen. Auch würden entsprechende Entlastungen bei den Energie- und Sachkosten das Ergebnis verbessern.

Pflegebudget

Scharfe Kritik üben die Geschäftsführer des Klinikums auch am GKV-Finanzstabilisierungsgesetz. Dieses sieht vor, dass Personal, das nicht über eine klassische Pflegeausbildung verfügt – etwa Pflegehilfskräfte, Physiotherapeutinnen und -therapeuten oder Hebammen – nicht mehr im Pflegebudget berücksichtigt werden darf. „Der Gesetzentwurf würde den Kliniken damit die Finanzierungsgrundlage für diese Beschäftigten entziehen“, beschrieb Geißler. Diese Verluste müssten zukünftig examinierte Pflegekräfte, die für diese Tätigkeiten in großen Teilen überqualifiziert sind, durch Mehrarbeit auffangen. „Das ist nicht leistbar und würde sich negativ auf die Patientenversorgung auswirken.“ Ebenso kritisierte Geißler, dass das Gesetz vorsieht, dass den Kliniken in Deutschland im Ausgleich für die Ausgliederung der Pflegekosten 375 Millionen Euro aus den Fallpauschalen entzogen werden.

Der bestehende Mangel an Pflegekräften werde durch bloße gesetzliche Personalvorgaben in keiner Weise behoben. Die Sicherstellung einer stabilen Finanzierungssituation der Krankenhäuser, die es diesen ermöglicht, angemessene Vergütungen zu zahlen, wäre wesentlich hilfreicher.

Energieversorgung und Versorgungssicherheit

Zu einer weiteren Belastung sind die Kosten für Energie geworden. Insgesamt rechnet das Klinikum bis Ende des Jahres mit enormen Steigerungen der Energiekosten um rund 9,3 Mio. Euro gegenüber 2021. Allein für Gas geht die Geschäftsführung von einer zusätzlichen Kostenbelastung in Höhe von rund 3,8 Mio. Euro aus. Einsparmaßnahmen sind zwar teilweise möglich, etwa bei der Befeuchtung der OP-Säle und Intensivstationen. Dies ändert aber wenig an der zu erwarteten Mehrbelastung, da der Klinikbetrieb sehr energieintensiv ist.

Nachhaltigkeit

Angesichts der Gedankenspiele zur Versorgungssicherheit hat die Nachhaltigkeit, die durch den Klimawandel auch im Krankenhaussektor ein wichtiger Leitgedanke ist, noch einmal an Bedeutung gewonnen. Das Klinikum Karlsruhe orientiert sich dabei bereits seit 2016 am zertifizierten Umweltmanagementsystem EMAS.

Ein Ziel ist es, den Arbeitsweg nachhaltig zu gestalten. Hierfür stellt das Klinikum einem Teil seiner Beschäftigen E-Fahrzeuge zur Verfügung und bietet Ladestationen für PKW und E-Bikes. Die Mitarbeitenden können über einen Dienstleister per Gehaltsumwandlung Fahrräder leasen und sich kostenfrei Lastenräder für den privaten Gebrauch leihen. Daneben gewährt das Klinikum seinen Beschäftigten einen Zuschuss zur Jahreskarte im ÖPNV.

Zudem engagiert sich das Klinikum in verschiedenen städtischen Projekten, z.B. in der Karlsruher Klimaanpassungsstrategie, mit der sich die Stadt an den Klimawandel anpassen will, oder bei der Initiative zur klimaneutralen Verwaltung 2040.

Möglichkeiten von Ausbildungen und Studium in der Pflege

Von großer Bedeutung für die Zukunft des Klinikums Karlsruhe ist die Aus- und Weiterbildung von Pflegefachkräften. Als Maximalversorger gehört das Klinikum mit über 600 Ausbildungsplätzen und vier dualen Studiengängen zu einem der größten Ausbildungsbetriebe in der Region. Das breite Angebot reicht von der einjährigen Ausbildung zur Krankenpflegehelferin bzw. zum -helfer bis hin zum Bachelor- und Masterstudium sowie Hebammenstudium. Mit der Akademisierung der Pflege sollen Patientenversorgung und -sicherheit verbessert und Fachkräfte, die studieren möchten, in der Pflege gehalten werden.

„Besonderes Augenmerk legen wir zudem auf die Fort- und Weiterbildung unserer Pflegefachkräfte am hauseigenen Bildungscampus“, betont Geißler. „Diese können beispielsweise Fachweiterbildungen zur Intensivpflege, Notfallpflege oder Onkologischen Pflege absolvieren. Damit bieten wir den Beschäftigten hervorragende Karrieremöglichkeiten.“

In der Personalkampagne „(M)ein Klinikum – 1.000 Möglichkeiten“ werben Pflegefachkräfte des Klinikums derzeit mit ihren eigenen Erfahrungen für den beruflichen Einstieg ins Klinikum, für den neben den Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen das breite medizinische Spektrum und die vielen verschiedenen Arbeitszeitmodelle sprechen.

In Kürze nimmt außerdem die erste Auszubildenden- und Traineestation ihren Betrieb auf. Ziel ist es, die angehenden Pflegefachkräfte umfassend zu begleiten, damit sie die benötigten Kompetenzen für den späteren Einsatz im Klinikalltag erwerben. Durch die gezielte und intensive Anleitung erfahrener Kolleginnen und Kollegen mit pädagogischer Weiterbildung werden die Azubis strukturiert gefördert und gefordert.

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