Die Chance, dieses Jahr ein Weihnachtsgeld zu erhalten, ist bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in tarifgebundenen Betrieben mit 79 Prozent fast doppelt so hoch wie in Betrieben ohne Tarifvertrag, in denen lediglich 42 Prozent der Beschäftigten eine solche Zahlung bekommen. Insgesamt erhalten 54 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland Weihnachtsgeld. Dies ist das Ergebnis einer neuen Auswertung des Internetportals Lohnspiegel.de, das vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung betreut wird. Die hier ausgewerteten Daten beruhen auf einer Online-Befragung, an der sich zwischen Anfang November 2021 und Ende Oktober 2022 mehr als 63.000 Beschäftigte beteiligt haben (mehr Informationen zum Datensatz unten).

Weihnachtsgeld bei etwa der Hälfte aller Beschäftigten

Die Zahlung von Weihnachtsgeld wird entweder durch Tarifverträge bestimmt oder beruht auf „freiwilligen“ Leistungen des Arbeitgebers, die bei mehrjährigen Wiederholungen auch zum Gewohnheitsrecht werden können und damit verpflichtend sind. In der Praxis wird jedoch in Unternehmen ohne Tarifvertrag deutlich seltener Weihnachtsgeld ausgezahlt. Auch die Grundvergütung ist in tariflosen Betrieben im Durchschnitt niedriger, sodass die Beschäftigten hier gleich doppelt im Nachteil sind.

„Angesichts historisch hoher Inflationsraten ist für viele Beschäftigte das Weihnachtsgeld so wichtig wie nie zuvor“, sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Prof. Dr. Thorsten Schulten. „Es schafft zumindest kurzfristig einen Puffer, um auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten reagieren zu können. Umso problematischer ist es, dass vor allem Beschäftigte mit geringeren Einkommen, die eher in tariflosen Unternehmen arbeiten, deutlich seltener von einer Jahressonderzahlung profitieren. Gerade in Krisenzeiten erweisen sich Tarifverträge damit einmal mehr als wichtiger Garant zur Stabilisierung von Einkommen.“

Weihnachtsgeld für verschiedene Beschäftigtengruppen

Neben der Tarifbindung lassen sich eine Reihe weiterer Merkmale identifizieren, die die Chancen auf Weihnachtsgeld erhöhen (siehe auch die Abbildung 1 in der pdf-Version dieser Pressemitteilung; Link unten):

– West/Ost: Nach wie vor gibt es bedeutsame Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. In Westdeutschland bekommen 56 Prozent, in Ostdeutschland nur 43 Prozent der Befragten Weihnachtsgeld. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Tarifbindung in Ostdeutschland deutlich niedriger ist als im Westen.

– Vollzeit/Teilzeit: Unterschiede existieren auch hinsichtlich des Beschäftigtenstatus: Bei Vollzeitbeschäftigten ist der Erhalt von Weihnachtsgeld mit 55 Prozent etwas verbreiteter als bei Teilzeitbeschäftigten, von denen 50 Prozent eine entsprechende Sonderzahlung bekommen.

– Befristet/unbefristet: Noch etwas ausgeprägter sind die Unterschiede zwischen Beschäftigten mit einem befristeten oder einem unbefristeten Arbeitsvertrag. Während lediglich 48 Prozent der Beschäftigten mit Befristung Weihnachtsgeld erhalten, sind es bei den Unbefristeten 54 Prozent.

– Männer/Frauen: Leichte Unterschiede gibt es auch noch zwischen den Geschlechtern: Demnach bekommen Männer mit 55 Prozent immer noch etwas häufiger Weihnachtsgeld als Frauen, von denen 52 Prozent diese Sonderzahlung erhalten.

Große Unterschiede bei der Höhe des tarifvertraglichen Weihnachtsgeldes

In den meisten großen Tarifbranchen existieren gültige tarifvertragliche Bestimmungen zum Weihnachtsgeld oder einer ähnlichen Sonderzahlung, die zum Jahresende fällig wird. Dies zeigt eine aktuelle Auswertung des WSI-Tarifarchivs von 24 großen Branchen (siehe die ausführliche Tabelle in der pdf-Version der PM). Die Höhe der tarifvertraglich vereinbarten Sonderzahlung unterscheidet sich dabei erheblich: Bei den mittleren Entgeltgruppen reicht sie von 250 Euro in der Landwirtschaft bis zu 3.715 Euro in der Chemischen Industrie.

Zwischen den ost- und westdeutschen Tarifgebieten bestehen dabei in einigen Branchen nach wir vor erhebliche Unterschiede. Ein (annähernd) gleich hohes Weihnachtsgeld wird im Bank- und Versicherungsgewerbe, in der Eisen- und Stahlindustrie, bei der Deutschen Bahn AG, in der Süßwarenindustrie, der Papier und Pappe verarbeitenden Industrie, dem Kfz-Gewerbe und der Landwirtschaft gezahlt. In anderen Branchen bestehen nach wie vor erhebliche Unterschiede von oft mehreren hundert Euro, die in Einzelfällen wie im Bauhauptgewerbe auch noch über tausend Euro ausmachen können.

Nur wenige Branchen haben beim Weihnachtsgeld einen Pauschalbetrag festgelegt. In den meisten Fällen wird das Weihnachtsgeld hingegen als fester Prozentsatz vom Monatsentgelt berechnet. Ein klassisches 13. Monatsentgelt im Sinne einer Sonderzahlung von 100 Prozent eines Monatsentgeltes erhalten die Beschäftigten in der Chemischen Industrie, Teilen der Energiewirtschaft, in der Süßwarenindustrie, bei der Deutschen Bahn AG, im Bankgewerbe sowie in einzelnen westdeutschen Tarifregionen der Textilindustrie und dem privaten Transport- und Verkehrsgewerbe. In der Eisen- und Stahlindustrie werden sogar 110 Prozent eines Monatsentgeltes gezahlt, wobei hier Weihnachts- und Urlaubsgeld zu einer Jahressonderzahlung zusammengelegt wurden.

Mit 95 Prozent eines Monatsentgeltes liegt das Weihnachtsgeld in der Druckindustrie und in der Papier und Pappe verarbeitenden Industrie leicht unterhalb eines vollen 13. Monatsentgeltes. Im Versicherungsgewerbe werden beispielsweise 80 Prozent eines Monatsgehalts gezahlt, im Einzelhandel in den westdeutschen Tarifbereichen vorwiegend 62,5 Prozent, in den Tarifgebieten der westdeutschen Metallindustrie überwiegend zwischen 25 und 55 Prozent und im Hotel- und Gaststättengewerbe in Bayern 50 Prozent. Im öffentlichen Dienst (Gemeinden) beträgt die Jahressonderzahlung, die an die Stelle des früher üblichen Weihnachts- und Urlaubsgeldes getreten ist, je nach Vergütungsgruppe zwischen 52 und 85 Prozent des Monatsentgeltes.

Unter den großen Wirtschaftszweigen sind Tarifbranchen ohne Weihnachtsgeld oder eine vergleichbare Sonderzahlung die Ausnahme. Nach wie vor kein Weihnachtsgeld gibt es im Gebäudereinigungshandwerk. Das gleiche gilt für das ostdeutsche Bewachungsgewerbe, während in einigen westdeutschen Regionen das Weihnachtsgeld erst ab einer bestimmten Anzahl von Berufsjahren gezahlt wird.

Als teilweiser Ausgleich für das fehlende Weihnachtsgeld wurde im Gebäudereinigungshandwerk für die Jahre 2021 bis 2023 erstmals ein so genannter „Weihnachtsbonus“ vereinbart. Hierbei können die Beschäftigten zwischen einem Zuschlag von 150 Prozent auf den Stundenlohn für ihre am 24.12. oder am 31.12. geleistete Arbeit oder einer bezahlten Freistellung am 24.12. oder am 31.12. wählen.

Informationen zur WSI-Lohnspiegel-Datenbank

Für die Auswertung zur Häufigkeit von Weihnachtsgeld wurden 63.464 Datensätze von Beschäftigten mit mehr als einem Jahr Berufserfahrung ausgewertet, die zwischen dem 1. November 2021 und dem 31. Oktober 2022 an einer kontinuierlichen Online-Erhebung des WSI-Portals Lohnspiegel.de teilgenommen haben. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, erlaubt aber aufgrund der hohen Fallzahlen detaillierte Einblicke in die Arbeitswelt. Lohnspiegel.de ist ein nicht-kommerzielles Angebot der Hans-Böckler-Stiftung.

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