Derzeit entscheidet sich, ob in absehbarer Zeit das visafreie Reisen von Bürgerinnen und Bürgern des Kosovo in die Europäi­sche Union eingeführt wird. Für den Hauptgeschäftsführer des Osteuropa-Hilfswerks Renovabis, Professor Thomas Schwartz, ist „die Einführung des visafreien Personenverkehrs für den Kosovo überfällig“. Bei dieser Entscheidung gehe es auch um die Glaub­würdigkeit der EU auf dem Westbalkan. „Die Europäische Union muss sich als verlässlicher Partner für die Länder des westlichen Balkans zeigen und dieser Region eine echte Beitritts-Perspektive bieten“, fordert der Renovabis-Chef. Sonst drohe weitere Instabi­lität und die Zunahme des Einflusses anderer Mächte.

Der Kosovo erfüllt seit 2018 alle Voraussetzungen für den visafreien Personenverkehr. Daher empfiehlt die EU-Kommission auch dessen Einführung. Einzelne EU-Staaten blockieren die Umsetzung jedoch seit Jahren. Jüngst wurden neue Bedingungen formuliert. Für Schwartz ist es ein Unding, Zusagen nicht einzuhalten und neue Forderungen nachzuschieben: „Darin zeigt sich eine gewisse Überheblichkeit west­licher Regierungen gegenüber dem jüngsten Staat Europas und seinen Bürgern“, so Schwartz. Durch ein solches Verhalten verlören die EU und ihre Werte bei den Menschen im Kosovo zunehmend an Ansehen. „Damit im Kosovo und auf dem Westbalkan die Demokratie und auch die solidarische Zusammenarbeit unter Volksgruppen und zwischen Staaten gefestigt werden, braucht diese Region von der EU viel Aufmerksamkeit, Verlässlichkeit und vor allem eine Perspektive“, unterstrich der Leiter des Osteuropa-Hilfswerks.

Große Aufmerksamkeit schenkt die aktuelle tschechische EU-Ratspräsidentschaft dieser Region. Sie hat die Einführung der Visafreiheit für den Kosovo zu einer Priorität erklärt und will bis Ende des Jahres eine Entscheidung erreichen. „Die Perspektive der östlichen EU-Mitgliedstaaten muss mehr Gehör in der EU finden“, wünscht sich Schwartz. Aus eigener Erfahrungen wüssten diese nämlich, mit welchen Herausforderungen und auch Gefahren eine grundlegende Trans­formation verbunden ist und welche Unterstützung es brauche. „Hätten wir in den letzten Jahren im Westen die Erfahrungen der östlichen EU-Länder mehr wahr- und ernstgenommen, sähe die Situation in Europa heute anders aus“, gibt sich der Renovabis-Chef mit Blick auf die Rolle Russlands und den Angriff auf die Ukraine nachdenklich.

Die Mehrheit der Kosovo-Albaner sind sunnitische Muslime, die meisten Serben gehören der serbisch-orthodoxen Kirche an. Schätzungsweise zwei Prozent der albanischen Kosovaren bekennen sich zum römisch-katholischen Glauben. Renovabis unterstützt die Kirche vor Ort im Kosovo besonders den Aufbau von Bildungseinrichtungen, wie einem Gymnasium in Prizren und den beiden Salesianerschulen in der Hauptstadt Pristina und in Gjilan. Auch die pastorale Grundversorgung wird durch die Gewährung von Existenzhilfen für Priester gefördert. Nachdem der Kosovo unter Verwaltung der Vereinten Nationen gestellt worden war, hatte Papst Johannes Paul II. dort im Jahr 2000 eine eigene Apostolische Administration errichtet; diese wurde 2018 von Papst Franziskus in den Rang einer Diözese mit dem Namen Prizren-Pristina erhoben. In der Diözese werden 65.000 Gläubigen von rund 60 Priester in 24 Pfarreien betreut. Im Kosovo wurden in den Jahren 2021 und 2022 bis jetzt gut 1,3 Millionen Euro von Renovabis für die Projekte bewilligt. Insgesamt konnte das Osteuropa-Hilfswerk seit seiner Gründung 1993 für 21,4 Millionen Euro im Kosovo rund 350 Projekte der Partner vor Ort ermöglichen.

Weitere Schwerpunktländer von Renovabis auf dem Westbalkan  sind Albanien sowie Bosnien und Herzegowina. In Bosnien-Herzegowina waren es seit 1993 mehr als 52 Millionen Euro für gut 1.100 Projekte und in Albanien weitere knapp 40 Millionen Euro für bislang 1.300 Projekte.

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