Ein Viertel der 641 getesteten Nitrat-Messstellen in Deutschland überschritten in 2021 den in der EU-Grundwasserrichtlinie 2006/118/EG (GWRL) für Grundwasser europaweit einheitlich festgelegten Schwellenwert von 50 mg Nitrat je Liter. Damit hat sich die Anzahl der Überschreitungen an den Messpunkten gegenüber dem Vorjahr nicht verbessert.
Mit einem Nitratwert von 297,49 mg/l rangiert der Kreis Viersen (Nordrhein-Westfalen) in 2021 immer noch auf Platz 1 und erreicht überdies im 6-Jahresvergleich eine neue Höchstmarke. Dahinter folgt der Landkreis Bad Dürkheim (Rheinland-Pfalz) mit 202,0 mg/l. Aber auch die kreisfreie Stadt Wolfsburg (Niedersachsen) mit 143,33 mg/l und der Landkreis Lüchow-Dannenberg (Niedersachsen) mit 140,63 mg/l übertreffen den Nitrat-Schwellenwert im Grundwasser im Jahr 2021 noch um fast das Dreifache. Zwar immer noch viel zu hoch – aber gegenüber dem Vorjahr nahezu halbiert – hat sich mit 67,7 mg/l der Nitratmesswert im Landkreis Rostock (Mecklenburg-Vorpommern).
Zur Überwachung der Grundwasserqualität liegen in Deutschland neben dem EUA-Messnetz mit 1.264 Probestellen zur alljährlichen Berichterstattung von Grundwasserzustandsdaten an die Europäische Umweltagentur (EUA) zusätzlich noch das Wasserrahmenrichtlinienmessnetz mit insgesamt 7.869 Messstellen vor.
Das für die EU-Nitratrichtlinie alle vier Jahre verwendete EU-Nitratmessnetz, umfasst insgeamt 692 Messstellen. Hierzu werden laut dem UBA aus dem EUA-Messnetz diejenigen Messstellen herangezogen, in deren Einzugsgebiet die Nutzungseinflüsse der Landwirtschaft (Acker, Grünland und Sonderkulturen) auf die Grundwassermessstellen dominieren. Diese Anforderung ergibt sich aus dem in Artikel 1 der Richtlinie festgelegten Ziel, die Gewässerverunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen zu reduzieren. Deshalb finden in diesem Messnetz Messstellen unter Flächen die nicht landwirtschaftlich genutzt werden (Siedlung, Wald) keine Berücksichtigung. Die Anzahl der Messstellen ist darauf zurückzuführen, dass ca. 60 % der Fläche Deutschlands landwirtschaftlich genutzt wird.
Die Berichterstattung zur EU-Nitratrichtlinie erfolgt alle vier Jahre – letztmals im Jahr 2020 – und gibt Auskunft, in welchem Umfang Deutschland diese Richtlinie umgesetzt hat und wie stark die im Zusammenhang mit der Nitratrichtlinie ergriffenen Maßnahmen zu einer Reduzierung der Nitratbelastung des Grundwassers aus der Landwirtschaft geführt haben. Sofern Werte im Grundwasser überschritten werden, sind fristgerechte Gegenmaßnahmen zur Reduzierung der Einträge einzuleiten. Ansonsten drohen Deutschland horrende Strafzahlungen in Höhe von 857.000 Euro täglich.
Mit dem Urteil vom 21. Juni 2018 stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) fest, dass Deutschland die Nitrat-Richtlinie verletzt hatte. Der Verstoß lag darin, dass die Bundesrepublik im September 2014 keine weiteren zusätzlichen Maßnahmen oder verstärkte Aktionen zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus der Landwirtschaft ergriffen habe, obwohl deutlich gewesen sei, dass die bis dahin ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichend waren.
Wegen des andauernden Verstoßes erhielt Deutschland gemäß Artikel 260 des Vertrags von Lissabon seitens der EU-Kommission am 25. Juli 2019 ein Mahnschreiben zur Umsetzung des EuGH-Urteils. Bereits 2013 leitete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik ein und verurteilte diese schließlich, da die Vorgaben der EU-Nitratrichtlinie zum Schutz des Grundwassers vor Nitrateinträgen nicht ausreichend umgesetzt wurden. Nach erneuter Strafandrohung durch die EU-Kommission musste die 2017 verabschiedete Düngeverordnung nachgebessert werden. Ein zähes Ringen um Gebietsausweisungen und Sonderregelungen hält derweil an.
Hohe Nitrateinträge ins Grundwasser resultieren v.a. in viehreichen Regionen und stehen auch im Zusammenhang mit der angebauten Kulturpflanze und ihrem Stickstoff(N)-Bedarf. Bestimmte Sonderkulturen wie Brokkoli und Salat verlangen zur Qualitätssicherung oft einen N-Düngerzuschlag, womit das Auswaschungsrisiko von Nitrat steigt. Je nach Witterungsverlauf können auch N-Spätgaben beim Qualitätsweizenanbau zu unerwünschten Stickstoffverlusten führen. Daneben spielen für unerwünschte Nitrateinträge auch standörtliche Gegebenheiten wie geringe Grundwasserneubildungsrate und sehr geringe Grundwasserfließgeschwindigkeit verbunden mit sehr geringer Grundwasseraustauschrate sowie geringes Nitratrückhaltevermögen des Bodens und ein hohes Stickstoffmineralisationspotential eine Rolle.
Aufgrund der Vorgaben der Europäischen Kommission tritt z.B. in Nordrhein-Westfalen (NRW) bereits am 1. Dezember 2022 eine Neufassung der Düngeverordnung in Kraft. Die Landesdüngeverordnung gibt die nitratbelasteten (sog. "Rote Gebiete") und eutrophierten Gebiete in NRW bekannt und sie legt zusätzliche und abweichende Anforderungen für diese Flächen fest. Rechtsgrundlage hierfür ist die Düngeverordnung des Bundes. Die Gesetzesnovelle stuft somit ca. 500.000 Hektar, statt wie bisher 165.000 Hektar – als nitratbelastete landwirtschaftliche Flächen in NRW ein. Das entspricht immerhin rund ein Drittel der Landwirtschaftsfläche.
An Landwirte werden jetzt strengere Anforderungen bzgl. der Düngung gestellt. Eine zentrale Vorgabe sieht nämlich vor, dass in diesen Gebieten der Düngebedarf um etwa 20 Prozent reduziert werden muss. Ernte- und Qualitätseinbußen werden wohl die Konsequenz sein. Ob überhaupt die eingeleiteten Maßnahmen tatsächlich reichen, das Verfahren gegen Deutschland final einzustellen, oder es lediglich temporär ausgesetzt wird und weitere Nachforderungen folgen, bleibt indes ungeklärt. Das Bangen geht also in die nächste Runde.
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Übersichtskarte Nitratbelastung im Grundwasser in Deutschland 2016-2021
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