Immer wieder wird diskutiert, ob religiöse Praxis auch das Handeln von Menschen in positiver Weise beeinflusst. In einer Studie zu Verhaltensänderungen in Zeiten des intensiven religiösen Gebets und Fastens können ZEW-Forscher einen solchen Zusammenhang belegen. Am Beispiel des Fastenmonats Ramadan im Islam zeigt sich, dass praktizierte Religiosität das Sozialverhalten in messbarer Weise verbessert.

Ausgangspunkt der Studie ist, dass Fastenzeiten in Kombination mit vermehrtem Gebet und Reflexionen ein Merkmal aller Weltreligionen sind. Für eine empirische Überprüfung der Wirkungen dieser religiösen Praxis eignet sich der Islam in besonderer Weise, weil etwa im Vergleich zur vorösterlichen Fastenzeit für Christen der Ramadan von Muslimen tendenziell stärker beachtet wird. Um prosoziales Verhalten zu messen, ist die empirische Forschung auf zuverlässige Indikatoren angewiesen. So eignen sich Kriminalstatistiken dafür, weil sie eine besonders gut messbare Dimension menschlicher Verhaltensweisen erfassen.

Die Studie, die das ZEW Mannheim gemeinsam mit der französischen Université Clermont Auvergne durchgeführt hat, misst deshalb die Entwicklung der Kriminalität im Ramadan. Dazu werden Schweizer Daten herangezogen. Die inzwischen im renommierten Journal of Comparative Economics publizierte Studie belegt einen im Ausmaß starken Effekt und zeigt, dass in der Schweiz die Kriminalität von Einwanderern/-innen aus überwiegend muslimischen Ländern während des Ramadans um gut zehn Prozent zurückgeht. Aufschlussreich dabei ist, dass die Zahl der Delikte bereits in den Wochen vor Beginn des Ramadans sinkt und den gesamten Fastenmonat über auf dem niedrigeren Niveau bleibt. 

Die Wissenschaftler untersuchen mehrere Gründe für den deutlichen Rückgang im Zusammenhang mit dem Fastenmonat. „Als Hauptfaktor für diese Entwicklung identifizieren wir einen Wandel in den Überzeugungen und Werten, der sich auf die intensivere Auseinandersetzung mit den durch diese Religion vermittelten Normen zurückführen lässt“, sagt Carlo Birkholz, Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ und einer der Autoren der Studie. Andere Erklärungen hingegen spielen lediglich eine untergeordnete Rolle, wie etwa der Zeitaufwand für gemeinschaftliche Veranstaltungen beim Fastenbrechen am Abend, Erschöpfung aufgrund des Fastens oder eine höhere Wahrscheinlichkeit, zu Verwandtenbesuchen ins Herkunftsland zu reisen. 

Dass die persönliche Beschäftigung mit der Religion für die sinkende Zahl von Straftaten verantwortlich war, legt die Tatsache nahe, dass die Kriminalitätszahlen auch während des Corona-Lockdowns im Jahr 2020 abnahmen. „Der Ramadan dauerte in 2020 von Ende April bis Ende Mai. In dieser Zeit konnten die Menschen nicht an regelmäßigen Ramadan-Veranstaltungen teilnehmen, Treffen mit Familie und Freunden waren stark eingeschränkt – diese Faktoren scheiden demnach als Hauptgrund aus“, so Birkholz. Ein weiterer Beleg für die günstige Wirkung der Befassung mit Religion ist, dass die Zahl der Straftaten nicht erst mit Beginn des Ramadans sinkt, sondern bereits im Vormonat Sha’ban, der als Monat der Vorbereitung und inneren Einkehr gilt. 

Die Studie zeigt damit, dass religiöse Praxis einen positiven Einfluss auf das prosoziale Handeln von Menschen hat. Für ihre Analyse verwenden die Wissenschaftler Daten der polizeilichen Kriminalstatistik des Schweizer Bundesamt für Statistik, betrachtet wird der Zeitraum 2009 bis 2020. Zum Paper „Immigrant religious practices and criminality: The case of Ramadan“

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